Schuldenkrise:Ratingagentur Fitch wertet Spanien um drei Stufen ab

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Die Lage Spaniens in der Krise wird immer dramatischer: Die maroden Banken brauchen viel höhere Summen zur Sanierung als gedacht - und die Ratingagentur Fitch sieht das Land nur noch zwei Stufen über Ramschniveau. Für kurzes Aufatmen an den Börsen sorgt dagegen die chinesische Notenbank: Sie senkt erstmals seit vier Jahren den Leitzins - und will damit das Wirtschaftswachstum fördern.

Nikolaus Piper, New York und Markus Zydra, Frankfurt

Chinas Notenbank hilft der Wirtschaft, die US-Notenbank erklärt, für Hilfen bereitzustehen: Die Währungshüter in China, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, senkten erstmals seit der Finanzkrise vor vier Jahren den Leitzins - um einen Viertelprozentpunkt auf 6,31 Prozent. Der unerwartete Schritt macht Kredite billiger und kurbelt so Investitionen und Konsum an.

Zugleich versicherte der Chef der US-Notenbank Federal Reserve, Ben Bernanke, er werde notfalls gegen eine Ausbreitung der Schuldenkrise Europas in die Vereinigten Staaten vorgehen. Die Kurse an den wichtigsten Aktienmärkten stiegen daraufhin am Donnerstag.

Fed-Präsident Bernanke sagte während seines Halbjahresberichts vor dem US-Kongress, die Lage in Europa stelle "ein bedeutendes Risiko für das Finanzsystem und die Wirtschaft der USA" dar: "Wie immer steht die Federal Reserve bereit zu handeln, um das Finanzsystem und die Wirtschaft zu schützen, sollte der Stress zunehmen. Wir haben eine Reihe verschiedener Handlungsoptionen. Gegenwärtig kann ich keine von ihnen ausschließen." Weitere Details teilte Bernanke nicht mit.

Der Offenmarktausschuss der Fed, das Führungsgremium, wird das nächste Mal erst am 19. und 20. Juni tagen. An der Wall Street wird jedoch seit Tagen darüber spekuliert, dass die Fed ihre Politik der Geldmengenausweitung wieder aufnehmen könnte, um die US-Konjunktur zu beleben. Hierbei kauft die Bank US-Staatsanleihen und flutet so den Markt mit Geld. Bernankes Stellvertreterin Janet Yellen hatte sich bereits öffentlich dafür ausgesprochen.

Schon jetzt belaste die Euro-Krise die Vereinigten Staaten, meinte Bernanke in seinem Bericht an den Kongress weiter. Sie drücke auf die Exporte, ziehe das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmern herunter und setze die Finanzinstitute unter Druck.

Fitch droht USA mit Entzug des AAA-Ratings

Der Notenbankchef forderte zudem die US-Politiker dazu auf, die langfristigen Probleme des Landes anzupacken. Der Staatshaushalt müsse "auf einen nachhaltigen, langfristigen Pfad" gebracht werden. Die Ratingagentur Fitch droht den USA bereits mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Sollte bis 2013 kein glaubwürdiger Sparplan vorliegen, würden die USA ihr Toprating "AAA" verlieren, sagte der für Länderanalysen zuständige Ed Parker.

Hintergrund der Zinssenkung in China ist, dass die Konjunktur dort merklich abgekühlt hat. Der Einkaufsmanager-Index für große Industrieunternehmen - Ergebnis einer wichtigen Konjunkturumfrage - fiel im Mai überraschend auf ein Jahrestief. Noch schlechter steht es um Chinas mittelständische Industrie. Deren Einkaufsmanager-Index signalisiert bereits seit sieben Monaten schrumpfende Geschäfte. Für das Gesamtjahr sagen Ökonomen ein Wirtschaftswachstum von 8,2 Prozent voraus. Klingt erfreulich, wäre aber der schwächste Anstieg seit 1999. Für viele deutsche Firmen ist China inzwischen der wichtigste Markt, etwa für Volkswagen und Porsche.

In China wachsen zugleich die Sorgen um Europa: Der chinesische Staatsfonds CIC, der ein Vermögen von 410 Milliarden Dollar verwaltet, fürchtet, dass die Währungsunion auseinanderbricht, und zieht deshalb Kapital aus der Region ab. "Wir finden derzeit, dass es zu viel Risiko an Europas öffentlichen Märkten gibt", sagte CIC-Chef Lou Jiwei dem Wall Street Journal. Europa ist für die Volksrepublik der größte Exportmarkt. Es ist das erste Mal, dass ein hochrangiger Vertreter der Regierung in Peking den teilweisen Rückzug aus Europa öffentlich macht. Welche Summe der Staatsfonds abgezogen hat, ist unbekannt.

Marode spanische Banken brauchen bis zu 100 Milliarden Euro

Schlechte Nachrichten aus Spanien dürften den Fonds in seiner Skepsis bestärken: Die Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit des Euro-Krisenlandes um drei Stufen herabgestuft. Die Kreditwürdigkeit sei von "A" auf "BBB" gesenkt worden, teilte die Agentur am Donnerstag mit. Damit wird der Staat nur noch zwei Stufen über Ramsch-Niveau bewertet. Zudem ist der Ausblick negativ, das heißt, die Wahrscheinlichkeit weiterer Herabstufungen überwiegt mittelfristig. Als Begründung nannte das Ratingunternehmen die hohen Kosten, die Spanien wahrscheinlich bei der Sanierung des maroden Bankensektors bevorstehen.

Das wird auch teuer für die EU: Die erforderliche Hilfe der EU für Spaniens Banken könne sich auf bis zu 100 Milliarden Euro belaufen, sagte der Generalsekretär der Europäischen Volkspartei (EVP), Antonio López-Istúriz, am Donnerstag. Der EU-Gipfel am 28. und 29. Juni könnte grünes Licht geben, wenn Spanien diese Hilfen benötige, ergänzte er. Die spanische Regierung hat aber noch nicht entschieden, ob sie in Brüssel tatsächlich Hilfen für die Banken beantragen wird. Immerhin gelang es dem Schatzamt in Madrid am Donnerstag, Staatsanleihen mit drei verschiedenen Laufzeiten zu versteigern und zwei Milliarden Euro einzusammeln. Die Investoren verlangten Zinsen von sechs Prozent. Im April waren es noch 5,7 Prozent.

Ursprünglich hatte Spanien auf Unterstützung durch die Europäische Zentralbank (EZB) gehofft. Doch die Währungshüter verweigerten nach ihrer Ratssitzung am Mittwoch neue Hilfen. Der Leitzins blieb unverändert bei einem Prozent, Kredite werden also nicht verbilligt. Außerdem deutete EZB-Präsident Mario Draghi an, dass die EZB derzeit keine spanischen Staatsanleihen kaufen werde. Er sprach sich aber dafür aus, dass spanische Banken sich direkt über den Euro-Rettungsfonds ESM mit Kapital versorgen können. Der Italiener stellte jedoch zugleich klar, der ESM-Vertrag sei nicht dafür ausgelegt, dass der ESM Aktionär bedürftiger Banken werde. Draghi betonte, dass die Krise zu großen Teilen auf staatliche Misswirtschaft zurückgehe: hohe Schulden, fehlende Wettbewerbsfähigkeit, starre Arbeitsmärkte. "Es wäre nicht richtig", sagte er, "wenn wir das Loch füllen würden, das durch die Untätigkeit anderer entstanden ist."

© SZ vom 08.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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