Schuldenkrise in Europa:Merkel lockert ihren harten Euro-Kurs

Schluss mit dem ungenierten Schuldenmachen: Sarkozy und Merkel wollen ein Konzept, das die Haushaltspläne der Euro-Staaten einer scharfen Aufsicht unterwirft. Doch da die Umsetzung auch im besten Fall Monate dauern würde, könnte die EZB noch mehr Anleihen von Krisenstaaten kaufen. Merkel sieht das kritisch, würde eine Ausweitung aber nicht öffentlich kritisieren - um Zeit zu gewinnen.

Claus Hulverscheidt und Stefan Ulrich

Die Bemühungen um eine Beilegung der Euro-Schuldenkrise gehen in die entscheidende Phase. Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollen am Montag in Paris ein Konzept für eine tiefgreifende Reform der Währungsunion erarbeiten. Das kündigte Sarkozy am Donnerstagabend in einer Grundsatzrede an. Merkel ist in diesem Zusammenhang bereit, weitere Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) zu tolerieren.

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Am Montag will Kanzlerin Angela Merkel mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy ein Konzept für eine tiefgreifende Reform der Währungsunion zu erarbeiten - das auch Punkte enthalten dürfte, die sie bisher ablehnte.

(Foto: dapd)

Das deutsch-französische Konzept zielt darauf ab, die Haushaltspolitik der Euro-Staaten so weit zu verzahnen, dass ein ungeniertes Schuldenmachen nicht mehr möglich ist. Um dies zu erreichen, sollen die Euro-Staaten künftig verbindliche, von der EU testierte Haushaltspläne aufstellen, sich einer scharfen Aufsicht durch die Europäische Kommission unterwerfen und automatische Strafen bei Regelverstößen akzeptieren. Merkel will notfalls den Europäischen Gerichtshof einschalten.

Schon an diesem Freitag will die Kanzlerin in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag ihre Strategie erläutern. Die Rede wird europaweit mit Spannung erwartet, weil Deutschland als dem größten und kreditwürdigsten Land der Euro-Zone eine Schlüsselrolle bei der Krisenbewältigung zukommt. Sarkozy hielt bereits am Donnerstagabend in Toulon eine Grundsatzrede zur Zukunft der EU, in der er zu einer Neugründung Europas und zu einer Verteidigung des Euro praktisch um jeden Preis aufrief.

Europa befinde sich in einer "Extremsituation" und müsse durch eine umfassende Vertragsänderung rasch zu mehr Solidarität und mehr Haushaltsdisziplin finden, sagte er. Jedes Euro-Land solle eine "goldene Regel" in seine Verfassung schreiben und sich zu einem ausgeglichenen Haushalt verpflichten. Er werde am Montag in Paris gemeinsam mit Merkel "Vorschläge machen, um die Zukunft Europas zu garantieren". Die nötigen Beschlüsse sollen am kommenden Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel fallen.

Zentralbank nur als flankierende Hilfe

Um die Pläne Deutschlands und Frankreichs umsetzen zu können, müssten die EU-Verträge geändert werden. Gibt es darüber keinen Konsens unter den 27 Mitgliedsländern, kann sich Merkel zur Not auch eine vertragliche Vereinbarung nur unter den 17 Euro-Staaten vorstellen. Ziel ist es, die Reform rasch zu verankern, um einen globalen Konjunktureinbruch zu verhindern.

Da aber auch im besten Fall wohl eine Umsetzungsphase von einigen Monaten bliebe, könnte die EZB den großen Banken, Versicherungen und Investmentfonds vorübergehend in noch größerem Maße als bislang Anleihen kriselnder Euro-Staaten abkaufen. Damit würde ein weiterer Anstieg der Risikoprämien verhindert, die Regierungen bei der Emission solcher Papiere zahlen müssen. Merkel sieht das Anleihekaufprogramm der Notenbank grundsätzlich kritisch, würde eine zeitweise Ausweitung aber nicht öffentlich kritisieren, weil sie die gewonnene Zeit zur Umsetzung ihrer Reformen braucht.

Allein Italien benötigt bis April 2012 Anschlussfinanzierungen für Kredite in Höhe von etwa 150 Milliarden Euro, um die Staatsausgaben decken zu können. Am Donnerstag gelang es den Regierungen in Rom und Madrid, Anleihen zu erträglichen Konditionen auszugeben.

In Berliner Regierungskreisen hieß es, die EZB könne allenfalls eine flankierende Rolle bei der Krisenbewältigung spielen. Eine uneingeschränkte Beistandsgarantie zugunsten der Euro-Länder, wie sie manche forderten, sei hingegen rechtlich unzulässig und ökonomisch falsch, weil sie das eigentliche Problem nicht löse.

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