Schmiergeldaffäre bei Siemens:Ärger mit den Alten

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"Nur noch dreist, was diese Herren treiben": Frühere Siemens-Vorstände betrachten die Schadenersatzforderungen im Schmiergeldskandal als Zumutung - und wollen nicht zahlen.

Klaus Ott

Mancher Aufsichtsrat von Siemens wird richtig zornig, wenn er daran denkt, was ihn an diesem Mittwoch im Kontrollgremium des Industriekonzerns erwartet. Der Unmut hat nichts mit der Wirtschaftskrise zu tun, die auch Siemens trifft: Die Zahl der Aufträge ist gesunken, Kurzarbeit ist eine der Konsequenzen, die Quartalszahlen werden präsentiert. Daneben geht es um den Schmiergeldskandal - und dessen Altlasten sind es, die manche Kontrolleure in Rage bringen. Einer von ihnen schimpft, es sei "nur noch dreist, was diese Herren treiben".

Die einstigen Siemens-Topmanager weisen jede Schuld von sich. (Foto: Foto: ddp)

Gemeint sind die einstigen Konzernchefs Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld und weitere acht ehemalige Vorstände, die Schadenersatz zwischen einer Million und sechs Millionen Euro zahlen sollen, weil sie aus Sicht des Aufsichtsrats für den Skandal mitverantwortlich sind.

"Nicht akzeptabel"

Die einstigen Topmanager weisen jede Schuld von sich. Sie wollen nichts oder nur wenig zahlen, und einige von ihnen stellen offenbar jede Menge Bedingungen. So dürfe nicht davon die Rede sein, es habe früher ein "Korruptionssystem" bei Siemens gegeben. Solche Formulierungen seien "nicht akzeptabel", soll der Anwalt eines Ex-Vorstands vorgetragen haben, als Vertreter der zehn ehemaligen Konzernlenker mit Siemens-Emissären Ende April in München über einen Vergleich verhandelten. So steht es im Protokoll des Treffens.

Die von einem Siemens-Anwalt verfasste Niederschrift erweckt den Eindruck, dass die früheren Topmanager die Schadenersatzforderungen als Zumutung betrachten.

Der Konzern verletze die "Fürsorgepflicht" für die Ex-Vorstände, wird in diesem Protokoll der Anwalt des ehemaligen Personalchefs Jürgen Radomski zitiert. Für Radomski sei der verlangte Millionenbetrag eine "Stigmatisierung", und das nicht zuletzt deshalb, weil ihm nur Fahrlässigkeit vorgeworfen werde. Ob man die Forderung "sinnvollerweise auf ein Jahresgehalt beschränken" könne, fragte Radomskis Anwalt laut Protokoll. Der Anwalt des Ex- Personalchefs wollte sich auf Anfrage der SZ nicht dazu äußern.

Siemens hält den früheren Topmanagern vor, sie hätten in ihrer Amtszeit nicht genau genug hingeschaut, was im Unternehmen vor sich gehe. Dadurch seien die kriminellen Machenschaften möglich geworden. Der Konzern hatte - wie die Justiz inzwischen feststellte - weltweit Geschäftspartner und Regierungen systematisch bestochen, um lukrative Aufträge für Kraftwerke, Telefonanlagen und andere Projekte zu erhalten. Insgesamt flossen Milliardenbeträge.

Ein Ex-Vorstand, Thomas Ganswindt, hat längst zugegeben, von Schmiergeldzahlungen gewusst zu haben. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft. Einer seiner Anwälte sagt laut Protokoll des Treffens mit Siemens, Ganswindt sehe derzeit keine Basis, um über einen Vergleich zu reden.

"Lästigkeitswert der Ansprüche"

Die von Ganswindt verlangte Summe sei schon deshalb nicht akzeptabel, da sie sein "insgesamt in der Vorstandszeit bezogenes Nettogehalt weit übersteige". Auch könne es für Ganswindt "nur um den Lästigkeitswert der Ansprüche beziehungsweise das Hindernis für sein berufliches Fortkommen gehen", steht im Protokoll. Einer von Ganswindts Anwälten sagte dazu: "Wir haben mit Siemens Vertraulichkeit vereinbart und äußern uns deshalb dazu nicht". Ganswindt hatte dem Vorstand wenige Jahre angehört.

Laut Protokoll des Geheimtreffens verlangen die Anwälte der Ex-Vorstände auch, dass ihre Mandanten von möglichen Ansprüchen von Kunden und Lieferanten der Siemens AG "freigestellt" werden. Das hat einen konkreten Anlass. Einige Kunden des Konzerns behaupten, durch die Schmiergeldpraktiken geschädigt worden zu sein und wollen dafür einen Ausgleich haben. Das Risiko, hier zahlen zu müssen, soll also Siemens übernehmen. Die früheren Manager wollen auch hier geschont werden.

Einer der Anwälte der Ex-Vorstände rügte laut Niederschrift zudem, dass Siemens auf Ansprüche gegen jene Mitarbeiter verzichtet habe, die Schmiergeld gezahlt hatten. Dadurch falle der angebliche Schaden weiter höher aus, "als wenn diese Ansprüche konsequent verfolgt würden". Mit anderen Worten: Hätte Siemens die in das Korruptionssystem verstrickten Angestellten zur Kasse gebeten, müsste der Konzern von den Ex-Vorständen nicht so viel Geld verlangen.

© SZ vom 29.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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