Schuldenkrise in Griechenland:Athen gewinnt Zeit - und braucht mehr Geld

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Die Euro-Länder geben Athen zwei Jahre mehr Zeit, um den Haushalt zu sanieren. Doch damit braucht Griechenland auch mehr Geld. Wo könnte das herkommen? Außerdem bleiben trotz des Zeitgewinns viele Probleme: der Schuldenstand, die Wettbewerbsfähigkeit, die Arbeitslosigkeit. Wie die Griechen sie lösen können.

Bastian Brinkmann und Jannis Brühl

Wie geht es weiter in Griechenland? Straßenszene in Athen. (Foto: AFP)

Die griechische Regierung erhält zwei Jahre mehr Zeit für die Sanierung des maroden Staatshaushalts. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung muss Athen die Neuverschuldung statt 2014 erst 2016 wieder im Griff haben. Damit werden auch die Fristen für Reformen verlängert.

Griechenland hat keinen Zugang zum Kapitalmarkt. Staaten bekommen normalerweise von internationalen Investoren Kredite, doch die trauen Athen nicht mehr. Seit zwei Jahren bekommt das Land deswegen Notkredite von den europäischen Ländern. Nach SZ-Informationen kann Ministerpräsident Antonis Samaras zumindest damit rechnen, dass die Euro-Partner in Kürze die dringend benötigte nächste Tranche in Höhe von fast 32 Milliarden Euro freigeben werden.

Aber viele Herausforderungen bleiben, wenn Athen zwei Jahre mehr Zeit bekommt. Ein Überblick, wie es in Griechenland weitergehen könnte.

Neues Geld

Diese Zahlung war bereits vereinbart. Bekommt Griechenland nun Aufschub, braucht das Land auch neue Notkredite, um diese Zeit zu überbrücken, bis Investoren dem Land am Kapitalmarkt wieder Geld leihen wollen. Die griechische Regierung und EU-Beamte schätzen, dass 20 bis 30 Milliarden Euro fehlen. Das Geld könnte aus dem Rettungsschirm ESM kommen, der dafür genug Kapital hat. Doch jedes neue ESM-Programm muss durch den Bundestag. Es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre schwarz-gelbe Koalition vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 zwingt, einem solchen Antrag zuzustimmen. Die Bundestagsabgeordneten müssten sich im Wahlkampf rechtfertigen, Griechenland noch mehr Milliarden zu schicken.

"Dass der deutsche Steuerzahler mehr zahlen wird, muss man den Leuten aber jetzt auch sagen", sagte Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Grünen, zu Süddeutsche.de. Er begrüßt die Fristverlängerung grundsätzlich und geht davon aus, dass Griechenland zudem entlastet wird, indem die Zinsen für die bereits geflossenen Notkredite gesenkt werden. So solle möglichst wenig Widerstand provoziert werden: "Die Vergangenheit lehrt, dass das gemacht wird, was am unauffälligsten ist und am wenigsten nach direktem Transfer aussieht."

In der Regierungspartei FDP stößt der Plan auf Ablehnung, Athen mehr Zeit zu geben. Fraktionschef Rainer Brüderle wiederholte am Mittwoch das offizielle Mantra der Bundesregierung der vergangenen Wochen: Bevor es Zugeständnisse gebe, müsse der Bericht der Troika aus EU, EZB und IWF abgewartet werden. "Jetzt vorab schon zu sagen: 'Egal, was der Bericht sagt, egal, was ihr macht, ihr kriegt zwei Jahre Verlängerung', ist genau falsch, weil man den Druck aufrechterhalten muss."

Allerdings basiert ein neues Memorandum of Understanding, das die griechische Regierung und die internationalen Kreditgeber gerade aushandeln, nach SZ-Informationen auf der Überzeugung der Geldgeber, dass Griechenland erstmals ernsthaft Reformen durchsetzt. Zudem soll der Troika-Bericht diese Woche offiziell kommen, in der Regel geht er vorab an die Staats- und Regierungschefs.

Der Selbstversorger-Trick

Griechenland könnte einen Teil der neuen Finanzierungslücke mit kurzfristigen Krediten ausgleichen. So hat das Land sich in den vergangenen Monaten finanziert, als die 32-Milliarden-Tranche sich verzögerte. Die griechische Regierung bietet dafür Papiere an, die beispielsweise ein halbes Jahr laufen. Vor allem die heimischen Banken kaufen diese - um sie dann bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheiten zu hinterlegen. Dafür gibt die EZB den griechischen Banken neues Geld. Das können sie dann wieder an den Staat leihen - ein instabiler Kreislauf. Viele Milliarden kann Athen damit nicht auftreiben.

Der Reformfahrplan

Die Regierungsparteien verhandelt hart über Arbeitsmarktreformen. Eine Einigung steht noch aus. Löhne sollen gekürzt, Abfindungszahlungen gesenkt werden. Doch trotz Appellen des konservativen Regierungschefs Samaras - dem direkten Verhandlungspartner der Geldgeber - blieben sowohl die Demokratische Linke als auch die sozialdemokratische Pasok bei ihrem Nein zu Arbeitsmarktreformen. "Die Troika verlangt, die Arbeitsrechte dem Erdboden gleich zu machen", sagte Fotis Kouvelis, Chef der Demokratischen Linken. Der Sparkurs der Regierung gibt den Oppositionsparteien Aufwind. Die rechtsextremistische Gruppierung Goldene Morgenröte legt in Umfragen deutlich zu. Die BBC hat gerade eine kleine Dokumentation über Partei gesendet ( Linktipp).

Das Geschäftsklima in Griechenland ist allerdings investitionsfreundlicher geworden. Einer neuen Studie der Weltbank zufolge ( PDF) machte Griechenland wegen des Umbaus in der Krise größere Fortschritte bei der Wettbewerbsfähigkeit als die meisten anderen Staaten der Welt. Investoren seien besser geschützt und Baugenehmigungen leichter zu bekommen. Doch die meisten Griechen haben davon erst einmal nichts. Ein Viertel der Erwerbsfähigen ist weiterhin arbeitslos.

Der heimliche Schuldenschnitt

Die EZB und Notenbanken der Euro-Zone haben griechische Staatsanleihen gekauft, die nervöse Finanzhändler loswerden wollten. Das hatte 2010 die Märkte beruhigt. Nun liegen die Papiere bei den Währungshütern, Athen zahlt die Kredite bei Fälligkeit zurück. Auch private Investoren halten noch griechische Papiere. Im freien Handel werden diese Papiere zur Zeit weit unterhalb ihres Nominalwerts gehandelt, bei etwa 25 Prozent. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen hat vorgeschlagen, dass die Athener Regierung die eigenen Staatsanleihen zu diesem Wert, also die eigenen Schulden billiger zurückkauft. Die Schuldenquote würde so spürbar sinken: Statt 100 Prozent zurückzuzahlen, müsste Athen nur noch beispielsweise 25 Prozent einsetzen. Doch dafür braucht die Regierung Milliarden, die nicht für andere Staatsausgaben eingesetzt werden.

Die Haltung der Bundesregierung

Eigentlich sollte es keine weiteren Hilfen für Griechenland geben, der Deal Geld gegen Reformen und der Zeitplan bis 2014 waren in einer Vereinbarung namens Memorandum of Understanding festgehalten. Eine Klausel gibt es jedoch in dem Papier: Die griechische Regierung könnte "mit EU, EZB und IMF beraten, falls die Rezession deutlich tiefer ausfällt als vorausgesagt, um zu bewerten, ob die Anpassung der Finanzen über 2014 hinaus verlängert werden soll." Diese "tiefer als erwartete Rezession" gilt mittlerweile als anerkannt, auch der IWF diagnostizierte sie vor zwei Wochen ( PDF). Damit ist eine gesichtswahrende Lösung für die Bundesregierung möglich, die immer verlangt hatte, dass Griechenland sich an die Vereinbarung halten müsse. Mehr dazu in diesem Süddeutsche.de-Artikel.

Sperrkonto

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat den Druck auf die griechische Regierung erhöht, ein Sperrkonto einzurichten, das Zins- und Tilgungszahlungen an die Geldgeber garantieren soll. Die sozialistische Partei Pasok hat der griechischen Zeitung Kathimerini die deutschen Forderungen zugespielt. Demnach sollen in das Konto nicht nur die internationalen Hilfszahlungen fließen, mit denen dann Schulden abgezahlt werden. Auch griechische Steuereinnahmen sollen auf dieses Konto überwiesen werden, über das die griechische Regierung nur begrenzte Kontrolle hätte. Jeden Monat soll den deutschen Vorschlägen zufolge der gesamte Primärüberschuss auf das Konto fließen - also das Plus, das Griechenland auf dem Papier erwirtschaftet, wenn der Schuldendienst unberücksichtigt bleibt. Sollte das Land keinen Primärüberschuss erzielen, würden Ausgaben automatisch gekürzt. Andere Euro-Gruppen-Staaten hatten die Idee eines Sperrkontos in der vergangenen Woche abgelehnt - weil Griechenland vorerst ohnehin keinen Primärüberschuss erzielen werde.

Verhandlungen gehen weiter

Offiziell will sich die EZB auf eine Fristverlängerung erst einmal nicht festlegen. Der deutsche EZB-Direktor Asmussen betonte die neuen Kosten, die auf die Euro-Zone zukommen würden. Eine Streckung der Sparziele für das krisengeschüttelte Griechenland würde bedeuten, "dass man mehr zusätzliche Finanzmittel durch die anderen 16 Eurostaaten zur Verfügung stellen" müsste. Asmussen verwies aber auf den noch ausstehenden Troika-Bericht: "Wir sind in Athen noch nicht fertig mit den Gesprächen." Auch ein Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte, er könne die Berichterstattung der SZ über eine Fristverlängerung nicht bestätigen.

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