Schmiergeldvorwürfe gegen Rüstungsfirmen:Reisetasche voller Geldscheine

Canadian Leopard 2 tank climbs up to take a position at the top of hill in Camp Masoom Ghar in Panjwa'i district

Ein Leopard 2 im Einsatz in Afghanistan

(Foto: REUTERS)

Der Bote verlässt das Büro und lässt eine Tasche mit 600.000 Euro liegen: Ein griechischer Ex-Spitzenbeamter schildert, wie deutsche Rüstungskozerne geschmiert haben sollen. Jetzt könnten deutsche Ermittler aktiv werden.

Von Klaus Ott und Tasos Telloglou, Athen

Bei Antonios Kantas, einst Rüstungseinkäufer im griechischen Verteidigungsministerium im Range eines Direktors, meldete sich kurz vor Weihnachten ein früherer Geschäftspartner. Per Telefon, auf dem Handy. Der alte Bekannte gab dem kurz zuvor verhafteten Kantas zu verstehen, dieser solle der Athener Staatsanwaltschaft nichts über bestimmte Zahlungen erzählen. Gemeint waren Schmiergelddeals. Belege gebe es sowieso keine, da ja alles in bar abgewickelt worden sei, sagte der alte Bekannte. Kantas war nicht alleine, als der Anruf kam. Neben ihm saßen Ermittler, die ihn gerade befragten. Die Strafverfolger hörten neugierig zu, als sich der Schmiergeldbote verplapperte.

So soll es sich nach Angaben aus Justizkreisen zugetragen haben, als Kantas vier Tage lang bei der Staatsanwaltschaft aussagte und von Korruption bei griechischen Rüstungseinkäufen in Deutschland, Amerika, Russland, Frankreich, Skandinavien und Israel berichtete.

Der Ex-Direktor aus dem Verteidigungsministerium nannte Details. Geldgeber, Beträge, Konten. Und die Aufträge, um die es gegangen sei. Panzer, U-Boote, Kampfflugzeuge, Raketen, Radar, und mehr. Alles, wonach Heer, Marine und Luftwaffe begehrten. Für zwölf Rüstungsprogramme habe er von 17 Firmen-vertretern insgesamt 8,7 Millionen Euro erhalten. Fünfmal sei es um Waffenkäufe aus der Bundesrepublik gegangen.

Manches erinnert an Siemens

Für einige der deutschen Unternehmen, bei deren Geschäften Kantas bestochen worden sein soll, könnte das teuer werden. Etwa für die Rheinmetall AG, die U-Boote modernisierte und das Luftabwehrsystem Asrad lieferte. Hier soll es Belege für Zahlungen in Höhe von 1,5 Millionen Euro an Kantas geben. Etwas komplizierter könnte es sein, Bestechung beim Verkauf von 170 Panzern des Typs Leopard 2 nachzuweisen, für die Griechenland 1,7 Milliarden Euro an Krauss-Maffei Wegmann zahlte. 1,7 Millionen Euro sollen an Kantas geflossen sein. Teils in bar, teils über ein verwirrendes Geflecht von Konten, das Vertreter deutscher Firmen in Athen benutzt haben sollen. KMW erklärt, man habe weder an Kantas noch an sonst jemanden "Schmiergelder gezahlt oder zahlen lassen".

Manches erinnert an die Schmiergeldaffäre bei Siemens. Auch bei dem Industriekonzern hatte ein Ex-Direktor ausgepackt, als er wegen Korruptionsverdacht in Untersuchungshaft saß. Hatte Namen, Beträge, Konten genannt. Die deutsche Justiz schöpfte Siemens-Gewinne in Höhe von 600 Millionen Euro aus weltweiten Schmiergeldgeschäften ab. In Griechenland, wo der Konzern Amtsträger bestochen und so große Aufträge ergattert hatte, kostete Siemens die Affäre 270 Millionen Euro an Ausgleichs- und Schadensersatzzahlungen. Zudem musste sich der Konzern in Hellas entschuldigen.

Noch sind solche Zahlungen bei den von Kantas belasteten deutschen Rüstungsfirmen in weiter Ferne, aber denkbar ist vieles. Bei Rheinmetall und einer weiteren Firma, Atlas Elektronik aus Bremen, ermittelt seit Längerem die dortige Staatsanwaltschaft. Und bei Krauss-Maffei Wegmann in München könnte ebenfalls die örtliche Staatsanwaltschaft vorstellig werden, die wenig zimperlich ist im Umgang mit großen Unternehmen. Die Münchner Strafverfolger werden sich nach den Feiertagen bestimmt für die Athener Vernehmungsprotokolle von Kantas interessieren.

Krauss-Maffei Wegmann zeigt derzeit noch keine Neigung, den Fall selbst zu untersuchen, aber die Anschuldigungen gegen KMW sind ja auch erst ein paar Tage alt. Die Rheinmetall AG hingegen erklärt, den aktuellen Vorwürfen von Kantas "werden wir nachgehen". Bei der Aktiengesellschaft, bei der die Ermittler schon viel weiter sind als bei KMW, hat sich die Tonlage deutlich geändert. Vor vier Monaten hatte Rheinmetall noch beteuert, die Korruptionsvorwürfe entbehrten jeder Grundlage. Jetzt heißt es, "von unzulässigen Zahlungen . . . ist uns nichts bekannt". Rheinmetall ist gerade im Begriff, die Athener Niederlassung zu schließen, die vor einigen Monaten durchsucht worden war. Das habe allerdings "ausschließlich marktseitige Gründe", betont die Rheinmetall AG.

Die Kantas-Protokolle geben viel her. Ein früherer Marine-Offizier in Athen soll der Schmiergeld-Mittler zwischen Rheinmetall und dem Verteidigungsministerium gewesen sein. Eine der Briefkastenfirmen habe "Iron" (Eisen) geheißen. Manchmal sei in bar, meist aber über Schweizer Banken gezahlt worden. Und natürlich sei er nicht der einzige gewesen, den die Rüstungsfirmen geschmiert hätten, erzählte Kantas. Einer der Firmenvertreter habe ihm gesagt, es werde "auf allen Ebenen der Hierarchie" bestochen, bis hin zum jeweiligen Verteidigungsminister. Ex-Minister Akis Tsochatzopoulos sitzt bereits im Gefängnis. Er hatte beim Kauf von U-Booten aus Deutschland kassiert und wurde wegen Geldwäsche verurteilt.

Kantas hat auch ausgesagt, wie die Bestechung beim Leopard 2 begonnen habe. Eines Tages habe er wegen seiner Bedenken gegen ein so teures Panzergeschäft Besuch von einem griechischen KMW-Vertreter erhalten. Der Mittelsmann habe ihn aufgefordert, die Einwände fallen zu lassen. Beim Verlassen des Büros habe der Mann eine größere Reisetasche liegen lassen. Kantas erzählte, er sei seinem Besucher wegen der Tasche nachgeeilt. Der Mittelsmann habe erwidert, er habe nichts vergessen. In der Tasche seien 600.000 Euro gewesen. Bei Siemens hatte man für die Geldtransporte einst Koffer benutzt.

Der damalige KMW-Vertreter in Athen entgegnet, das mit dem Treffen und der Tasche stimme nicht. Auch habe es in dem Jahr, in dem sich das angeblich abgespielt habe, den Euro noch gar nicht gegeben. Der Einwand mit der Währung muss aber nicht viel bedeuten. Heute wird eben nur noch in Euro gerechnet. Und früher, als es die griechische Drachme noch gab, hätte ein so großer Betrag auch in dieser Währung in eine größere Reisetasche gepasst.

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