Schmiergeldaffäre bei MAN:Der ruhige Schlaf des Håkan S.

MAN gibt sich in der Schmiergeldaffäre gnadenlos - und verlangt 237 Millionen Euro Schadenersatz von den Ex-Managern um Håkan Samuelsson. Doch die nehmen die Forderungen nicht ernst.

Klaus Ott

Håkan Samuelsson soll, wie zu hören ist, in den vergangenen sechs Monaten nicht schlechter geschlafen haben als in den Jahren zuvor, in denen er als Vorstandschef den Kurs des Fahrzeug-Konzerns MAN bestimmte. Der aus Schweden stammende Manager bewahrt in brenzligen Situationen die Ruhe. Und so hat ihn offenbar, von einer Schrecksekunde abgesehen, auch nicht das Schreiben aus der Fassung gebracht, das sein ehemaliger Arbeitgeber am 26. Juli 2010 an ihn verschickt hatte.

CEO of German conglomerate MAN AG Samuelsson speaks during the company's annual news conference in Munich

Håkan Samuelsson, früher Vorstandschef bei MAN, soll nach dem Willen seines ehemaligen Arbeitgebers 237 Millionen Euro zahlen.

(Foto: REUTERS)

MAN verlangt darin 237 Millionen Euro Schadensersatz für die Korruptionsaffäre, die den Hersteller von Lastwagen, Bussen und Industrieanlagen viel Geld gekostet hat. Samuelsson geht wohl davon aus, nichts oder allenfalls einen vergleichsweise kleinen Betrag zahlen zu müssen. Auch fünf andere ehemalige MAN-Verantwortliche, die gepfefferte Rechnungen bekommen haben, scheinen das so zu sehen.

Die früheren Vorstandsmitglieder des in München ansässigen Konzerns und zweier Tochterfirmen - der Nutzfahrzeuge AG und Turbo -, die gemeinsam für die 237 Millionen Euro haften sollen, plädieren allesamt auf "nicht schuldig". Und falls wider Erwarten doch Schadenersatz fällig sei, dann bei weitem nicht in dieser Größenordnung, heißt es aus dem Kreise der sechs ehemaligen MAN-Manager und ihrer Anwälte.

In diesem Kreis wird detailliert aufgelistet, was an der Rechnung des Fahrzeugkonzerns falsch sei: so gut wie alles. Das fängt schon beim größten Brocken an, den 150,6 Millionen Euro, die MAN an die Münchner Staatsanwaltschaft gezahlt hat. Die Ermittlungsbehörde hatte die Schmiergeldzahlungen aufgedeckt, mit denen bei MAN früher im In- und Ausland lukrative Aufträge akquiriert worden waren.

Das eigentliche Bußgeld betrug aber nur 600.000 Euro. Mit den restlichen 150 Millionen Euro schöpfte die Staatsanwaltschaft die aus ihrer Sicht durch die Korruption erzielten - also illegalen - Gewinne ab. Dass MAN solche Profite herausrücken müsse, sei doch kein Schadensfall, heißt es aus dem Umfeld von Samuelsson und seiner alten Kollegen.

"Genauso gut könnte sich ja sonst ein Dieb für den Fall versichern, dass ihm das Diebesgut wieder abgenommen wird, und dann Schadensersatz verlangen." Auch die nächste Position in der MAN-Rechnung wird nicht akzeptiert. Für falsch verbuchte Schmiergeldausgaben, die beim Fiskus zu Unrecht als Betriebskosten angegeben worden waren, hatte der Konzern Steuern nachzahlen müssen. Auch das, so die Argumentation, sei kein Schaden. Die Finanzbehörden hätten sich ja nur geholt, was ihnen zustehe.

Die Sorge des Samuelsson-Lagers

Bleiben als dritter großer Brocken noch die Kosten für die internen Untersuchungen, die MAN angestellt hatte, um die Aufklärung zu beschleunigen. Dutzende Anwälte durchleuchteten den Konzern, befragten Hunderte Mitarbeiter und präsentierten dem Aufsichtsrat erschreckende Erkenntnisse. Das vom österreichischen Auto-Industriellen und VW-Patriarchen Ferdinand Piëch geleitete Kontrollgremium trennte sich daraufhin von mehreren Vorstandsmitgliedern.

Die hatten es den Untersuchungsergebnissen zufolge jahrelang versäumt, genügend Vorkehrungen gegen schmutzige Geschäfte zu treffen. Die Ausgaben für die Aufklärung seien überhöht gewesen, wird im Umfeld der geschassten Manager nun erwidert. Nicht bei jeder Befragung eines Mitarbeiters hätten "vier teure Anwälte dabeisitzen müssen".

Doch MAN bleibt hart. Das Unternehmen erklärte am Montag, der heutige Vorstand und der Aufsichtsrat seien gesetzlich verpflichtet, die Interessen von MAN zu wahren und Schaden abzuwenden. Soweit es Forderungen gegen ehemalige Manager gebe, werde der Konzern "diese auch umfassend geltend machen".

Das letzte Wort haben dann die Aktionäre. Die entscheiden bei der Hauptversammlung 2012, ob sie eventuelle Vergleiche akzeptieren. Was aber ist, wenn die Versicherer nicht zahlen, bei denen MAN Policen für seine Manager abgeschlossen hat? Und wenn die Ex-Vorstände statt der verlangten 237 Millionen Euro nach dem Vergleich nur einige Millionen oder gar nur hunderttausend Euro Schadensersatz zahlen müssen?

Das waren die Tarife für Manager beim viel größeren Siemens-Schmiergeldskandal. Die MAN-Aktionäre könnten angesichts der bislang geltend gemachten Forderungen dann enttäuscht sein und Kompromisse ablehnen, wird im Lager von Samuelsson und seinen alten Kollegen befürchtet. Das ist offenbar die größte Sorge.

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