Süddeutsche Zeitung

Schuldenkrise in Griechenland:Heiter bis pleite

Finanzminister Schäuble sieht in den kommenden zwei Jahren kein Ende der Finanzkrise. Europäische Institutionen bereiten Notfallpläne für eine Pleite Griechenlands vor, der weltweit größte Gelddrucker De La Rue stellt sich auf die Rückkehr der Drachme ein. Griechenlands Tourismusverband hingegen stemmt sich gegen die Krisenstimmung und beklagt die schlechte Presse im Ausland.

Hans-Jürgen Jakobs

Der Wetterbericht meldet für Kreta, Rhodos und Peloponnes aktuell viel Sonne. Temperatur: zwischen 18 und 23 Grad. Alles prospektmäßig - wären da nicht all die Nachrichten aus Athen und die internationalen Berichte über die Schuldenlasten Griechenlands. "Das kann so nicht weitergehen", empört sich der Verband der griechischen Touristischen Betriebe: "Medien im Ausland sprechen von einem Chaos. Im Gegenteil, alles im Tourismus läuft normal."

Was aber ist normal, wenn der weltweit größte Gelddrucker De La Rue sich auf ein Ende des Euro in Hellas und auf die Rückkehr der Drachme einstellt? Man müsse sich auf alle Eventualitäten vorbereiten, heißt es bei der britischen Firma. Ein Auftrag aus Athen winkt.

Tatsächlich verdichten sich die Anzeichen, dass es Spitz auf Knopf steht - und dass Griechenland, der fortgesetzte Pleite-Kandidat, tatsächlich die Euro-Zone verlassen könnte. Nicht nur De La Rue, auch öffentliche Institutionen bereiten sich vor. "Die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission arbeiten an Notfall-Szenarien für den Fall, dass es Griechenland nicht schafft", offenbart EU-Handelskommissar Karel De Gucht. Der Staat müsse zu den Vereinbarungen über Sparen und Reformen stehen, das sei "die einzige rationale Option". Er warnt vor dem "Endspiel".

Nach den gescheiterten Bemühungen für eine Regierungsbildung hat die Ratingagentur Fitch Griechenland weiter herabgestuft. Grund: die Gefahr, dass der Staat aus der Euro-Zone ausscheide. Anleihen sind nun mit CCC statt mit B- bewertet, alles auf Ramsch-Niveau. Zuvor war schon Standard & Poor's zu einem ähnlichen Urteil gekommen. Das bedeutet: Nur bei günstiger Entwicklung seien keine Zahlungsausfälle zu erwarten. Sollte die Neuwahl am 17. Juni keine Regierung mit einem Mandat zur Fortsetzung des EU-Programms hervorbringen, so Fitch, wäre ein Euro-Ausscheiden Griechenlands "wahrscheinlich".

Erst Griechenland, dann Portugal, Spanien und Italien

Die Schuldenkrise werde die Finanzmärkte noch bis zu zwei Jahre durchrütteln, glaubt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): "Wir wollen, dass Griechenland im Euro bleibt, aber es muss seine Verpflichtungen erfüllen, und das ist eine Entscheidung, die die Griechen treffen müssen." Seelenmassage leistet auch Martin Schulz (SPD), Präsident des EU-Parlaments. "Ich will den Leuten sagen: Im Euro ist es hart und wird noch hart bleiben, außerhalb des Euros wird es härter werden."

Die Wirtschaft in Griechenland würde innerhalb weniger Tage kollabieren. "Dann werden wir wahrscheinlich als Europäische Union Milliarden-Hilfszahlungen leisten. Denn wir werden sicher nicht zulassen, dass dieses Land völlig zusammenbricht." Er halte die ganze Spekulation, dass Griechenland abzuschreiben ist, für nicht ungefährlich - "das ist heute Griechenland, morgen Portugal, übermorgen Spanien, dann Italien."

Korruption und Schattenwirtschaft sind nach Meinung des österreichischen Ökonomen Friedrich Schneider die drängendsten Probleme Griechenlands. Nach seinen Studien wird allein der durch Bestechung angerichtete volkswirtschaftliche Schaden 2012 auf 27,3 Milliarden Euro wachsen. Trotz eines leichten Abwärtstrends stehe zudem die Schwarzarbeit in Griechenland für einen Gegenwert von hohen 24,3 Prozent des Bruttosozialprodukts, schreibt der Professor aus Linz.

375 Milliarden Euro Verbindlichkeiten

Auch in zwei Jahren teurer Griechenland-Rettung ist kaum etwas besser geworden. Der Anteil der Schulden an der Wirtschaftsleistung entwickelt sich auf desaströse 168 Prozent im nächsten Jahr hin. Die reichen Griechen haben ihr Geld längst abgezogen. Der griechische Zentralbank-Chef Giorgos Provopoulos spricht "von einer großen Angst, die zu einer Panik führen könnte". Insgesamt liegen die Verbindlichkeiten gegenüber der Euro-Zone bei 375 Milliarden. Vier Jahre Rezession haben dem Land zugesetzt.

Für deutsche Exporteure bedeutet das griechische Fiasko eher ein kleines Risiko. 2011 lieferten Firmen nur für 5,1 Milliarden Euro Waren in den Mittelmeer-Staat, das waren 0,5 Prozent aller Ausfuhren. Das bedeutete erneut einen Rückschlag gegenüber dem Vorjahr von minus 13 Prozent. Am gravierendsten sind die Krisenfolgen für den Tourismus. Schließlich steht Griechenland mit 2,6 Prozent Marktanteil auf Rang sieben in der Hitliste der beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen. Letzte Meldung der touristischen Betriebe in Griechenland: In einigen Regionen gingen die Buchungen der Deutschen um 40 Prozent zurück.

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SZ vom 19.05.2012/mkoh
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