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Schuldenkrise in Spanien:Rajoy nähert sich dem Rettungsschirm

Nicht nur Bundeskanzlerin Merkel verschiebt ihre roten Linien in der Euro-Krise. Auch der spanische Regierungsschef muss von seinen Prinzipien abrücken: Nach und nach bereitet er sein Land auf Finanzhilfen aus dem Ausland vor. Gleichzeitig verbittet er sich aber eine Einmischung in spanische Angelegenheiten.

Hatte sich Ministerpräsident Mariano Rajoy lange Zeit vehement gegen Finanzhilfen aus dem Ausland gewehrt, versucht er nun offenbar, die spanische Bevölkerung vorsichtig darauf einzustimmen, dass ihr Land bald bei den europäischen Partnern anklopfen muss. Schon länger wird unter Diplomaten darüber gesprochen, ob Spanien weitere Hilfen beantragen wird. Anfang August war Rajoy erstmals von seiner Position abgerückt, keinesfalls einen solchen Schritt unternehmen zu wollen.

Nun erklärte Rajoy, er sei überzeugt, dass sich alle Seiten vernünftig verhalten würden, wenn es um die Bedingungen für ein neues Hilfsprogramm gehe. "Ich werde mir die Bedingungen ansehen. Ich kann aber nicht akzeptieren, dass man uns sagt, welche Kürzungen nötig sind und welche nicht", sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender TVE. Einige europäische Staaten hätten ihn gedrängt, den Rettungsschirm in Anspruch zu nehmen, andere seien aber dagegen, erklärte er.

Die Nachrichtenagentur Reuters will aus Diplomatenkreisen sogar schon vor einigen Wochen erfahren haben, in welchem Umfang sich ein Hilfsprogramm für Spanien bewegen könnte: Bei einem Treffen zwischen Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos und dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble sei über eine Summe in Höhe von 300 Milliarden Euro gesprochen worden. Das Land hat bereits 100 Milliarden Euro an Hilfen für seine angeschlagenen Banken zugesagt bekommen.

Über einen Antrag auf Finanzhilfe für sein Land habe er noch nicht entschieden, sagte Rajoy nun. "Wir werden sehen, ob es wirklich nötig ist", sagte der Regierungschef auch in Bezug auf mögliche Hilfen durch die Europäische Zentralbank (EZB). EZB-Chef Mario Draghi hatte vergangene Woche versprochen, verschuldete Euro-Länder mit dem Aufkauf von Staatsanleihen zu unterstützen - wenn es sein muss auch in unbegrenztem Umfang.

Staaten wie Spanien leiden derzeit unter hohen Zinsen, wenn sie sich an den Finanzmärkten Geld leihen, und versprechen sich durch ein Eingreifen der EZB Besserung. Draghi knüpfte das neue Programm aber an eine entscheidende Bedingung: Hilfsbedürftige Staaten müssen einen offiziellen Antrag bei den Rettungsfonds EFSF oder ESM stellen und sich damit Spar- und Reformvorgaben unterwerfen.

Rajoy weiß, wie schwierig es für ihn sein wird, solche Eingriffe aus dem Ausland gegenüber der eigenen Bevölkerung zu verkaufen. Deshalb verbittet er sich öffentlich weiterhin eine Einmischung der europäischen Partner in die Sparanstrengungen seines Landes. Es gebe einige "rote Linien", die er nicht überschreiten werde. Welche Punkte das sein könnten, sagte er allerdings nicht.

Das wichtigste sei derzeit der Abbau des Defizits durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen. Im kommenden Jahr werde der Fehlbetrag auf 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedrückt. Rajoy kündigte für Oktober zwei neue Steuern an. Eine werde auf Gewinne aus Verkäufen von Vermögensgegenständen erhoben, die an Wert zugelegt haben. Bei der zweiten handele es sich um eine Öko-Steuer. Weitere Einzelheiten nannte der Ministerpräsident nicht.

Das größte Problem des Landes ist nach wie vor die Krise am Arbeitsmarkt. Mit einer Arbeitslosenquote von 24,5 Prozent ist Spanien trauriger Spitzenreiter in Europa - sogar in Griechenland ist der Anteil der Erwerbslosen geringer (22,3 Prozent), wie eine aktuelle Länderanalyse der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigt. Besonderts dramatisch ist die Lage für junge Menschen: Mehr als jeder zweite Spanier unter 24 Jahren ist ohne Job.

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