Süddeutsche Zeitung

Änderung der Berechnungsgrundlage:Grundsteuer-Reform könnte Mietkosten steigen lassen

  • Die Grundsteuer muss reformiert werden, entschied das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr. Nun legt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ein Konzept dafür vor.
  • Künftig soll die Grundsteuer pro Wohnung berechnet werden.
  • Die bisherige Berechnung basiert auf einheitlichen Grundstückswerten, die seit mehr als 50 Jahren nicht angepasst wurden.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Thomas Öchsner

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) legt ein konkretes Konzept zur Reform der Grundsteuer vor. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll diese künftig auch anhand der Netto-Kaltmieten berechnet werden. Scholz plant ein mehrstufiges Konzept: Der Immobilien- bzw. Einheitswert soll angehoben werden, auf dessen Basis die Grundsteuer berechnet wird. Im Gegenzug soll die sogenannte Steuermesszahl deutlich gesenkt werden. Diese wird mit dem Immobilienwert multipliziert. Je höher der Immobilienwert, desto höher die daraus resultierende Steuer. Die Festlegung des kommunalen Hebelsatzes soll weiter im Ermessen der Gemeinden bleiben. Dieser Hebelsatz ist für die Kommunen sehr wichtig, sie legen damit die endgültige Höhe der Grundsteuer fest. Über die Pläne von Scholz hatte zuerst die Bild-Zeitung berichtet.

Nach dem Konzept würde die Grundsteuer künftig individuell für jede Wohnung berechnet. Vermieter müssen die Höhe der Netto-Kaltmiete dem Finanzamt melden. Um den Aufwand gering zu halten, soll es alle sieben Jahre eine Aktualisierung der Berechnung der Grundsteuer geben - oder bei einem Mieterwechsel. Innerhalb von Großstädten wird nochmals differenziert. So wird in Berlin-Dahlem derzeit eine andere Grundsteuer erhoben als in Moabit. Insgesamt soll die Grundsteuer weiterhin Einnahmen von rund 14 Milliarden Euro jährlich bringen. Das Geld fließt komplett in die Kassen der Kommunen.

Bislang hält sich der Aufwand für die Grundsteuer in Grenzen: Im bundesweiten Durchschnitt zahlen die privaten Haushalte für die Steuer, die auf Grundeigentum anfällt, 200 Euro im Jahr. In anderen Ländern wie in den USA, Großbritannien oder Australien zahlen die Bürger ein Vielfaches des deutschen Niveaus. Ob das so bleiben wird, ist offen. Scholz geht davon aus, dass das Konzept nicht zu großflächigen Mieterhöhungen führen wird. Doch es könnte gerade in den Regionen, in denen die Mieten schon hoch sind, die Mietnebenkosten erhöhen. Denn Vermieter dürfen die Grundsteuer als Betriebskosten auf die Mieter umlegen.

Die bisherige Berechnung ist verfassungswidrig

Scholz muss sich mit dem Konzept aber erst einmal durchsetzen. Die Länder werden bei der Neugestaltung der Grundsteuer mitreden, und die haben bereits eigene Konzepte vorgelegt. Außerdem dürfte die konkrete Umsetzung nicht ganz leicht sein. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, kritisierte das Modell bereits als falschen Weg. "Der Gesetzgeber schafft damit ein Beschäftigungsprogramm für Steuerbeamte", sagte Hans Volkert Volckens, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Steuerrecht. "Die Administrierbarkeit der Grundsteuer sollte die Grundlage für sämtliche Überlegungen sein. Je komplizierter und aufwendiger die Berechnung der Steuerbelastung, desto praxisferner ist die Steuer."

Die Grundsteuer-Erhebung in der bisherigen Form war im April vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gekippt worden - die Berechnungsgrundlage sei verfassungswidrig. Das Gericht hatte eine Neuregelung bis spätestens 2019 verlangt. Es kritisierte die Berechnungsmethode auf Basis von Einheitswerten für Grundstücke, die "völlig überholt" seien und zu "gravierenden Ungleichbehandlungen" der Immobilienbesitzer führten, entschied Karlsruhe. Die Werte zur Berechnung stammen aus den Jahren 1964 (West) und 1935 (Ost).

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