Altkanzler Gerhard Schröder wird Chef-Aufseher bei Russlands größter Erdölfirma Rosneft. Die Aktionärsversammlung des Unternehmens hat am Freitag in Sankt Petersburg beschlossen, den Ex-Bundeskanzler zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates zu machen. Damit bekleidet Schröder nach seinen Engagements bei Gazprom einen weiteren wichtigen Posten in der russischen Wirtschaft.
Das Engagement des SPD-Politikers in dem Land - und bei Rosneft im Speziellen - ist umstritten. Experten gehen davon aus, dass der Kreml Rosneft genau wie den Gasriesen Gazprom als verlängerten Arm russischer Außenpolitik nutzt. Der Rosneft-Leitung wird ein besonders enges Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt. Vorstandschef Igor Setschin gilt als Vertrauter des russischen Präsidenten.
Schröders neuer Job war schon im Bundestagswahlkampf ein Thema. Schröders Verhalten sei "nicht in Ordnung", sagte Kanzlerin Angela Merkel. SPD-Chef Martin Schulz ging ebenfalls auf Distanz zu seinem Vorgänger als Parteichef. Die Nähe des Altkanzlers zu Russland hat dem Ruf der Sozialdemokraten bei ihren Wählern in den vergangenen Jahren geschadet. Schon kurz nach seinem Ausscheiden aus der Politik im Jahre 2005 heuerte Schröder beim russischen Staatskonzern Gazprom an. Für diesen führte er den Aktionärsausschuss der Ostsee-Gasleitung Nord Stream 1, beim Projekt Nord Stream 2 leitet er seit 2016 den Verwaltungsrat.
Schröder hat die Kritik an seiner Tätigkeit in russischen Unternehmen stets zurückgewiesen. Das Engagement sei seine Privatsache, argumentiert er. Außerdem könne er auf dem Posten dazu beitragen, das angespannte Verhältnis zwischen Deutschland und Russland zu verbessern.
Die genaue Bezeichnung von Schröders neuer Position bei Rosneft ist die eines "unabhängigen Direktors". Der Konzern ist nach angelsächsischem Vorbild verfasst, dort gibt es die deutsche Aufteilung in Vorstand und Aufsichtsrat nicht. Schröder vertritt offiziell nicht die Interessen eines einzelnen Anteilseigners. Als Wunschkandidat des Kremls dürfte er im Zweifel aber eher Positionen des absoluten Mehrheitseigners vertreten - und das ist im Falle Rosneft der russische Staat.
Schröder ist nicht der erste Ausländer im Verwaltungsrat des Konzerns. Zwei Amerikaner sitzen dort: Donald Humphreys vom Öl-Multi ExxonMobil und der BP-Vorstand Robert "Bob" Dudley, außerdem ein Vertreter des Golfstaats Katar. Ein Deutscher dient dem Unternehmen ebenfalls seit vielen Jahren: Matthias Warnig, in der DDR hauptamtlich für die Stasi tätig. In dieser Rolle lernte er einst in Dresden den KGB-Kollegen Wladimir Putin kennen. Warnig saß in Aufsichtsräten diverser russischer Unternehmen, unter anderem bei der Bank Rossija, die von den USA als Putins Geldschatulle bezeichnet und mit Sanktionen belegt wurde. Der Altkanzler und der Stasi-Veteran sind bereits ein eingespieltes Team: Warnig ist Geschäftsführer bei Nord Stream, Schröder sitzt dort dem Verwaltungsrat vor.
Sowohl die EU als auch die USA haben in den vergangenen Jahren Sanktionen gegen Rosneft und dessen Führung verhängt. Anders als bisweilen irrtümlich angenommen, handelt es sich dabei nicht um die Sanktionen, die wegen der Krim-Annexion verhängt wurden. Die Sanktionen, die Rosneft betreffen, wurden im Sommer 2014 nach dem Abschuss einer Boeing 777 verhängt. Bei dem Abschuss über der Ostukraine kamen alle 298 Passagiere ums Leben. Die Sanktionen gelten als Antwort auf den aus Moskau angefachten und geschürten Krieg im Donbass. Die Europäische Union verbot unter anderem die Lieferung von Spezialtechnik, die dazu benötigt wird, schwer erschließbare Öl-Lagerstätten auszubeuten. Das betrifft Pläne von Rosneft, die Ölförderung in der Arktis auszubauen.