Krisenangst in Frankreich:"Cocktail für eine anhaltende Depression"

Die Parallelen zur Lehman-Pleite sind beunruhigend. Frankreich plagen zunehmend Angst-Szenarien. Es drohen ein tiefer Abschwung, eine Kreditklemme und ein Anstieg der ohnehin schon hohen Arbeitslosenzahl. Wie ernst die Lage für Deutschlands wichtigsten Handelspartner wirklich ist.

Michael Kläsgen

Es ist das gleiche Angst-Szenario wie 2008, das Frankreich umtreibt: die Furcht vor einer Kreditklemme. Arbeitgeberpräsidentin Laurence Parisot war die Erste, die es ansprach. Sie sehe einige "Mini-Anzeichen" dafür, dass die Banken die Kredite für Unternehmen einschränkten, sagte sie. Das arbeitgebernahe Forschungsinstitut Coe-Rexecode warnte seinerseits vor seiner "starken Verschlechterung" der Kreditbedingungen. Andere Experten wie der Ökonom Nicolas Bouzou sehen nicht nur Anzeichen, sondern erste Folgen der Klemme: sinkende Investitionen und kaum Stellenangebote. Die Arbeitslosenquote verharrt laut offizieller Statistik bei hohen zehn Prozent.

Und doch ist es nur fast das gleiche Szenario wie nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers. Damals mobilisierte der Staat Milliarden, um ein Versiegen der Kredite zu vermeiden und engagierte einen Vermittler zwischen Banken und Unternehmen. Jetzt ist das ausgeschlossen: Die Regierung muss Ausgaben kürzen, sparen und die Steuern erhöhen. Anderenfalls läuft Frankreich Gefahr, seine Top-Bonität zu verlieren.

Dann wiederum verteuern sich die Kredite für die Banken auf dem internationalen Geldmarkt noch mehr. Die französischen Banken haben schon mehr als andere europäischen Geldhäuser Schwierigkeiten, sich mit Dollar zu versorgen. Die Zusicherung der Notenbanken, den Dollar-Fluss zu gewährleisten, ließ den Chef der franko-belgischen Dexia-Bank unbeeindruckt. Die "Multiplikator-Effekte" wirkten sich bereits negativ auf das Wachstum in Frankreich aus, sagte Pierre Mariani: weniger Kredite für Leasinggeschäfte, Investment-Projekte, Exporteure und Kommunen.

Das sind schlechte Nachrichten für Deutschlands wichtigsten Handelspartner. Bereits vor den Anzeichen einer Kreditklemme, im zweiten Quartal, stagnierte das Wachstum. Zwar erwartet die Regierung für das Gesamtjahr ein Plus von 1,75 Prozent.

Doch kaum eine von etwa 20 Wirtschaftsabteilung großer Banken und Institute glaubt der Vorhersage. Für 2012 prognostizieren viele von ihnen nur noch ein Wachstum von gut einem Prozent. Ohne deutliches Wachstum erschwert sich aber der Schuldenabbau. Daran will die Regierung offiziell aber unter allen Umständen festhalten und 2013 wieder das Maastrichter Defizit-Kriterium von drei Prozent erreichen. Aber: "Es fehlt nicht viel, damit sich das bereits schwache Wachstum weiter verlangsamt", sagt Finanzexperte Alexander Law zu Reuters. "Es ist der perfekte Cocktail für eine anhaltende Depression."

Frankreichs Regierung gibt sich gelassen

Nach außen hin gibt sich die Regierung trotzdem gelassen. Finanzminister François Baroin versicherte, die Banken wüssten, dass die Kredite nicht versiegen dürften. Allererste Aufgabe der Banken sei es, die Wirtschaft mit Geld zu versorgen. Ungeachtet dessen berief Baroin für diesen Dienstag Unternehmensvertreter, Banken und den Kreditvermittler in sein Ministerium ein. Zwar will der Staat die Banken nicht zu Zielgrößen bei der Kreditvergabe verdonnern. Der Minister hat aber vor, sie freundlich und bestimmt an ihre Pflichten zu erinnern.

Der Bankenverband wiegelte zwar ab und betonte, dass der Sektor sei ausgesprochen solide und die Finanzierung des Mittelstandes eine Priorität. Eine Verteuerung der Kredite liegt dennoch auf der Hand. Er wäre die logische Folge des Drucks, dem die Banken derzeit ausgesetzt sind, und zwar nicht nur wegen der rasant gefallenen Aktienkurse. Sie sollen einerseits ihr Eigenkapital erhöhen, andererseits Griechenland weiter Geld leihen, aber ihr Engagement in den europäischen Krisenländern verringern. Sie müssen selber damit rechnen, Verluste zu machen und sollen trotzdem daheim den Aufschwung finanzieren. Es ist eine Gratwanderung, Absturz nicht ausgeschlossen.

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