Bankenunion:Scholz gibt Widerstand gegen Einlagensicherung auf

Olaf Scholz (SPD), Bundesminister der Finanzen, spricht auf einer Pressekonferenz

Zeigt sich bei der umstrittenen Einlagensicherung plötzlich kompromissbereit: Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

(Foto: dpa)
  • In einem Gastbeitrag für die Financial Times zeigt sich Finanzminister Scholz überraschend offen für eine Form der europäischen Einlagensicherung.
  • Bislang war vor allem die Bundesregierung strikt dagegen - aus Sorge, dass deutsche Sparer bei Problemen von Geldhäusern in Südeuropa in Haftung genommen werden könnten.

Von Meike Schreiber, Frankfurt, und Vivien Timmler

Kein Land hat sich auf europäischer Ebene bislang so vehement gegen die Idee einer europäischen Einlagensicherung (Edis) gesperrt wie Deutschland. Nun drückt ausgerechnet Bundesfinanzminister Olaf Scholz aufs Tempo und signalisiert Kompromissbereitschaft bei dem wichtigen Schlussstein zur Vollendung der Bankenunion.

Die Notwendigkeit, die Bankenunion zu vertiefen und zu vervollständigen, sei unstrittig, schreibt Scholz in einem Gastbeitrag für die Financial Times. Nach jahrelangen Diskussionen über einen Abschluss des Vorhabens müsse nun die Blockade aufgehoben werden. Schließlich dürfe die EU nach dem Ausstieg Großbritanniens mit seinem Londoner Finanzzentrum nicht von China oder den USA abhängig sein und wolle auch "nicht auf der internationalen Bühne herumgeschubst werden".

Zur Vollendung der Bankenunion müsse es unter anderem "eine Form eines gemeinsamen europäischen Einlagensicherungsmechanismus" geben, schrieb der SPD-Politiker weiter. "Und das ist kein kleiner Schritt für einen deutschen Finanzminister."

Scholz klingt in einem Punkt versöhnlicher als bislang

Die seit Langem diskutierte gemeinsame Einlagensicherung auf europäischer Ebene ist vor allem in Deutschland umstritten. Es wird befürchtet, dass deutsche Sparer bei Problemen von Banken in Südeuropa in die Haftung genommen werden. Scholz führte als weitere notwendige Schritte deshalb etwa gemeinsame Insolvenz- und Abwicklungsregeln für Banken an, die auch für kleinere Institute Gültigkeit haben sollten. Darüber hinaus sollten Risiken weiter verringert werden, die von faulen Krediten und Staatsschulden ausgingen. Schließlich solle eine einheitliche Besteuerung von Banken in der EU Wettbewerbsverzerrungen aufheben.

Bisher sei es nicht gelungen, den institutionellen und regulatorischen Rahmen weiter zu verbessern, um Risiken im europäischen Bankensektor zu verringern, schreibt der Finanzminister weiter. Jetzt sei die Zeit für eine Veränderung gekommen - angesichts des bevorstehenden Brexit und mit dem Schwung einer neuen EU-Kommission.

Die Vollendung der Bankenunion inklusive Einlagensicherung hat auch die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu einer Priorität erklärt. Sie ist damit überraschend von der bisherigen Position der Bundesregierung abgerückt, die einem europäischen Sparerschutz mit Skepsis gegenüberstand.

Der Chef der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank, Andrea Enria, kommentierte den Beitrag von Scholz mit den Worten: "Das Geld der Bürger muss geschützt werden - ob es auf einer Bank in Frankreich, Italien, Griechenland oder Deutschland liegt. Nur eine europäische Einlagensicherung kann diesen Schutz unabhängig von der Finanzkraft eines Landes gewähren."

Doch meint es Scholz wirklich ernst mit seinem Vorschlag? Die Einschränkungen, an die er diesen knüpft, deuten darauf hin, dass er sich mehr als nur eine Hintertür offen hält. Es ist nicht neu, dass die Bundesregierung darauf drängt, dass Banken Staatsanleihen in ihren Bilanzen mit Eigenkapital unterlegen müssen. Bislang ist das nicht vorgeschrieben, obwohl auch Staaten prinzipiell pleitegehen können. Allen voran Italien aber wehrte sich immer gegen eine strengere Regelung. Italienische Banken halten viele hundert Milliarden italienischer Staatsanleihen in ihren Bilanzen.

In einem entscheidenden Punkt allerdings klingt Scholz in der Tat versöhnlicher als bislang: Diese Forderungen scheinen keine Vorbedingung mehr für eine EU-weite Einlagensicherung zu sein, sondern sollen offenbar parallel dazu vollzogen werden.

Haften Deutsche für Sparer anderer Länder? Das ist nicht der Fall

Auch die mächtige Lobby der deutschen Sparkassen und Volksbanken wehrt sich seit Langem erbittert gegen eine europäische Einlagensicherung. Sie fürchten die Vergemeinschaftung von Risiken, sehen aber auch ihr individuelles Modell der Institutssicherung in Gefahr, das ihnen derzeit im Wettbewerb Vorteile verschafft.

Die Pläne für eine europäische Einlagensicherung gehen auf die Finanzkrise zurück: Damals hatte sich gezeigt, wie gefährlich die Schicksalsgemeinschaft zwischen Banken und Staaten ist. In finanzschwachen Ländern wie Griechenland oder Zypern verloren die Bürger ihr Vertrauen in das Bankensystem und zogen Geld ab. Das wiederum führte die Banken an den Rand des Abgrunds, zog staatliche Rettungen nach sich und verschärfte die Staatsschuldenkrise, für die schließlich alle Europäer aufkommen mussten. Die Bankenunion mit gemeinsamer Aufsicht, Regeln für eine Bankenabwicklung und einer Einlagensicherung soll den Nexus Staat/Bank brechen: Die Risiken des Finanzsystems würden auf den Bankensektor verlagert, der die Versicherung bezahlt. Erst im schlimmsten Fall müsste der Staat einspringen. Die gemeinsame Einlagensicherung soll daher Bank-Runs verhindern, vor allem in Staaten mit schwacher Finanzkraft.

Sparkassen und Volksbanken erwecken dennoch gerne den Eindruck, dass die Bürger bei der europäischen Einlagensicherung mit ihren Sparguthaben für Sparer andere Länder haften. Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr zahlen die Banken für die Einlagensicherung eine Versicherungsprämie und zwar aus ihren erwirtschafteten Erträgen. Edis betrifft Sparer in Deutschland daher allenfalls indirekt, etwa wenn Banken diese Prämie mit höheren Gebühren finanzieren. Oder wenn sämtliche Töpfe leer wären und zugleich der deutsche Staat pleiteginge, so dass er die Bürger bei einem Bank-Run nicht mehr entschädigen könnte.

Mit Material von Reuters und Bloomberg

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