Schuldenkrise in Zypern:Die Angst kehrt zurück

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Zeitenwende: Erstmals wird zur Abwendung der Finanzkrise in Zypern auch das Geld von Investoren und Anlegern herangezogen.

(Foto: dpa)

Mit der Schonung der Finanzmärkte scheint es vorbei zu sein: Zyperns Rettung hat die Anleger erneut verunsichert. Es gibt Experten, die das durchaus positiv sehen.

Von Harald Freiberger

Der März könnte in die Geschichte der europäischen Schuldenkrise eingehen als der Monat, in dem die Angst zurückkehrte. Eine Angst, wie man sie seit dem Sommer nicht mehr gekannt hat. Als Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank, im Juli ankündigte, er werde alles tun, um den Euro zu retten, war das die Wende zum Guten: Alarmindikatoren wie die Zinsen für italienische und spanische Anleihen beruhigten sich, die Aktienmärkte legten kräftig zu. Mitte März kletterte der Deutsche Aktienindex (Dax) über 8000 Punkte und erreichte Rekordhöhe. Es schien kein Halten mehr zu geben.

Und nun das: Seit dem 15. März hat der Dax kontinuierlich verloren, er steht gerade noch bei knapp 7800 Punkten. Der Euro ist im Sinkflug. Zehnjährige deutsche Staatsanleihen, deren Rendite Ende Januar noch bei 1,70 Euro lag, notieren bei 1,28 Euro. Das ist gar nicht mehr so weit entfernt vom bisher tiefsten Stand von 1,16 Euro vor der Draghi-Wende im Juli.

Die Investoren flüchten wieder in Sicherheit. Anders gesagt: Die Unsicherheit ist zurück. Die Angst hat einen Namen: Zypern. Seit am 13. März bekannt wurde, wie sich die EU die Rettung des kleinen Inselstaates vorstellt, blinken auf den Bildschirmen der Händler und Investoren alle Warnlampen. Erst hieß es, dass auch Kleinsparer bei zyprischen Banken für die Rettung zahlen sollen. Das ist vom Tisch, nun werden nur Einlagen über 100.000 Euro belastet. Doch dann kam Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem, der ein solches Modell "eine Blaupause" auch für Staaten wie Italien oder Spanien nannte. "Diese Äußerung ist absolut problematisch, sie hat die Anleger sehr, sehr irritiert", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Investoren sollen mit ihren Einlagen haften

Die Geschichte der europäischen Schuldenkrise hat gezeigt, dass die Verunsicherung immer dann am größten war, wenn es den Investoren ans Geld gehen sollte. Der Schuldenschnitt bei griechischen Staatsanleihen hat die Finanzmärkte erschüttert. Mehr hat man sich bisher nicht getraut, aus Angst davor, die Investoren komplett zu vergraulen. Lieber setzte die EU bei der Rettung der Schuldenstaaten das Geld der Steuerzahler ein.

Mit der Schonung der Finanzmärkte scheint es nun vorbei zu sein. Die Aussicht, dass die Investoren, auch solche in Italien oder Spanien, vielleicht mit ihren Einlagen haften müssen, hat stark zur Verunsicherung beigetragen. "Die Gläubiger sind jetzt viel nervöser als noch vor wenigen Wochen", sagt Krämer. Ein Problem sei auch, dass es nach einer Ad-hoc-Entscheidung der Politik aussehe, die nicht gerade das Vertrauen fördere. Der Ökonom erwartet, dass die Märkte erst einmal ein paar Tage brauchen werden, um diese schlechten Nachrichten zu verdauen.

Mittelfristig hofft Krämer darauf, dass sich bei den Investoren die Einsicht durchsetzt, es handle sich bei Zypern um einen Sonderfall. Noch seien die Gläubiger in Italien oder Spanien nicht übernervös, weil sie die Unterschiede ihrer Länder zu dem Inselstaat sähen. Andererseits aber sei Dijsselbloems Aussage in der Welt, und die Investoren würden sich daran erinnern, sollten sich die Probleme verschärfen.

Zypern-Rettung bedeutet Zeitenwende

Es gibt allerdings auch Ökonomen, die die jüngsten Ereignisse nicht ganz so skeptisch sehen. Da ist zunächst die Wahl in Italien, die Ende Februar noch für starke Verunsicherung gesorgt hatte. Doch in den zwei Wochen danach steckten die Finanzmärkte das Ereignis weg, als wäre nichts gewesen. "Das zeigt, dass die Investoren nicht mehr alle Euro-Länder über einen Kamm scheren", sagt Jean Medecin vom französischen Vermögensverwalter Carmignac Gestion. Die Ansteckungsgefahr in Europa sei bei weitem nicht mehr so groß wie noch im vergangenen Jahr.

"Nachhaltigeres Modell zur Rettung der Schuldenstaaten"

Der Fall Zypern brachte Mitte März zwar neue Verunsicherung. Doch selbst dem können Experten etwas Positives abgewinnen. "Die EU hat mit der Rettung Zyperns eine Zeitenwende eingeläutet", sagt Philipp Dobbert, Volkswirt bei der Quirin Bank. Die Beteiligung vermögender Investoren sei deshalb positiv, weil die Rettungsaktionen der Vergangenheit ohnehin an ihre Grenzen gekommen waren: Den Steuerzahlern von Rettungsländern wie Deutschland sei es nicht mehr zu vermitteln, warum immer nur sie haften sollen, wenn wieder ein Land in der Bredouille steckt. Genauso wenig wie der Bevölkerung geretteter Staaten wie Griechenland, die die Folgen der Sparpakete zu tragen hat, während sich hohe Vermögen nicht an den Kosten und Risiken der Rettung beteiligen.

"Wenn nun Investoren und Eigentümer schrittweise herangezogen werden, ist dies ein nachhaltigeres Modell zur Rettung der Schuldenstaaten", sagt Dobbert. Das berge kurzfristig zwar das Risiko der Verunsicherung der Finanzmärkte, könne langfristig aber ein positives Signal für den Zusammenhalt der Euro-Zone sein. Dobbert erwartet auf den Aktien-, Anleihen- und Devisenmärkten in den nächsten Monaten zwar weiter deutliche Schwankungen. Gleichzeitig gebe es aber begründete Hoffnungen, dass die Ausschläge nicht mehr so groß sein werden wie bis zum Juli 2012.

Der Fall Zypern hätte dann auch etwas Gutes: Er zeigte zwar, dass die Schuldenkrise noch lange nicht vorbei ist - aber auch, dass sie nach und nach abebben könnte.

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