Süddeutsche Zeitung

Schmiergeldprozess gegen Formel-1-Chef:Warum ein Deal teuer für Ecclestone wäre

Der Münchner Prozess gegen Bernie Ecclestone könnte mit einem Deal schnell zu Ende gehen. Der könnte den Formel-1-Boss zwar 300 Millionen Euro kosten - der Angeschmierte wäre jedoch der ehemalige BayernLB-Banker Gribkowsky.

Von Klaus Ott

Über Post aus Deutschland dürfte Bernie Ecclestone derzeit nicht besonders erfreut sein. In diesen Tagen erhält der Formel-1-Chef die Nachricht, dass er sich in absehbarer Zeit vor dem Landgericht München I einfinden möge, um auf der Anklagebank Platz zu nehmen. In den kommenden Wochen folgt eine Klageschrift von Bayerns Landesbank über 400 Millionen Dollar. So viel soll der Brite dafür zahlen, dass er den früheren BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky bestochen und so der weiß-blauen Staatsbank schwer geschadet habe. Dass beide Botschaften so rasch aufeinander folgen, ist bestimmt kein Zufall. Die BayernLB will den bevorstehenden Schmiergeldprozess gegen Ecclestone offenbar nutzen, um möglichst viel Geld einzutreiben.

Bei der Justiz wiederum wäre ein Deal möglich: Der Formel-1-Chef gleicht den Schaden aus, den er angerichtet haben soll, und bekommt dafür einen kurzen Prozess und einen Strafnachlass. So läuft es oft bei großen, komplizierten Wirtschaftsverfahren, die sich sonst lange hinziehen würden. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat viel Erfahrung mit solchen Deals und einige große Erfolge vorzuweisen, insbesondere bei Schmiergeld-Fällen. Siemens zahlte 600 Millionen Euro in die Staatskasse; der Lastwagen-Hersteller MAN 150 Millionen; die Handelsgesellschaft Ferrostaal 149 Millionen; und der Industriekonzern Linde 35 Millionen Euro. Macht summa summarum 934 Millionen Euro. Mit Ecclestone könnten die Münchner Ermittler die Milliardengrenze knacken. Was die BayernLB bekäme, würde am Ende ebenfalls der Staatskasse zufließen.

Der Brite soll den Bayern-Banker Gribkowsky mit Schmiergeld in Millionenhöhe dazu verleitet haben, im Machtkampf um die Formel 1 seine, also Ecclestones Interessen wahrzunehmen, statt die der Landesbank. Auf diese Weise habe Gribkowsky, als die BayernLB Ende 2005 ihre Anteile an der Rennserie verkaufte, mehrere Hundert Millionen Euro verschenkt. So sieht das die Landesbank, der diese Anteile ein paar Jahre vorher nach der Pleite des Kreditkunden und Medienmagnaten Leo Kirch zugefallen waren. Deshalb die Schadensersatzklage, die demnächst beim High Court in London eingereicht werden soll.

"Mehr als angenehme Verhältnisse"

Auch aus Sicht der Münchner Staatsanwaltschaft spricht einiges dafür, dass die Veräußerung der BayernLB-Anteile der Formel 1 an einen Ecclestone genehmen Investor weit unter Wert erfolgte. Gribkowsky habe, weil vom Renn-Boss geschmiert und diesem somit verpflichtet, erst gar nicht um den Preis gepokert. Gribkowsky habe seine Verhandlungsposition nicht genutzt, sondern von vornherein aufgegeben und den von Ecclestone & Co. vorgegebenen Betrag akzeptiert. Ganze 773 Millionen Euro netto kassierte die BayernLB schließlich für ihre Renn-Aktien. Die Chance, einen deutlich höheren Erlös zu erzielen, sei vom Bayern-Banker nicht wahrgenommen worden, heißt es in der Anklage. In der wird der mögliche Fehlbetrag mit 350 Millionen Euro beziffert. In der Anklage steht zu den Formel-1-Anteilen der Landesbank aber auch, aufgrund verschiedener Umstände seien "letzte Zweifel an einem Unterwertverkauf allerdings nicht ausräumbar".

Geld genug, um sich freizukaufen, hätte Ecclestone. Der Staatsanwaltschaft sagte er lakonisch, er lebe in "mehr als angenehmen Verhältnissen". In der Anklage wird auf Schätzungen britischer und amerikanischer Medien verwiesen, wonach der Renn-Boss über ein Vermögen von 2,5 Milliarden Pfund beziehungsweise 4,2 Milliarden Dollar verfüge. Das wäre zwar nur Rang 254 der weltweit reichsten Menschen, aber immerhin. Das würde genügen. Auf 200 bis 300 Millionen Euro taxieren mit dem Fall befasste Juristen Ecclestones Preis für einen Deal. Die Staatsanwaltschaft wäre wahrscheinlich nicht abgeneigt.

Die Alternative für die Strafverfolger sieht eher mau aus. Der Anklagte ist 83 Jahre alt, und sollte er zu einer Haftstrafe verurteilt werden, dann wäre fraglich, ob er überhaupt ins Gefängnis müsste. In diesem Alter bleiben Zipperlein nicht aus, und nicht jeder wäre dann noch haftfähig. Also lieber Geld nehmen? Warum nicht. Der angeschmierte wäre dann Gribkowsky. Er hat im Gefängnis gesessen und dort gebüßt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1863388
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/jab
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.