Süddeutsche Zeitung

Schuldenkrise in Europa:Modell Monti

Lesezeit: 2 Min.

Europas Politiker wären gut beraten, wenn sie es alle dem neuen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti gleichtun würden: Planen, Handeln, Schweigen. Denn nur so wird die eigentliche Währung stabilisiert, die Europa in diesen Tagen braucht: Vertrauen.

Stefan Kornelius

Mario Monti, Italiens interimistisch regierender Ministerpräsident, ist für die Finanzmärkte das Äquivalent des perfekten Schwiegersohns: überpünktlich, verlässlich, bescheiden. Einen Tag früher als geplant legt er ein beeindruckendes Reformwerk auf den Tisch, quasi als Morgengabe für den französischen Präsidenten und die deutsche Kanzlerin.

Damit setzt er den erwünschten Ton für die herbeigesehnte Erlösungswoche. Er überrascht die Anleger rechtzeitig zur Börseneröffnung. Und er macht vor, was Wähler und Geldgeber von der Politik erhoffen: schnell entscheiden, selbstbewusst zuschlagen, wenig quatschen. Wenn es nur immer so einfach wäre. Ist es aber nicht, sonst würden Angela Merkel und Nicolas Sarkozy nicht in einer Pendelbeziehung leben. Die beiden Führungsfiguren im Zentrum des europäischen Problems zeigen öffentlich, wie viel Verständnis gerade füreinander aufgebracht wird in der Krise. Seit ihrem Strandspaziergang von Deauville haben sie ihren Verschreibungskatalog gegen die Krise immer wieder angepasst. Mal geschah das unter dem Eindruck der griechischen Misere, dann wurde die italienische Bürde schwerer. Mal mussten private Gläubiger im Falle einer Staatspleite um ihre Einlagen fürchten, dann hatten die Schutzbefohlenen der Banken und Fonds wieder Grund zur Hoffnung.

Ob Euro-Bonds, EZB-Hilfen, Vertragsänderung oder Hebelung des Rettungsschirms - die Konjunktur des jeweiligen Krisen-Themas verändert sich mit dem politischen Marktwert der Antagonisten Merkel und Sarkozy. Beide testen aus, wie viel ihrer Grundüberzeugung sie opfern müssen; beide wollen die Währung erhalten - aber zu welchem Preis? Das Ganze nennt man Verhandlungen, was erträglich wäre, wenn die Politik mit dem Tempo der Märkte Schritt halten könnte. Kann sie aber nicht - die Politik ist nicht mehr schnell genug. Sie erlahmt, während die Anleger in immer frenetischerem Tempo ihr Misstrauen bekunden. Deswegen waren Merkel und Sarkozy zur Beilegung ihrer Konflikte verdammt. Hier liegt inzwischen der Kern der Krise: Es fehlt an Vertrauen. Deswegen war es bemerkenswert, dass sich Merkel und Sarkozy an das Vorbild Monti hielten und nun mit erstaunlicher Härte ihre Pflöcke einrammten. Entgegen allen Gerüchten, die inzwischen mit gewaltigem Risikoaufschlag in Europa kursieren, sind beide also zu Vertragsänderungen entschlossen. Das ist eine gute Nachricht.

Besser noch ist der Zusatz, dass diese Vertragsänderungen im Kreis aller EU-Staaten angestrebt werden - aber nicht notwendigerweise mit allen beschlossen werden müssen. Wenn die Briten nicht mögen, dann wird es eben eine Änderung nur für die 17 Euro-Staaten geben. Ein Europa mit zwei Geschwindigkeiten - das ist ein hinnehmbarer Preis. Zweitens ist bemerkenswert, wie sehr sich Deutschland gegenüber Frankreich nun auch im Detail in der Wahl der Mittel bei der Krisenbekämpfung durchgesetzt hat: Es wird keine Euro-Bonds geben und keine politischen Direktiven an die EZB; eine Schuldenbremse müssen alle Euro-Staaten einbauen, inklusive Überprüfungsrechten für den Europäischen Gerichtshof.

Merkel und Sarkozy haben aus der Untergangsstimmung der vergangenen Woche ihre Lehren gezogen. Sie haben verstanden, dass sie nicht in die Budgetrechte der nationalen Parlamente eingreifen können, dass sie aber gleichwohl ein Aufsichtsrecht brauchen, das eine stärkere Verbindlichkeit entwickelt als ein dahingeschriebenes Kommuniqué. Deswegen braucht es nun einen neuen Vertrag. Deutschlands und Frankreichs Entschlossenheit sollte nicht leichtfertig zerredet werden. Europas Politiker wären gut beraten, wenn sie alle das Modell Monti beherzigten: Planen, Handeln, Schweigen. Denn nur so wird die eigentliche Währung stabilisiert, die Europa in diesen Tagen braucht: Vertrauen.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2011
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