Süddeutsche Zeitung

Schneeballsysteme:Wie Kunden abgezockt werden

  • Die Geschichte des Anlagebetrugs ist lang - sehr wenige Menschen wurden etwa bei den Schneeballsystemen auf Kosten anderer sehr reich.
  • Meist werden dabei hohe Renditen versprochen - und ein bisschen Verschwörungstheorie ist auch oft dabei.

Von Uwe Ritzer und Ulrike Sauer

Die Ermittlungen liefen von Anfang an unter einem vielsagenden Namen: Car Dream. Angestoßen hatte sie ein Feldwebel der italienischen Finanzpolizei. In einer Café-Bar war Sebastiano D. ein Flyer der deutschen Firma Dexcar in die Hände gefallen, auf dem diese zu einer Werbeveranstaltung einlud. Mietautos für fast nichts? D. war von Berufs wegen sofort misstrauisch, besuchte als vermeintlicher Interessent die Veranstaltung, sah sich in seinem Argwohn bestätigt - und lieferte seinen Kollegen die ersten Hinweise auf ein mögliches Betrugssystem.

Die Firma Dexcar behauptet nach wie vor, es handele sich bei ihrem System in Wirklichkeit um eine besonders intelligente Form der "Sharing Economy", bei der quasi einer dem anderen hilft und am Ende alle etwas davon haben. Verbraucherschützer warnen hingegen vor dem Geschäftsmodell; für sie handelt es sich um ein perfides Schneeballsystem, bei dem am Ende wenige Menschen absahnen, viele aber ihr Geld los sind.

Schneeball- oder Pyramidensystem, es gibt Unterschiede im Detail, doch das Prinzip ist im Kern gleich. Immer mehr neue Anleger müssen einzahlen, immer mehr frisches Geld muss her, damit die Altkunden den versprochenen, hohen Profit kassieren und ihre Ansprüche befriedigt werden. Das geht nicht lange gut. Irgendwann reißt die Kette zwangsläufig, weil nicht mehr genug frisches Geld nachkommt. Dann haben sich in der Regel bereits wenige die Taschen vollgestopft und viele ihr Geld verloren.

Mit zwei Dollar soll Ponzi begonnen haben, am Ende verfügte er über 15 Millionen

Oft ist in solchen Zusammenhängen vom "Ponzi-Schema" die Rede, benannt nach Charles Ponzi, der 1882 als Carlo Ponzi in der Nähe von Ravenna in Norditalien auf die Welt kam. 1903 wanderte er nach Boston aus. Zwar hat der Italoamerikaner die Betrugsmasche nicht erfunden, aber er machte sich als Meister dieser Technik weltweit einen Namen. Ponzi gelang es, 40 000 Anleger anzuwerben. Anfangs betrog er andere Einwanderer, bald darauf auch Amerikaner. Sein Startkapital in Höhe von zwei Dollar soll er auf diese Weise auf 15 Millionen Dollar gesteigert haben.

1920 lösten Enthüllungen der Boston Post eine Panikwelle unter seinen Anlegern aus, und das Konstrukt brach in sich zusammen. Im November 1920 wurde Ponzi verurteilt. Als er 1934 das Gefängnis verließ, wurde er des Landes verwiesen und kehrte nach Italien zurück. Dort scheiterten mehrere Versuche, sein System wiederzubeleben.

Ein spektakulärer Fall eines Ponzi-Systems war der European Kings Club (EKC) in den 1990er-Jahren. 100 000 hauptsächlich kleine Anleger, vorwiegend aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, kauften sich Anteile an besagtem Klub, wofür ihnen binnen eines Jahres 70 Prozent Zins versprochen wurde. 1996 platzte der Ballon. Damara Anna Herta Bertges, die Gründerin und Präsidentin des EKC, landete für einige Jahre im Gefängnis; viele Millionen der eingetriebenen zwei Milliarden D-Mark sind bis heute verschwunden.

Die Schwindler verbreiten Verschwörungstheorien, um die Anleger von Fakten abzulenken

Nach wie vor im Knast in den USA sitzt Bernie Madoff, verurteilt zu 150 Jahren Gefängnis. 2008 zeigten ihn seine beiden Söhne an. Der ehemalige Star-Investor, heute 80 Jahre alt, betrieb einen Investmentfonds als Ponzi-System und prellte Millionen Anleger um 65 Milliarden Euro. Es ist der vermutlich größte Schaden, der durch ein Schneeballsystem entstanden ist. In Deutschland erregten zuletzt unter anderem die Fälle in Zusammenhang mit S&K-Immobiliengeschäften oder Blockheizkraftwerken der GFE-Gruppe Aufsehen.

Die Beispiele zeigen: Schneeball-, Pyramiden- oder Ponzi-Geschäfte gibt es in vielen Varianten. Aber immer wird dabei dem Einzelnen für relativ wenig Einsatz sehr hohe Rendite versprochen, höher als jede Bank sie ihm bieten könnte. Nicht selten funktioniert der Trick, nach der ersten Runde den versprochenen hohen Zins tatsächlich auszuzahlen, damit die Anleger noch mehr Geld ins System pumpen.

Vertriebsfördernd sind auch krude Verschwörungstheorien der Art, dass sich das jeweilige Geschäftsmodell ja längst schon durchgesetzt hätte, würden nicht mächtige Konzerne, Politiker und Medien es verhindern. Oft müssen sich Strafverfolger sogar Vorwürfe anhören, wenn sie solche Systeme zerschlagen. Immer wichtiger für Betrüger ist das Internet. Und sei es nur, um durch manipulierte Einträge in Blogs oder sozialen Netzwerken die illegalen Geschäfte zu befeuern.

Warum aber fallen so viele Menschen so lange schon so unbedarft auf Schneeballsysteme herein? Gier spielt zweifellos eine große Rolle. Dazu kommt wohl die Hoffnung von Gering- oder Normalverdienern, auch einmal an das große Geld zu kommen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4409632
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.04.2019/hgn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.