Schuldenkrise in Europa:Merkel und Sarkozy planen neuen Stabilitätspakt

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Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten könnte Wirklichkeit werden: Deutschland und Frankreich wollen Zeitungsberichten zufolge einen neuen, strengen Wachstumspakt schließen - und damit nicht auf die unwilligen Euro-Staaten warten. Kanzlerin Merkel müsste für diese Koalition der Sparwilligen aber einen Preis zahlen.

Ein neuer Vertrag soll die Euro-Zone retten. Um die Schuldenkrise einzudämmen, planen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy Zeitungsberichten zufolge einen Extra-Stabilitätsvertrag. Er soll strenge Defizitauflagen und Kontrollrechte für nationale Haushalte vorsehen, berichteten Bild und Welt am Sonntag unter Berufung auf Diplomaten- und Regierungskreise..

Merkel und Sarkozy wollen dazu eine Koalition der Sparwilligen bilden - und nicht auf die Euro-Staaten warten, die sich dagegen sperren. Damit das Abkommen möglichst schon Anfang 2012 steht, seien sie bereit, mit einigen Ländern der Euro-Zone voranzugehen.

Das Modell für den neuen Vertrag wäre laut Bild das anfängliche Abkommen über den Wegfall von Personenkontrollen in der EU, das Schengener Übereinkommen von 1985. Berlin und Paris wollen ihre Pläne demnach auf dem EU-Gipfel am 8. und 9. Dezember in Brüssel vorstellen.

Ein Mitglied der Bundesregierung dementierte allerdings, dass es "Geheimverhandlungen" gebe. Und eine Regierungssprecherin wies darauf hin, dass die Bundesregierung eine begrenzte Vertragsänderung mit dem Ziel für notwendig halte, eine dauerhafte Stabilitätsunion zu schaffen. "Für diesen Ansatz wirbt die Bundesregierung bei allen ihren Partnern. Intensive Gespräche finden natürlich gerade auch mit Frankreich statt."

Der Deal beinhaltet einen Punkt, den die Kanzlerin immer vermeiden wollte: Die Europäische Zentralbank (EZB) soll künftig verstärkt als Krisenbekämpfer in der Euro-Zone auftreten. "Nach diesen Maßnahmen dürfte es innerhalb der EZB eine Mehrheit geben, die zu stärkeren Interventionen am Kapitalmarkt bereit ist", zitierte die Welt am Sonntag aus Berliner Kreisen. Die Zentralbank kauft bereits seit 2010 Staatsanleihen hochverschuldeter Staaten. So will die EZB die Zinsen drücken, welche die Regierungen bieten müssen, um sich neues Geld zu leihen.

"Haftung ohne Kontrolle kann nicht funktionieren"

In der EU wird darüber nachgedacht, der Notenbank zu erlauben, ihre ganze Finanzmacht zu nutzen, um noch mehr Anleihen zu kaufen. Vertreter dieser Strategie glauben, dass nur sie die nötige "Feuerkraft" hat, um die Krise zu lösen. Damit hätte die EZB allerdings endgültig ihre unpolitische Rolle aufgegeben und würde Schulden einzelner Länder finanzieren.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann räumte einem neuen Stabilitätsabkommen durchaus Erfolgschancen ein. "Wenn die Politik heute glaubwürdig ankündigt, in Richtung einer Fiskalunion zu gehen oder den Stabilitätspakt stärkt, und gleichzeitig die Regierungen glaubhafte Konsolidierungs- und Reformprogramme vorlegen und auch umsetzen, kann dies die Märkte rasch beruhigen", sagte er der Berliner Zeitung. Der Notenbanker forderte zudem eine Fiskalunion als Voraussetzung für gemeinsame europäische Staatsanleihen. "Das bedeutet gemeinschaftliche Kontrolle über die Haushalte der Mitgliedsländer, inklusive Durchgriffsrechten, sollten einzelne Länder die vereinbarten Regeln verletzen", sagte Weidmann. "Haftung ohne Kontrolle kann nicht funktionieren."

Verstärkte Ankäufen von Anleihen der Euro-Krisenländer durch die EZB lehnt Weidmann nach wie vor strikt ab. "Eine Staatsfinanzierung durch Gelddrucken passt auf keinen Fall zu einer Geldpolitik, die Preisstabilität gewährleistet", sagte er. Der Glaube, die EZB könne das Problem beheben, sei "falsch und gefährlich", sagte Weidmann. "Es ist die Aufgabe der Politik, der gewählten Regierungen und Parlamente, die Krise zu lösen."

Auch der scheidende EZB-Chefökonom Jürgen Stark sagte im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass der politische Druck auf die Zentralbank derzeit enorm hoch sei: "Es wird offen über eine Erweiterung unserer Aufgaben diskutiert. Das berührt nicht nur unsere Unabhängigkeit, sondern gefährdet sie."

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