Haushalt:Die Lücke des Herrn Scholz

Weekly Government Cabinet Meeting

Ob in den Taschen die Pläne für den Bundeshaushalt waren? Finanzminister Olaf Scholz und Bundeskanzlerin Angela Merkel, hier bei einem Kabinettstreffen Ende August.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)
  • Finanzminister Scholz hat in seinem Haushalt alle Vorhaben finanziert, die im Koalitionsvertrag vereinbart sind und unterm Strich eine schwarze Null ausgerechnet.
  • Doch Scholz hat die Kosten für das Klimaschutzgesetz nicht in seine Haushaltsplanung aufnehmen können.
  • Zwar soll das Geld für den Klimaschutz aus einem Sondertopf kommen. Allerdings summieren sich die vielen Ideen bereits auf 30 Milliarden Euro - ein Vielfaches des Volumens in dem Förderfonds.

Von Cerstin Gammelin

Wenn Olaf Scholz am Dienstag vor den Bundestag tritt, wird er das tun, was er am besten kann: seine Rolle als Olaf Scholz spielen. Er wird die Worte solide, klug, mutig und ordentlich an den richtigen Stellen seiner Rede vorkommen lassen; am Schluss wird man alles in dem Satz zusammenfassen können: Ich habe einen klugen und ordentlichen Haushaltsentwurf für das Jahr 2020 gemacht, der uns allen eine gute Zukunft sichert. Ja, das mag nach Routine klingen, aber so viel wie jetzt stand noch nie auf dem Spiel. Scholz jongliert gerade mit vier Hüten: als Bundesfinanzminister, Vize-Kanzler, Bewerber um den SPD-Vorsitz - und damit Kanzlerkandidat.

Nicht nur für Scholz, auch für die große Koalition insgesamt beginnt eine Art Showdown, der sich bis Dezember hinziehen kann. Der deutsche Bundestag kommt aus der Sommerpause, das politische Berlin ist voll arbeitsfähig. Dass es so turbulent werden wird wie im Vereinigten Königreich, ist schon wegen der Charaktere der Hauptdarsteller nicht zu erwarten. Aber auch im deutschen Parlament geht es jetzt um Grundsatzentscheidungen: zu Haushalt und Klimaschutz, zur schwarzen Null - und zur Zukunft der großen Koalition.

"Auf den ersten Blick gute Zahlen, aber hohe strukturelle Lücken"

Scholz hat viel Arbeit in die Haushaltsplanungen gesteckt. Für das kommende Jahr hat er fast 360 Milliarden Euro an Einnahmen und Ausgaben vorgesehen, so viel wie nie zuvor. Er hat alle Vorhaben finanziert, die im Koalitionsvertrag vereinbart sind und unterm Strich eine schwarze Null ausgerechnet; er will ohne zusätzliche Schulden auskommen. Beides ist ihm wichtig: Er will verlässlich sein als Bundesfinanzminister. Und er will beweisen, dass Sozialdemokraten wirtschafts- und finanzpolitisch kompetent sind - anders als die Bürger laut Umfragen offenbar glauben.

Man kann allerdings, wenn man nicht Scholz ist, sondern Oppositionspolitiker, eine andere Geschichte erzählen. Nämlich die, dass nichts klar ist. Dass erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein Haushaltsentwurf in das Parlament gegeben wird, der unvollendet ist. Es fehlt nicht irgendwas, sondern das Klimagesetz, an dem inzwischen gleich zwei Mal die Zukunft hängt: Die der schwarzen Null. Und die der großen Koalition.

Hintergrund ist, dass die Bundesregierung erst am 20. September ein großes Klimaschutzgesetz vorlegen will. Scholz hat die Kosten nicht in seine Haushaltsplanung aufnehmen können. Zwar soll das Geld für den Klimaschutz aus einem Sondertopf kommen, dem Energie- und Klimafonds EKF. Allerdings summieren sich die vielen Ideen (die CSU will energiesparende Haushaltsgeräte fördern; die SPD ein 365-Euro-Ticket für Bus und Bahn einführen, die Union schwere Geländewagen teurer machen und so weiter) bereits auf 30 Milliarden Euro - ein Vielfaches des EKF-Volumens.

Weil ja Scholz seine Hüte nicht ewig in der Luft halten, sondern möglichst bald ineinander stapeln will, hat er seine Zukunft als Finanzminister mit dem Klima verknüpft. "Wir brauchen einen großen Wurf in der Klimapolitik, wenn wir als Regierung weiter eine Berechtigung haben wollen, das Land zu führen", sagt er dem Spiegel eine Woche vor den Haushaltsberatungen. Er sagt nicht, dass ein großer Klimawurf die schwarze Null versenken kann.

Das aber treibt die Union um, die sich die schwarze Null zum Markenzeichen gemacht hat. Woran erkennt man CDU und CSU ohne dieses Asset? "Wir können uns keine Geschenke für bestimmte Interessengruppen leisten", warnt Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg (CDU). "Ich gehe fest davon aus, dass die Bundesregierung das Klimapaket ohne Schuldenaufnahme finanziert und an der schwarzen Null festhält". Die Bundesregierung müsse zügig den Wirtschaftsplan für den neuen Energie- und Klimafonds vorlegen, der Bundestag brauche "ausreichend Zeit für die Beratung der vielen Fördermaßnahmen".

Die Sorgen der Union um den ausgeglichenen Haushalt sind in einer Analyse der Fraktion zum Scholz'schen Entwurf zusammengefasst. "Auf den ersten Blick gute Zahlen, aber hohe strukturelle Lücken", ist da zu lesen. Man komme ohne neue Schulden aus, weil bis 2022 noch mehr als 30 Milliarden Euro an Rücklagen ausgegeben werden können. Und weil Scholz alle Ministerien verpflichtet hat, zusammen jährlich vier bis fünf Milliarden Euro einzusparen.

Kohleausstieg ist nur mit 500 Millionen Euro jährlich eingebucht

Aus Sicht der Unionsfraktion sind wichtige Ausgaben nur aufgeschoben. Beispiel Nato-Quote: Wenn die Zahlungen bis 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttosozialproduktes steigen sollen, muss der Finanzminister allein bis 2023 rund 23 Milliarden mehr ausgeben. Kommt die Grundrente ab 2021, kann das drei bis fünf Milliarden Euro jährlich kosten. Der Kohleausstieg ist nur mit 500 Millionen Euro jährlich eingebucht; insgesamt sind bis 2038 aber 40 Milliarden Euro zugesagt.

Schließlich der Digitalfonds, aus dem auch der Breitbandausbau und die digitale Ausstattung der Schulen finanziert werden sollen: neun Milliarden Euro sind im Topf, siebzehn aber zugesagt. Was auch noch passieren kann, ist, dass das Bundesverfassungsgericht die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlages kippt. Dann fehlten weitere 10 Milliarden Euro an Einnahmen, jedes Jahr. Mal ganz davon abgesehen, dass sich die wirtschaftliche Lage deutlich verschlechtert.

Man darf davon ausgehen, dass die Opposition im Bundestag die Gelegenheit nutzen wird, die Regierungsparteien in eine große Schuldendebatte zu verwickeln.

Die Grünen sind vergangene Woche in die Offensive gegangen. Co-Parteichef Robert Habeck fordert, der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse eine verbindliche Investitionsklausel zur Seite zu stellen. Die Bundesregierung würde verpflichtet werden, jedes Jahr mindestens substanzerhaltend in Schulen, Kitas, Brücken, Breitband und Bildung zu investieren. Bis zu 35 Milliarden Euro könnten über Kredite finanziert werden. Auch die FDP will mehr investieren. Parteichef Christian Lindner hat eine Diskussion gefordert, wie der Staat aktiver werden könne. Fraktionsvize Michael Theurer will Milliarden in Technologien wie künstliche Intelligenz und Wasserstoffantriebe stecken.

Noch allerdings steht die schwarze Null öffentlich nicht zur Disposition. CDU-Haushälter Rehberg hat "deutlichen Widerstand" gegen "jede Forderung nach Umgehung, Lockerung oder Abschaffung der Schuldenbremse" angekündigt. Die Frage ist, wie viele Mitstreiter er haben wird, wenn es im Bundestag auf die Entscheidung zuläuft zwischen großem Klimawurf - und dem Ende der großen Koalition.

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