Schuldenkrise in Griechenland:Varoufakis rechnet mit Schäuble ab

  • Der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis greift in einem Zeitungsbeitrag Schäuble an.
  • Der deutsche Finanzminister wolle Griechenland aus der Währungsunion herausdrängen, behauptet Varoufakis.

Von Sebastian Gierke

Die Debatte um Griechenland war die vergangenen Wochen mit der Situation von Reisenden vergleichbar, die mitten in einem Eisenbahntunnel verunglückt sind. Kafka hat diese Situation beschrieben. Weder nach vorne noch nach hinten ist das Licht der Tunnelöffnung zu sehen. Es ist zu lange her. Und zu lange hin.

Yanis Varoufakis hat immer ein Licht gesehen. Zumindest hat er sich eingebildet, es zu sehen. Varoufakis, der linke Rebell, der sich bis zu seiner Demission so kompromisslos gegeben hat. Progressives Revoluzzertum und auftrumpfende Machogesten, das war seine Welt.

Das Klein-Klein der Verhandlungen in Brüssel war ihm verhasst. Er wollte alles. Er wollte ein anderes System. Für Griechenland und für Europa. Auch wenn er nach dem Referendum einen guten Zeitpunkt für den Rücktritt gefunden hat: Gemessen daran ist Varoufakis gescheitert. Gescheitert an den europäischen, finanzpolitischen Realitäten. Er hat nichts mehr zu sagen. Als gestern im griechischen Parlament über die Reformvorschläge abgestimmt wurde, ist auch sein Name aufgerufen worden. Großes Hallo! Varoufakis war aber gar nicht da. Berichten zufolge soll er auf einer Fähre gesehen worden sein, auf dem Weg in sein Ferienhaus.

Vorher hat Varoufakis noch einen Text geschrieben. Kleinlaut lässt ihn sein Rücktritt nämlich nicht werden. Und so meldet sich Varoufakis ausgerechnet an dem Tag, an dem sich die Finanzminister der Eurozone in Brüssel treffen, um über die griechischen Reformvorschläge zu beraten, wieder zu Wort.

In einem Zeitungsbeitrag macht Varoufakis seinem Frust über Lieblingsfeind Wolfgang Schäuble Luft. Der deutsche Finanzminister sehe einen "Grexit" nicht nur als einzige Möglichkeit, reinen Tisch zu machen, sondern wolle damit auch die gesamte Eurozone seinem Diktat unterwerfen, schreibt Varoufakis in einem Kommentar für die britische Tageszeitung The Guardian.

"Klare Verhältnisse schaffen"

Vorwürfe, wie sie Varoufakis in den vergangenen Monaten immer wieder erhoben hat. Wortgewaltig. So auch diesmal. "Auf der Grundlage monatelanger Verhandlungen bin ich davon überzeugt, dass der deutsche Finanzminister will, dass Griechenland aus der Währungsunion herausgedrängt wird, um die Franzosen das Fürchten zu lehren und sie zu zwingen, sich seinem Modell einer Eurozone zu unterwerfen, in der strenge Disziplin herrscht." Varoufakis nennt das "Schäubles Modell einer Zuchtmeister-Eurozone". Der Deutsche wolle "klare Verhältnisse schaffen, auf die eine oder andere Weise".

Ausgerechnet am Tag, an dem in Brüssel wieder die Finanzminister verhandeln, holt Varoufakis noch einmal zum großen Rundumschlag aus. Den Euroländern wirft er vor, zu Beginn der Schuldenkrise 2010 statt einer Umschuldung und einer Reform der Wirtschaft eine "toxische Option" gewählt zu haben. So seien "neue Kredite an eine bankrotte Einheit vergeben worden, während so getan wurde, als bleibe sie solvent". Zur Zeit des Amtsantritts der Syriza-Partei im Januar habe dann eine Mehrheit der Euroländer unter der Anleitung Schäubles "einen Grexit entweder als ihr bevorzugtes Ergebnis oder als ihre bevorzugte Waffe gegen unsere Regierung" angesehen.

Schäuble und die anderen Finanzminister in Brüssel werden froh sein, dass Varoufakis heute nicht mehr am Tisch sitzt. Ob sie das Licht schon sehen?

Mit Material der Agenturen.

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