Schuldenkrise in Griechenland:Was hinter dem Gnadenfrist-Angebot steckt

Greek PM Tsipras and Finance Minister Varoufakis leave a meeting at the Finance ministry in Athens

Der griechische Premierminister Tsipras und Finanzminister Varoufakis.

(Foto: REUTERS)
  • Der Internationale Währungsfonds bietet Griechenland eine Gnadenfrist an.
  • Doch die Griechen halten sich diese Option noch offen - und pokern weiter.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Es gibt Angebote, die kann man ablehnen. Es gibt aber auch Angebote, die sind so verlockend, dass es schwer fällt, sie auszuschlagen. Ein solches Angebot hat die griechische Regierung aus Washington erhalten. Wenn Athen möchte, gewährt der Internationale Währungsfonds (IWF) Premierminister Alexis Tsipras eine Gnadenfrist. Ein IWF-Sprecher sagte, Athen könne die Juni-Zahlungen bündeln und am Ende des Monats auf einen Schlag überweisen. Dazu müsste die Regierung in Athen lediglich eine Notiz senden. Dann würde der IWF dem Antrag umgehend zustimmen.

Wie lange reicht das Geld?

Bislang hat Griechenland jedoch keine Anfrage nach Washington gesendet. In EU-Kreisen heißt es, Tsipras wolle dies noch nicht tun, weil er sich diese Option für die weiteren Verhandlungen offenhalten möchte. Noch pokern die Griechen also. Die Frage ist, wie lange das Geld reicht, um die fälligen Zahlungen an den Weltwährungsfonds zu leisten. Bereits an diesem Freitag muss Athen 300 Millionen Euro nach Washington überweisen; insgesamt werden im Juni 1,6 Milliarden Euro fällig. Regierungsmitglieder aus Athen hatten sich in den vergangenen Tagen immer wieder mit einer Botschaft zu Wort gemeldet: Wir haben kein Geld, um die nächste Rate zu bezahlen. Tsipras wiederum ließ verlauten, dass Griechenland auf jeden Fall seine Zahlungsversprechen einhalte.

Na was denn nun? In Washington und Brüssel ist man davon überzeugt, dass die Griechen eines auf jeden Fall vermeiden wollen: einen Zahlungsausfall. Also, warum nicht alle Raten bündeln und Ende Juni überweisen? Dies würde Athen mehr Zeit für Verhandlungen mit den Gläubigern geben, um die restlichen 7,2 Milliarden Euro aus dem zweiten Rettungspaket zu erhalten. In der Geschichte des Weltwährungsfonds hat von dieser Bündelungsregelung bislang nur ein Land Gebrauch gemacht. Sambia verschaffte sich vor 30 Jahren auf diesem Weg einen gewissen Zahlungsaufschub. Bleibt also die Frage, ob Griechenland die Sambia-Option wahrnimmt.

Ball liegt bei den Europäern

Der Weltwährungsfonds macht schon länger keinen Hehl daraus, dass er sich bei der Griechenland-Rettung am liebsten in Zukunft heraushalten würde. Noch läuft das aktuelle IWF-Programm bis Frühjahr 2016. Erst vergangene Woche machte IWF-Chefin Christine Lagarde beim Treffen der G-7-Finanzminister in Dresden deutlich, dass der Ball nun bei den Europäern liege. Wenn die Euro-Länder eine drohende Staatspleite vermeiden wollten, müssten sie selber Vorkehrungen treffen. Sobald die Voraussetzungen erfüllt seien, könnten die Euro-Staaten und die EZB den Griechen "ein wenig Luft zum Atmen geben".

Derzeit geht es aber noch um die Freigabe des zweiten Hilfspakets an Athen. Bei dem nächtlichen Treffen im Berliner Kanzleramt mit Angela Merkel, François Hollande, Jean-Claude Juncker und Mario Draghi saß auch IWF-Chefin Lagarde mit am Tisch. Die Europäer möchten, dass der Währungsfonds bei einem möglichen dritten Hilfspaket auf jeden Fall wieder dabei wäre. Doch beim IWF stellt man sich zunehmend die Frage, warum ein hoch entwickelter Staat wie Griechenland die Gemeinschaft des Währungsfonds weiter so stark belasten soll.

Nach dieser Berliner Nacht bleibt vieles unsicher, aber eine Frage wird die Teilnehmer der Runde noch lange beschäftigen: Wie soll sie in Zukunft funktionieren, die europäische Währungsunion? Angela Merkel und François Hollande haben dazu ihre Gedanken zu Papier gebracht. Auf drei Seiten beschreiben die beiden, was aus ihrer Sicht getan werden muss, um die Euro-Zone zu stärken. Das gemeinsame Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt und über das zuerst die französische Tageszeitung Le Monde berichtet hat, ist als Beitrag aus Berlin und Paris zur geplanten Diskussion einer möglichen Vertiefung der Währungsunion auf dem EU-Gipfel im Juni gedacht.

Merkel und Hollande wollen, dass die Europäische Kommission weniger Einfluss auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik der einzelnen Euro-Staaten hat. So soll sich die Behörde aus Brüssel künftig in ihren länderspezifischen Empfehlungen auf einige wenige Aspekte beschränken. Die Bundesregierung wehrt sich schon länger gegen die Vorschläge aus Brüssel. Die Deutschen sind verärgert über die immer gleiche Mahnung, mehr Geld in öffentliche Investitionen zu stecken und so die Nachfrage anzufachen. Auch in Paris gibt es Groll gegenüber der Kommission. Frankreich muss seinen Haushalt sanieren, aber wie das genau geschehen soll, darüber herrscht Uneinigkeit.

Der Vorschlag von Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande ist klar: Sie wollen weniger Vorgaben aus Brüssel. Die EU-Kommission solle stattdessen allgemeine Prioritäten für den Euro-Raum definieren, die von der Euro-Gruppe oder den Staats- und Regierungschefs gebilligt werden müssten. Erst danach solle die Kommission allgemeine einzelne Empfehlungen für die Staaten abgeben.

Ein Problem bleibt dabei allerdings: Die Länder müssten sich daran auch halten.

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