Schuldenkrise in Europa:Auch die Gläubiger müssen dran glauben

Die große Katastrophe ist in Griechenland gerade so abgewendet - zumindest vorerst. Aber nun steht den Verantwortlichen in Europa eine wichtige Lektion bevor: Wenn sie Schuldenkrisen verhindern wollen, müssen sie Anleger stärker an den Risiken beteiligen. Ansonsten leidet immer nur der Steuerzahler.

Claudia Buch

Für die Zukunft des Euro werden derzeit wichtige Entscheidungen getroffen. Kurzfristig muss die Schuldenkrise Griechenlands, Portugals und Irlands bewältigt werden. Noch wichtiger aber ist es, die Strukturen zu entwickeln, um neue Krisen zu vermeiden. Noch in diesem Jahr soll der Vertrag über den Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Dabei geht es um die Schaffung eines neuen Fonds, der von 2013 an im Umfang von 500 Milliarden Euro Not leidenden Mitgliedsländern Kredite geben kann.

Euro-Schuldenkrise

Der Euro in der Krise: Damit Europa in Zukunft stabiler wird, müssen Staaten vor allem ihre massive Verschuldung senken.

(Foto: dpa)

Deutschland hat nicht nur wegen seiner hohen Exporte ein fundamentales Interesse an der politischen und wirtschaftlichen Stabilität in Europa. Diese kann es nur dann geben, wenn die übermäßige Verschuldung einzelner Länder eingedämmt wird. Künftige Hilfen der Gemeinschaft müssen eine Ausnahme sein. Sie dürfen nur vorübergehend innerhalb eines geordneten Insolvenzverfahrens und nur nach Einbindung der privaten Gläubiger gewährt werden. Andernfalls wird der neue Krisenmechanismus Europa im Ernstfall finanziell überfordern.

Zu Zahlungskrisen kann es aber auch künftig wieder kommen, wenn sich einzelne Mitgliedsländer mehr im Ausland verschulden, als es ihrer Wirtschaftskraft entspricht. Um dies zu vermeiden und die richtigen Anreize zu setzen, muss die Gläubigerhaftung, also die Beteiligung der Gläubiger bei Zahlungsausfällen, klarer als bislang geregelt werden.

Erst wenn sich ein Land mit seinen Gläubigern über deren Beteiligung an einer Umschuldung geeinigt hat, darf es finanzielle Hilfen geben - und auch dann nur in Form von nicht subventionierten Krediten, und nur unter weiteren strengen Voraussetzungen. Das jetzige Ringen um eine Beteiligung der Gläubiger im Fall Griechenlands zeigt, wie wichtig hier klare Regeln sind.

Werden Finanzhilfen gewährt, ohne dass die Gläubigerhaftung greift, profitieren Gläubiger und Schuldner zu Lasten Dritter, nämlich der Steuerzahler, die für die Finanzhilfen gerade stehen. Die Gläubiger profitieren, weil ihre Forderungen gesichert werden. Sie haben deshalb auch geringe Anreize, auf die Wirtschaftspolitik des Schuldnerlandes disziplinierend einzuwirken.

Werden ihre Forderungen durch den ESM faktisch abgesichert, lädt dies zu einer übermäßigen Verschuldung geradezu ein. Es wird die Saat für eine neue Krise gelegt. Fehlende Gläubigerhaftung überwälzt aber nicht nur Risiken von den Gläubigern auf den Steuerzahler, sondern schränkt auch die Signalfunktion von Zinsen und Risikoprämien ein, und damit den wichtigsten Steuerungsmechanismus einer Marktwirtschaft.

Gegen das Prinzip der Gläubigerhaftung wird vorgebracht, dass dies die Märkte destabilisieren könnte. Allerdings war bisher die Gläubigerhaftung auch nicht explizit geregelt, so dass derzeit große Probleme bei der Koordinierung der Gläubiger auftreten. Bei der Konzeption des ESM geht es aber gerade nicht um die Altschulden, bei denen im Einzelfall Wege zu einer Umschuldung gefunden werden müssen. Hier geht es darum, unter welchen Bedingungen Kreditgeber zukünftig Kredite geben. Und gerade weil eine Koordination der Gläubiger wichtig ist, sollte dies verpflichtend und einheitlich geregelt werden. Diese sollten zum frühestmöglichen Zeitpunkt und nicht erst von 2013 an gelten.

Die Bedeutung des "no-bail-out"-Prinzips

Der jetzt zur Ratifizierung anstehende Vertrag über den ESM regelt, unter welchen Bedingungen die Gläubiger an einer Schuldenkrise beteiligt werden sollen. Dazu soll deren jeweilige Schuldentragfähigkeit geprüft und die allgemeine Lage auf den Finanzmärkten berücksichtigt werden. Diese Bedingungen lassen jedoch einen zu breiten Interpretationsspielraum. Bisher sollen nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit die privaten Gläubiger beteiligt werden.

In der Praxis ist eine Trennung zwischen der Liquidität und der Solvenz eines Staates aber kaum möglich. Es ist nur schwer von außen zu entscheiden, ob in einem betroffenen Land ausreichender Wille besteht, Steuern zu erhöhen und Ausgaben zu senken. Es ist nur schwer zu beurteilen, wie wirksam versprochene strukturelle Reformen sind. Im Ergebnis ist eine Politisierung des Prozesses zu erwarten. Dabei dürfte die Interessenlage offensichtlich sein. Wer nicht damit rechnen muss, künftig zu den Nettozahlern einer Rettungsaktion zu gehören, wird sich nicht dafür stark machen, die Gläubiger für leichtfertige Kreditvergabe zur Verantwortung zu ziehen.

Mit gutem Grund haben die Gründerväter der Europäischen Währungsunion das "no-bail-out"-Prinzip als zentral angesehen: Kein Mitglied der Währungsunion sollte verpflichtet sein, anderen Mitgliedern Finanzhilfen zu geben. Bei allen Unterschieden, die es zwischen Europa und den USA gibt: das "no-bail-out"-Prinzip ist in den USA ein wichtiger Grund für einen seit Jahrzehnten funktionierenden Währungsraum - trotz großer realwirtschaftlicher Unterschiede innerhalb des Landes.

Natürlich kann die Gläubigerhaftung allein die Problematik richtiger und falscher Anreize auf den Finanzmärkten nicht lösen, und sie kann auch nicht die notwendigen realwirtschaftlichen Anpassungen für eine tragfähige öffentliche Verschuldung anstoßen. Deshalb muss für fiskalpolitische Solidität gesorgt sein.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist zu einem stumpfen Schwert geworden und muss dringend reformiert werden. Auf nationaler Ebene sollten Schuldenbremsen eingeführt werden. Die Androhung von Sanktionen sollte durch die Einführung der "umgekehrten Mehrheitsentscheidung" glaubhafter gemacht werden, das heißt Sanktionen gelten automatisch, es sei denn eine Mehrheit der Mitgliedsländer lehnt sie ab.

Unabdingbar ist auch eine Reform der Bankenregulierung. Ein großer Teil der Verschuldung in der Eurozone ist durch das Bankensystem finanziert worden. Wie sich die Verschuldung entwickelt, hängt deshalb stark von den Anreizen der Banken ab, Risiken einzugehen. Die Vorschläge, von den Banken deutlich mehr Eigenkapital zu verlangen, sollten daher konsequent umgesetzt werden.

Parallel sollte sich die Politik darauf konzentrieren, das voranzutreiben, was den Erfolg Europas ausmacht: die Integration der Märkte, eine effektive Wettbewerbspolitik und die Schaffung von Rahmenbedingungen für Innovationen. Nur so können Krisen nachhaltig verhindert werden.

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