Olaf Scholz in Davos:"Russland ist mit seinen imperialistischen Kriegszielen schon jetzt vollkommen gescheitert"

Olaf Scholz in Davos: Er ist der einzige Regierungschef eines G-7-Staats in Davos: Bundeskanzler Olaf Scholz.

Er ist der einzige Regierungschef eines G-7-Staats in Davos: Bundeskanzler Olaf Scholz.

(Foto: AFP)

Der Bundeskanzler verspricht in Davos, die Ukraine finanziell, wirtschaftlich, humanitär und militärisch zu unterstützen, "solange es nötig ist". Und umschifft ausgerechnet das Thema, das gerade alle interessiert.

Von Vivien Timmler, Davos

Der Zeitpunkt ist undankbar. Gerade erst hat die First Lady der Ukraine, Olena Selenska, um mehr militärische Unterstützung für die Ukraine gebeten. Gerade erst hat der polnische Präsident, Andrzej Duda, seine Erwartung geäußert, der deutsche Bundeskanzler werde der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine schon zustimmen. Gerade erst hat das EU-Parlament Olaf Scholz in einem außergewöhnlichen Vorgang aufgefordert, ebenjene Panzerlieferungen zu erlauben. Und dann meldet sich auch noch - wie könnte es anders sein - Markus Söder zu Wort. "Deutschland hat sich entschieden, Waffen zu liefern. So richtig kann man mir nicht erklären, warum ein Panzer kein Problem sein soll, ein anderer aber schon", so der bayerische Ministerpräsident.

Nun steht Scholz selbst auf der Bühne des Weltwirtschaftsforums in Davos und muss den Erwartungen gerecht werden, die die Wichtigen und Mächtigen hier an ihn haben. Immerhin ist er der einzige Regierungschef eines G-7-Staats, der nach Davos gereist ist, und damit einer der hochrangigsten Redner.

Zu den Leopard-Kampfpanzern sagt er dann genau: nichts. Nicht einmal, als ein ukrainischer Zuhörer ihn im Anschluss an seine Rede fragt, warum er zögert bei der Lieferfreigabe, geht er näher auf das Thema ein. Stattdessen betont er, Deutschland liefere der Ukraine bereits "kontinuierlich Waffen in großem Umfang", Flugabwehrsysteme etwa, Artilleriegeschütze und Schützenpanzer. Schon die bisherige militärische Unterstützung der Ukraine nennt Scholz einen "Teil einer tiefgreifenden Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik".

Aus Scholz' Sicht ist Russland "mit seinen imperialistischen Kriegszielen schon jetzt vollkommen gescheitert". Damit der Krieg ende, "muss Russlands Aggression scheitern", so der Kanzler. Allen voran die G-7-Staaten würden der Ukraine "finanziell, wirtschaftlich, humanitär und militärisch" beistehen, solange es nötig sei. Es müsse alles getan werden, damit die Ukraine ein unabhängiges, freies, demokratisches Land werden könne, das Mitglied der Europäischen Union werde.

Scholz wendet sich gleich mehrmals direkt ans Publikum - das ist neu

Doch Scholz ist in Davos nicht nur einer der hochrangigsten Redner, er ist auch einer der optimistischeren. Zwar habe das Jahr 2022 die Welt gefordert wie selten zuvor. "Zugleich haben wir Dinge verändert und vorangebracht wie selten zuvor", sagt er. Deutschland etwa habe sich innerhalb weniger Monate unabhängig gemacht von russischen Rohstoffen. Die lange unsichere Energieversorgung für den laufenden Winter sei gesichert. Und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft erfahre gerade eine völlig neue Dynamik. "Nicht trotz, sondern wegen des russischen Kriegs", sagt Scholz. Dieser habe einen enormen Veränderungsdruck in Europa ausgelöst. Mittlerweile sei auch den Letzten klar, dass die Zukunft allein den erneuerbaren Energien gehöre.

Deutschland habe in den vergangenen Monaten bewiesen, dass es "beweglich" sein könne, "unbürokratisch" und "schnell". Eine "neue Deutschland-Geschwindigkeit" nennt er das, die auch der Maßstab sei für die anstehende Transformation der deutschen Wirtschaft. Und er wendet sich direkt an die Firmenvertreterinnen und Firmenvertreter im Saal: "Daran können Ihre Unternehmen uns messen."

Und es sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass der Bundeskanzler sich direkt an sein hochkarätig besetztes Publikum wendet - ein Stilmittel, mit dem er bislang eher sparsam umgegangen war. Erst wird Scholz beim Thema Fachkräftemangel und Einwanderung deutlich: "Wer bei uns mit anpacken will, der ist uns willkommen." Und dann wirbt er ganz ohne Umschweife bei den Teilnehmern des Wirtschaftsforums um Investitionen. "Wenn Sie mich fragen, wie und wo Sie nachhaltig und rentabel in die Zukunft investieren können, dann sage ich Ihnen heute: Don't look any further", so Scholz, "kommen Sie zu uns, nach Deutschland und nach Europa."

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