Schmiergeldzahlungen:Airbus unter Korruptionsverdacht

Eurofighter auf der Autobahn

Ein beschädigter Kampfjet vom Typ Eurofighter wird auf der Autobahn tranportiert. Auch Airbus ist an Entwicklung und Produktion beteiligt.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • In mehreren Ländern ermitteln Behörden gegen Airbus wegen Korruptionsverdachts.
  • Vorstandschef Tom Enders stellt die Angestellten auf "turbulente Zeiten" ein.
  • Innerhalb des Unternehmens toben Machtkämpfe: Französische Mitarbeiter stören sich am Führungsstil des Deutschen Enders.

Von Caspar Busse, Björn Finke und Klaus Ott

Es war eine ungewöhnliche E-Mail, die die mehr als 133 000 Mitarbeiter des Airbus-Konzerns am vergangenen Freitag in ihrem Postfach fanden. Ganz am Ende des Schreibens - wie immer in den vier Konzernsprachen verfasst - stand in fast schon beschwörendem Ton: "Wenn wir jetzt alle an einem Strang ziehen, bin ich sicher, dass Airbus aus dieser Krise als besseres, stärkeres und wettbewerbsfähigeres Unternehmen hervorgehen wird." Darunter die schwungvolle Unterschrift von Konzernchef Tom Enders, 58.

Keine Frage: Es ist der Appell, die Reihen zu schließen, den Enders da an die Belegschaft richtet. Der Ton ist deutlich, so wie es der Stil des Vorstandschefs ist, der den Spitznamen "Major Tom" trägt. Es geht um die immer neuen Korruptionsvorwürfe gegen Airbus und seine Vorgängerfirmen, und die Bemühungen des Vorstands, diese Vorgänge alle aufzuklären.

Der Chef stimmt die Mitarbeiter auf harte Zeiten ein: "Das dürfte ein langer Weg werden, und die Möglichkeit schwerwiegender Konsequenzen, einschließlich erheblicher Strafen für das Unternehmen, ist durchaus gegeben." Es sei mit neuen Enthüllungen zu rechnen, auch solchen, die nicht richtig seien. Enders schreibt: "Stellen Sie sich auf turbulente Zeiten ein."

Die sind bereits da. Der Konzern hatte 2016 selbst Unregelmäßigkeiten bei den britischen Behörden angezeigt. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft München gegen 16 Beschuldigte. In Österreich hat Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil Anzeige gegen Airbus erstattet, wegen angeblichen Betrugs beim Kauf von Eurofighter-Maschinen. Und möglicherweise seien Schmiergelder für den Verkauf von Verkehrsflugzeugen in verschiedene Länder geflossen, berichtet der Spiegel. Auch Enders sei nun betroffen, heißt es da.

Hinter den Kulissen ist ein interner Kampf im Gange

Der Vorstandschef selbst betont, der Weg, Aufklärung zu betreiben, sei richtig. Airbus-Chefjustiziar John Harrison und er hätten dabei den Rückhalt des Verwaltungsrats, "die Angelegenheit zu einem Ende zu bringen". Ein Airbus-Sprecher verteidigte am Sonntag das Vorgehen des Vorstands mit aller Deutlichkeit. "Was wir hier sehen, ist der Versuch einer Kriminalisierung von Tom Enders", sagte er. Enders soll diskreditiert werden, weil er bei Airbus Compliance zu einer Priorität gemacht habe: "Damit hat er einen Teich trockengelegt und dessen Bewohner wehren sich natürlich." Der Aufklärer soll beschädigt werden, damit "die ganze Aufklärung unter die Räder gerät".

So ist offenbar hinter den Kulissen ein interner Kampf bei Airbus im Gange. Viele Korruptionsvorwürfe aus der Vergangenheit richten sich gegen ein Pariser Vertriebsteam des Konzerns, das unter dem Kürzel SMO bekannt war. Enders hat dieses bereits aufgelöst. Dazu kommt laut Insidern der Unmut von aktuellen und ehemaligen französischen Airbus-Mitarbeitern am Führungsstil des Deutschen.

Enders, seit 2012 alleiniger Vorstandschef, hatte die beiden Hauptverwaltungen in München und Paris aufgelöst, den Konzern in Toulouse konzentriert und gestrafft. Er benannte die ehemalige EADS, im Jahr 2000 gegründet, in Airbus-Group um. Das deutsch-französische Luft- und Raumfahrtunternehmen ist neben dem US-Konzern Boeing der weltweit größte Anbieter von Passagierflugzeugen, stellt auch Hubschrauber, Satelliten und Kampfjets her und ist in der Raumfahrt tätig. Der Umsatz liegt bei 67 Milliarden Euro, der Auftragsbestand bei einer Billion Euro.

Enders steht offenbar keine Anklage wegen Korruption bevor

Die Staatsanwaltschaft München steht nach eigenen Angaben kurz vor dem Abschluss ihrer Ermittlungen. Dabei geht es um ein System von schwarzen Kassen rund um die britische Firma Vector Aerospace. Es gehe wohl um den Vorwurf der Untreue, das Verfahren richte sich gegen 16 Beschuldigte, so eine Sprecherin der Behörde, Enders sei nicht darunter. Schmiergeldzahlungen an Dritte ließen sich bisher kaum nachweisen. Eine Anklage wegen Korruption steht offenbar nicht bevor.

In Großbritannien ermittelt das Serious Fraud Office, SFO, die Behörde für Fälle schwerer Wirtschaftskriminalität, seit August 2016. Der Konzern hatte die Behörde selbst auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen. Bei dem Verfahren geht es um den Verdacht des Betrugs und der Bestechung im Geschäft mit Verkehrsmaschinen, es könnte mehrere Jahre dauern. Airbus hat gleichzeitig interne Untersuchungen angestellt, in der Hoffnung, die Affäre mit einem Vergleich mit den Behörden abzuschließen, wie es der britische Turbinenhersteller Rolls-Royce getan hat.

Gauweiler rät Airbus, Schadenersatz geltend zu machen

Die Ermittlungen kreisen um die Rolle von Mittelsmännern, mit deren Hilfe Airbus Aufträge gewinnen wollte. Airbus erhält für seine teuren Flieger Exportbürgschaften der britischen Regierung, und um diese gewährt zu bekommen, muss der Konzern den Einsatz solcher Vermittler gegenüber den Behörden offenlegen. Bei einer Überprüfung fiel Airbus auf, dass das Unternehmen dies versäumt hatte, und es meldete sich deswegen beim SFO. Neben dem SFO nahm auch die französische Behörde Parquet National Financier Ermittlungen auf.

Nach dieser Enthüllung stellte UK Export Finance, die Behörde für staatliche Ausfuhrbürgschaften und -kredite, ihre Unterstützung für Airbus vorläufig ein. In Deutschland werden solche Absicherungen Hermes-Bürgschaften genannt. Exporteure erhalten eine Entschädigung vom Staat, wenn sie Produkte ins Ausland liefern und der dortige Abnehmer die Rechnungen nicht begleicht.

In Österreich wiederum hat Airbus alle Vorwürfe des Verteidigungsministeriums wegen des Eurofighter-Kaufs zurückgewiesen und wehrt sich gegen jede Form der Vorverurteilung. "Ein weltweit agierendes Unternehmen wie Airbus muss sich diese Form rechtswidriger Anprangerung nicht gefallen lassen", sagte dazu Peter Gauweiler, der für Airbus tätig ist. Er empfiehlt Airbus, Schadenersatz geltend zu machen. Die Verfahren werden dauern - und Enders wird sicherlich noch einige Briefe an die Mitarbeiter schreiben.

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