Süddeutsche Zeitung

Auskunftei:Schufa-Deal geplatzt

Die Auskunftei wollte die Unternehmenstochter Finapi an ein britisches Start-up verkaufen. Nun wird sich die Schufa einen neuen Käufer suchen müssen.

Von Nils Wischmeyer

Es war ein aufsehenerregender Deal, den die Auskunftei Schufa am 10. Mai 2022 verkündete. Das britische Fintech Yapily, so die freudige Nachricht, kauft alle Anteile der Schufa am Münchener Start-up Finapi. Für das britische Finanz-Start-up war das ein Meilenstein. So sollte dank der Übernahme "Europas führende Open-Banking-Plattform" entstehen - und auch für die Auskunftei Schufa war das ein Grund zur Freude. Immerhin hatte das Wiesbadener Unternehmen, das Daten von vielen Millionen Deutschen gesammelt hat, rund 75 Prozent der Anteile an dem Start-up im Jahr 2018 für relativ wenig Geld gekauft. Nun stand als Verkaufssumme ein hoher zweistelliger Millionenbetrag im Raum, ein Insider spricht gar von 70 Millionen Euro, die die Schufa durch den Verkauf einnehmen könnte.

Doch acht Monate später ist von der großen Freude nicht mehr viel übrig. Bis Dienstagnacht hätte die Übernahme SZ-Informationen zufolge spätestens über die Bühne gehen müssen. Das ist aber nicht passiert. Aus der Schufa heißt es am Tag danach, es fehlten noch immer "regulatorisch erforderliche Vollzugsbedingungen" aus dem Hause Yapily. Das britische Start-up wollte sich nicht äußern.

Für die Schufa ist das natürlich ärgerlich, kommt aber nicht gänzlich unerwartet. Schon im vergangenen Jahr munkelten Insider, dass Yapily sich aus der Übernahme zurückziehen wolle. Spekuliert wurde unter anderem, dass dem Start-up womöglich das Geld für die Übernahme fehle, weil eine Finanzierungsrunde nicht zustande kam. Doch auch die Finanzaufsicht Bafin könnte Bedenken bei der Übernahme angemeldet haben. Ein Sprecher von Yapily lehnte eine Stellungnahme ab.

Die Schufa dürfte darauf pochen, die Übernahme durchzuziehen

Was aber nun tun mit einem Deal, wenn einer mutmaßlich nicht mehr will oder kann? Der Schufa bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie verkauft das Start-up, mit dem sie später noch zusammenarbeiten will, gegen den Willen des Käufers - oder aber sie sucht sich einen neuen Käufer. Offiziell geäußert hat sich die Auskunftei dazu nicht. Aus Finanzmarktkreisen ist allerdings zu hören, dass die Schufa vom Vertrag zurücktreten und auf die Suche nach neuen Interessenten gehen wird.

Ob sie erneut einen hohen zweistelligen Millionenbetrag erzielen kann, ist derweil offen. Zum Zeitpunkt des Deals im Mai 2022 war ein hoher zweistelliger Millionenbetrag als Kaufbetrag für ein Start-up zwar durchaus üblich. Seither allerdings hat sich das Investmentklima stark eingetrübt. Viele Start-ups mussten angesichts diverser Krisen und dem Ende der lockeren Geldpolitik ordentlich auf die Bremse drücken, Mitarbeiter entlassen und angekündigte Expansionen wieder aufgeben. Auch Investoren und damit potenzielle Käufer halten ihr Geld seither deutlich stärker zusammen. Einer Studie der Unternehmensberatung EY zufolge brachen die Investments in deutsche Start-ups im Jahr 2022 um mehr als 40 Prozent ein. Nur noch 9,9 Milliarden Euro konnten Start-ups von ihren Geldgebern einsammeln. 2021 waren es noch mehr als 17 Milliarden Euro gewesen. In diesem Umfeld nun muss die Schufa einen neuen Käufer für die 75-prozentige Tochter ausfindig machen.

Selbst behalten will man das Start-up trotz des aktuellen Chaos aber nicht, was nicht zuletzt an der Ausrichtung der Auskunftei unter Chefin Tanja Birkholz liegt. Die will sich mehr an den Verbraucher als Kunden richten. Finapi aber ist eher im Unternehmensbereich tätig und gehört nicht zum strategischen Kerngeschäft, heißt es offiziell.

Inoffiziell gibt es, Insidern zufolge, noch einen weiteren Grund, das Kapitel Finapi abzuschließen. Denn das Start-up gilt einigen in der Schufa als verbrannt, seit es im Jahr 2020 wegen eines Pilotprojekts negative Schlagzeilen machte. Damals hatten NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung erste Tests von Schufa und Finapi aufgedeckt, die unter dem Projektnamen "Check Now" liefen. Die Auskunftei und das Start-up erprobten dabei, ob Menschen, die aufgrund ihrer geringen Kreditwürdigkeit keinen Mobilfunkvertrag bekamen, bereits wären, ihr Konto durchforsten zu lassen, um so doch noch an einen Vertrag zu kommen. Datenschützer sahen das extrem kritisch und fürchteten, die Verbraucher machten sich "nackig". In einer Petition forderten später 380 000 Menschen die Schufa auf, dass sie ihre Finger von den Kontoauszügen der Deutschen lassen solle. Das Projekt musste schließlich fallengelassen werden. Knapp anderthalb Jahre später verkündete man freudig den Verkauf von Finapi. Dass der sich so ziehen würde, dachte damals wohl keiner.

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