Schröder bei Rosneft:Großer Posten, wenig Einfluss

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Gerhard Schröder bei der Aktionärsversammlung von Rosneft in Sankt Petersburg. Der ehemalige deutsche Regierungschef arbeitet seit dem Ende seiner Kanzlerschaft für russische Konzerne - und steht dafür in der Kritik. (Foto: Peter Kovalev/imago/Itar-Tass)
  • Altkanzler Gerhard Schröder ist als Aufsichtsrat beim russischen Erdölkonzern Rosneft bestätigt worden.
  • Das Unternehmen und seine Führung unterliegt Sanktionen der EU und der USA. Der Altkanzler verteidigt das umstrittene Engagement als "Privatsache".

Von Julian Hans, Moskau

Altkanzler Gerhard Schröder wird Chef-Aufseher bei Russlands größter Erdölfirma Rosneft. Die Aktionärsversammlung des Unternehmens hat am Freitag in Sankt Petersburg beschlossen, den Ex-Bundeskanzler zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates zu machen. Damit bekleidet Schröder nach seinen Engagements bei Gazprom einen weiteren wichtigen Posten in der russischen Wirtschaft.

Das Engagement des SPD-Politikers in dem Land - und bei Rosneft im Speziellen - ist umstritten. Experten gehen davon aus, dass der Kreml Rosneft genau wie den Gasriesen Gazprom als verlängerten Arm russischer Außenpolitik nutzt. Der Rosneft-Leitung wird ein besonders enges Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt. Vorstandschef Igor Setschin gilt als Vertrauter des russischen Präsidenten.

Schröders neuer Job war schon im Bundestagswahlkampf ein Thema. Schröders Verhalten sei "nicht in Ordnung", sagte Kanzlerin Angela Merkel. SPD-Chef Martin Schulz ging ebenfalls auf Distanz zu seinem Vorgänger als Parteichef. Die Nähe des Altkanzlers zu Russland hat dem Ruf der Sozialdemokraten bei ihren Wählern in den vergangenen Jahren geschadet. Schon kurz nach seinem Ausscheiden aus der Politik im Jahre 2005 heuerte Schröder beim russischen Staatskonzern Gazprom an. Für diesen führte er den Aktionärsausschuss der Ostsee-Gasleitung Nord Stream 1, beim Projekt Nord Stream 2 leitet er seit 2016 den Verwaltungsrat.

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Schröder hat die Kritik an seiner Tätigkeit in russischen Unternehmen stets zurückgewiesen. Das Engagement sei seine Privatsache, argumentiert er. Außerdem könne er auf dem Posten dazu beitragen, das angespannte Verhältnis zwischen Deutschland und Russland zu verbessern.

Die genaue Bezeichnung von Schröders neuer Position bei Rosneft ist die eines "unabhängigen Direktors". Der Konzern ist nach angelsächsischem Vorbild verfasst, dort gibt es die deutsche Aufteilung in Vorstand und Aufsichtsrat nicht. Schröder vertritt offiziell nicht die Interessen eines einzelnen Anteilseigners. Als Wunschkandidat des Kremls dürfte er im Zweifel aber eher Positionen des absoluten Mehrheitseigners vertreten - und das ist im Falle Rosneft der russische Staat.

Schröder ist nicht der erste Ausländer im Verwaltungsrat des Konzerns. Zwei Amerikaner sitzen dort: Donald Humphreys vom Öl-Multi ExxonMobil und der BP-Vorstand Robert "Bob" Dudley, außerdem ein Vertreter des Golfstaats Katar. Ein Deutscher dient dem Unternehmen ebenfalls seit vielen Jahren: Matthias Warnig, in der DDR hauptamtlich für die Stasi tätig. In dieser Rolle lernte er einst in Dresden den KGB-Kollegen Wladimir Putin kennen. Warnig saß in Aufsichtsräten diverser russischer Unternehmen, unter anderem bei der Bank Rossija, die von den USA als Putins Geldschatulle bezeichnet und mit Sanktionen belegt wurde. Der Altkanzler und der Stasi-Veteran sind bereits ein eingespieltes Team: Warnig ist Geschäftsführer bei Nord Stream, Schröder sitzt dort dem Verwaltungsrat vor.

Sowohl die EU als auch die USA haben in den vergangenen Jahren Sanktionen gegen Rosneft und dessen Führung verhängt. Anders als bisweilen irrtümlich angenommen, handelt es sich dabei nicht um die Sanktionen, die wegen der Krim-Annexion verhängt wurden. Die Sanktionen, die Rosneft betreffen, wurden im Sommer 2014 nach dem Abschuss einer Boeing 777 verhängt. Bei dem Abschuss über der Ostukraine kamen alle 298 Passagiere ums Leben. Die Sanktionen gelten als Antwort auf den aus Moskau angefachten und geschürten Krieg im Donbass. Die Europäische Union verbot unter anderem die Lieferung von Spezialtechnik, die dazu benötigt wird, schwer erschließbare Öl-Lagerstätten auszubeuten. Das betrifft Pläne von Rosneft, die Ölförderung in der Arktis auszubauen.

Noch empfindlicher trifft Rosneft, dass der Zugang zu den Finanzmärkten für russische Banken und Staatsunternehmen eingeschränkt wurde. Sie bekommen keine langfristigen Kredite mehr und können sich nur schwer refinanzieren, wenn alte Kredite auslaufen. Das war bei Rosneft Ende 2014 bereits der Fall: Im Vorjahr hatte der Konzern bei internationalen Banken Kredite über insgesamt 40 Milliarden Dollar aufgenommen, um Anteile an TNK-BP zu erwerben, einem Joint Venture mit British Petroleum (BP). Als im Dezember 2014 eine Tranche von sieben Milliarden Dollar fällig wurde, hortete der Konzern dafür die Dollar-Einnahmen aus dem Ölverkauf und gab Rubel-Anleihen in Milliardenhöhe aus, um die laufenden Kosten zu decken. Das trug dazu bei, dass die russische Währung an zwei Tagen hintereinander um je zehn Prozent einbrach.

Der dritte Sanktionszweig trifft den Konzernchef selbst. Ende April 2014 setzte die US-Regierung Igor Setschin auf eine Liste von Personen, denen die Einreise verboten ist und mit denen US-Bürger keine Geschäfte machen dürfen. Anders als Brüssel richtete Washington seine Maßnahmen nicht gegen Personen, die an der russischen Aggression gegen die Ukraine direkt beteiligt waren, sondern gegen Wladimir Putins engstes Umfeld. Der 57-Jährige gilt als einer der wichtigsten Wegbegleiter des russischen Präsidenten. Als Putin noch Vize-Bürgermeister von Sankt Petersburg war, arbeitete Setschin als sein Büroleiter. Die beiden hatten einen ähnlichen Hintergrund: Während Putin für den Geheimdienst KGB in Dresden versuchte, ausländische Studenten anzuwerben, soll Setschin als Dolmetscher für den militärischen Nachrichtendienst GRU gearbeitet haben. Gesichert ist diese Information nicht, andere Quellen behaupten, Setschin sei ebenfalls für den KGB tätig gewesen.

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Rosnefts Aktivitäten in Deutschland sind von den Sanktionen derweil kaum betroffen. Erst im Mai war Setschin in Berlin, um eine neue Rosneft-Niederlassung zu eröffnen. Dabei kündigte er an, die Investitionen in Deutschland zu verdoppeln - auf 600 Millionen in den kommenden fünf Jahren. Derzeit ist die Rosneft Deutschland GmbH an drei Raffinerien beteilligt und damit die Nummer drei bei der Mineralölverarbeitung in Deutschland. Ein Viertel der deutschen Rohölimporte kommt von Rosneft. Um auch die Raffinerien in Süddeutschland mit russischem Öl beliefern zu können, plant Rosneft eine Verlängerung der Druschba-Pipeline.

Setschin hat in Russland den Spitznamen Darth Vader. Die Liste von Personen und Unternehmen, die sich als Opfer seiner scheinbar unbeschränkten Macht sehen, ist fast so lang wie die der finsteren Gestalt aus "Star Wars". Dazu gehört etwa der ehemalige Yukos-Chef Michail Chodorkowskij, der 2003 für zehn Jahre ins Lager musste. Mit Hilfe von Steuerbehörden und Justiz wurde sein Konzern erst in den Bankrott getrieben und anschließend zerschlagen. Die Filetstücke des seinerzeit weltgrößten Ölproduzenten landeten über Umwege bei Rosneft. Der heute im Londoner Exil lebende Ex-Oligarch wirft Setschin vor, die Operation geplant und geleitet zu haben. Setschin war damals Vize-Chef der Kreml-Verwaltung und zuständig für die Energiewirtschaft.

Der Börsenwert des Unternehmens sinkt stetig

Bekommt der deutsche Altkanzler also einen mächtigen Posten, wenn er im Verwaltungsrat Igor Setschin auf die Finger schaut? Das darf man bezweifeln. Setschin gilt als zweitmächtigster Mann nach dem Präsidenten in Russland, selbst ehemalige Regierungsmitglieder sehen sich als Opfer Setschins. Aktuell steht einer vor Gericht, der Putin viele Jahre treu als Wirtschaftsminister gedient hat: Alexej Uljukajew wurde in der Nacht auf den 15. November 2016 in der Moskauer Rosneft-Zentrale festgenommen. Er soll dort zu später Stunde eingetroffen sein, um zwei Millionen Dollar in Bar abzuholen als Entschädigung für seine Zustimmung zu einer Firmenübernahme. Am nächsten Tag entließ Wladimir Putin den Minister. Uljukajew sieht sich als Opfer einer Inszenierung von Setschin und dem Geheimdienst FSB. Es war das erste Mal in der neueren russischen Geschichte, dass ein Minister im Amt verhaftet wurde.

Doch obwohl sich Rosneft in den vergangenen Jahren immer wieder Konkurrenten einverleibte - mit Hilfe der Justiz oder, wie im Fall von TNK-BP, durch Übernahme - sinkt der Börsenwert des Unternehmens stetig. Von 128 Milliarden im Jahr 2008 auf derzeit etwa 59 Milliarden Dollar. Auf lange Sicht würden Investoren durch das rücksichtslose Vorgehen vom russischen Markt "effektiver ferngehalten als durch jegliche Sanktionen, die eine fremde Regierung verhängt", urteilte der Ökonom Wladislaw Insoemzew kürzlich in einem Artikel für das russische Portal Republic.ru.

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