Digitalisierung:Ein Recht auf schnelles Internet allein ist zu wenig

Internet und Digitalisierung: Eine Frau mit Laptop auf einem Feld

Schnelles Internet überall? In Deutschland bisher höchstens ein Versprechen. Es fehlt aber nicht nur an den Kabeln.

(Foto: imago premium/Cavan Images)

Schnelles Internet gehört heute zum Leben wie Wasser und Strom. Daraus ergibt sich aber auch ein Bildungsauftrag, um junge Menschen mit der Technik nicht alleinzulassen und die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern.

Kommentar von Helmut Martin-Jung

Darüber gibt es eigentlich nichts mehr zu diskutieren: Schnelles Internet gehört zum Leben wie Wasser und Strom. Deutschland hat sich dabei bisher aber nicht hervorgetan. Deshalb ist es gut, wenn das Recht darauf nun bald in Kraft tritt, so wie es die Regierung versprochen hat. Dass man jetzt darüber streiten muss, was denn eigentlich schnelles Internet sei, zeigt aber, wie gründlich Deutschland diesen Technologieschritt verschlafen hat. Zehn Megabit pro Sekunde (Mbit/s) beim Runterladen und nur 1,7 Mbit/s beim Hochladen, so wie es der Vorschlag der Bundesnetzagentur vorsieht, ist wirklich nur eine absolute Mindestgrenze. Wenn es um Fernunterricht oder Arbeiten von zu Hause aus geht, wird man damit sofort an Grenzen stoßen. Aber es ist besser als kein Internet.

Denn Tatsache bleibt: Die Fehler der Vergangenheit sind gemacht, der Rückstand lässt sich nicht kurzfristig aufholen. Daher muss mit Augenmaß darüber entschieden werden, wie man vorgeht. Den Anspruch hochzuschrauben auf 30 Mbit/s, wie es die Länder gefordert haben, klingt zwar gut und wäre eigentlich auch die bessere Untergrenze. Doch damit würde ein riesiges Heer von Anspruchsberechtigten geschaffen. Was aber nutzt ein Rechtsanspruch, der nur auf dem Papier steht? Denn Bautrupps, die die nötigen Kabel verlegen, sind heute schon kaum zu bekommen. Die Beteiligten sollten daher einen Kompromiss schließen, der beispielsweise für eine Übergangszeit die Versorgung sehr entlegener Gehöfte per Satellit oder Funk erlaubt.

Es geht nicht nur um Technik

Die Technik aber ist nur ein Aspekt, wenn es um das (schnelle) Internet geht. Noch leben in Deutschland laut Statistischem Bundesamt etwa 3,8 Millionen Menschen zwischen 16 und 74 Jahren völlig ohne Netz. Und das liegt in den meisten Fällen nicht daran, dass ihr Haus nicht angeschlossen ist. Die meisten der Nonliner sind ältere Menschen, die entweder keinen Nutzen darin sehen, finanziell schlecht dastehen oder Angst haben, sie könnten mit der Technik nicht zurechtkommen oder Opfer von Cyberkriminellen werden. Um das zu ändern, bräuchte es niedrigschwellige und ortsnahe Angebote - auch weil zunehmend von der Teilhabe am öffentlichen Leben ausgeschlossen wird, wer keinen Online-Zugang hat.

Der digitale Graben verläuft auch nicht nur zwischen Onlinern und Nonlinern. Er tut sich auch auf zwischen denen, die mit der Informationsflut und den Verlockungen des Netzes nicht gut umgehen können. Die Menschen müssen das lernen, sie brauchen Maßstäbe, um beurteilen zu können, was wie einzuordnen ist. Und sie müssen lernen, dass Abschalten auch dazugehört. Das alles ist ein Bildungsauftrag, und kein kleiner.

Mehr Tempo, bitte

Doch auch hier liegt Deutschland zurück. Das zersplitterte Bildungswesen mit seinen verteilten Zuständigkeiten auf kommunaler, Länder- und Bundesebene kommt nur langsam in die Gänge. Oft hängt es davon ab, ob eine Kommune Geld hat, ihre Schulen vernünftig auszustatten. Manchmal wäre auch das Geld da, aber es fehlen die Fachkräfte, die den ganzen digitalen Zoo - vom Whiteboard bis zum Tablet - auch in Schuss halten. Eigentlich bräuchte jede Schule mindestens einen Digital-Hausmeister. Meist sind es aber engagierte Lehrkräfte, die nebenher noch die Schul-IT warten. Dass es aber immer Schulen gibt, die keinen oder nur einen völlig unzureichenden Internetzugang haben, ist eine Schande. Wie es übrigens auch eine Schande ist, dass es manchen Schulen durchs Dach regnet und die Toiletten einem das Grausen lehren.

Das Tempo muss also steigen. Was dabei sehr helfen würde, wäre weniger Bürokratie. Glasfaserkabel zum Beispiel lassen sich ziemlich schnell verlegen, wenn man sie etwas weniger tief vergräbt. Bisher stehen die Vorschriften dem aber oft entgegen. Die Unternehmen müssen auch aktenordnerweise Anträge bei den Ämtern einreichen, Genehmigungen dauern lange, obwohl es oft um Standard-Vorhaben geht wie etwa Funkmasten. Wenn die Regierung also vorankommen will, braucht es mehr als nur ein Recht auf schnelles Internet. Es müssen auch die Voraussetzungen geschaffen werden, damit es eingelöst werden kann. Und zwar für so viele Menschen wie möglich.

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