Schuldenkrise in Europa:Ökonomen fürchten um Frankreichs Top-Bonität

Die Vertrauenskrise erreicht das Herz Europas: Chefökonomen von Commerzbank und Barclays glauben, dass Frankreichs makelloses AAA-Rating wegen der Griechenland-Hilfe bald fällt. Selbst eine Abwertung des bisher vertrauenswürdigen Deutschlands erscheint nicht mehr tabu.

Deutschland und Frankreich stemmen den Großteil der Hilfe für Krisenstaaten, doch genau das könnte sie selbst angreifbar machen. Zumindest die Chefvolkswirte von Commerzbank und Barclays Capital Deutschland, Jörg Krämer und Thorsten Polleit, rechnen damit, dass Frankreich seine Top-Kreditwürdigkeit verlieren wird. Polleit sieht auch Deutschland gefährdet.

Nicolas Sarkozy popularity down

Das Land, das er regiert, könnte seine Top-Bonität verlieren: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy

(Foto: dpa)

Krämer sagte Handelsblatt Online: "Ein neues Rettungspaket für die Schuldenländer im Süden der Währungsunion wird auch die französischen Staatsfinanzen belasten." Er sehe daher die Gefahr, dass die Ratingagentur Standard & Poor's die Bonitätsnote Frankreichs bereits in den kommenden Wochen mit einem negativen Ausblick versehen wird. "Im kommenden Jahr könnte dann die Bestnote von AAA endgültig fallen", sagte Krämer. Zum einen werde das Wirtschaftswachstum im Land deutlich nachlassen. "Zum anderen dürften die Politiker wegen des Präsidentenwahlkampfs zögern, Steuern zu erhöhen oder Ausgaben zu senken." Im kommenden Jahr tritt der Sozialist François Hollande gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy an.

Auch Barclays-Chefökonom Polleit sieht die Gefahr, dass Frankreich sein AAA-Rating verliert. "Die Probleme der heimischen Banken können zu massiven zusätzlichen Belastungen für die Finanzlage des französischen Staates werden", sagte Polleit Handelsblatt Online. Französische Banken haben mehr als Institute aus anderen Ländern in den überschuldeten Euro-Staaten investiert. Sie verlieren viel Geld, wenn die Regierungen den geplanten Schuldenschnitt für Griechenland durchsetzen. Außerdem sei die Haushaltslage der Franzosen schlecht, was zusätzlich Vertrauen koste, sagte Polleit.

Er hält es sogar für möglich, dass auch Deutschland ins Visier der Ratingagenturen geraten und sein makelloses AAA-Rating verlieren könnte. Wenn die Regierung die bisherige Haushaltsplanung umsetze, könne sie zwar die Schuldenlast bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in den kommenden Jahren senken. Das funktioniere aber nur, wenn sie gleichzeitig den Haushalt nicht mit neuen Ausgaben belaste: "Die Hilfeleistungen aber, die die Bundesregierung nun anderen Euroraum-Ländern geben will, können zu einer drastischen Verschlechterung der Entwicklung der Schuldenlasten führen, die dann in der Tat auch Zweifel am AAA-Rating Deutschlands wecken könnten."

Weil sie Angst um die Banken haben, drohen den Staaten neue Kosten. Sie könnten die privaten Institute notfalls zwangsweise rekapitalisieren, also sich Anteile - und damit Einfluss - an ihnen kaufen. Bisher sind sich beide Regierungen aber nicht einig, wie mit der neuen Bankenkrise umzugehen ist. Deutschland ist für eine Rekapitalisierung, die französische Haushaltsministerin Valérie Pécresse lehnte staatliche Unterstützung der Banken des Landes am Montag ab. Sie sagte dem Radiosender RMC, die Institute müssten selbst für die Stärkung ihres Eigenkapitals aufkommen. Möglich sei das etwa durch das Kürzen von Dividenden und Boni.

Sarkozy und Bundeskanzlerin Merkel wollen ihre Vorschläge dazu bis zum EU-Gipfel am Sonntag in Brüssel präsentieren. Die Finanzminister und Notenbanker der Gruppe der G-20-Staaten hatten am Wochenende den Druck erhöht. Sie erwarten von den Europäern am Wochenende ein Konzept.

Seit Monaten wird über eine mögliche Abwertung Frankreichs spekuliert. Noch im August hatten die großen Agenturen das AAA aber bestätigt. Banken des Landes sind in der Schuldenkrise bereits abgestraft worden: Erst vergangene Woche stuften Fitch und Standard & Poor's Europas größte Bank BNP Paribas herab.

Nach den Bewertungen der großen Ratingagenturen richten sich viele Investoren. Ein schlechteres Rating erschwert es Ländern, sich über den Verkauf von Staatsanleihen Geld zu leihen - denn Anleger zweifeln daran, ihr Geld wiederzubekommen. In der Schuldenkrise ist der Kreis der Staaten mit dem makellosen AAA-Rating geschrumpft. In Europa sind neben Deutschland und Frankreich noch Finnland, die Niederlande und Luxemburg mit AAA bewertet.

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