Schmiergeld-Affäre:Veruntreuung, Bestechung und Geldwäsche

Auch die neue Konzernführung des französischen Siemens-Konkurrenten Alstom könnte in Bestechungsvorwürfe verwickelt sein.

Michael Kläsgen

Der französische Industriekonzern und Siemens-Konkurrent Alstom wehrt sich gegen Vorwürfe, wonach er noch im Juni Schmiergeld gezahlt haben soll. Gegen das Wall Street Journal will Alstom deswegen Schritte wegen Rufschädigung einleiten. Die Zeitung hatte berichtet, der Konzern habe trotz laufender Ermittlungsverfahren und Berichten in der Presse noch in diesem Jahr Schmiergeld in Millionenhöhe gezahlt.

Insgesamt seien zwischen 2001 und 2008 mindestens 500 Millionen Dollar Bestechungsgelder geflossen. Die Zeitung stützt sich dabei offiziell auf Aussagen der Schweizer Bundesanwaltschaft. Deswegen will der Konzern zudem prüfen, wie er gegen die Kommunikationspolitik der Schweizer Justizbehörden vorgehen kann.

Razzia in der Schweiz

Im August hatten die Behörden auf ihrer Internetseite über eine Razzia in den Büros der Schweizer Tochter Alstom Prom AG in Baden bei Zürich und in Privatwohnungen ehemaliger Mitarbeiter, vor allem aber über eine Ausweitung der mutmaßlichen Bestechungsaffäre berichtet.

Außerdem sei ein ehemaliger führender Mitarbeiter festgenommen worden. Dabei handelt es sich um den inzwischen pensionierten Deutsch-Schweizer Bruno Kälin. Ihm werfen die Schweizer Behörden Veruntreuung, Bestechung und Geldwäsche vor. Er hatte bei Alstom verschiedene Posten inne, unter anderem war er Compliance Manager, also für die Bekämpfung von Korruption zuständig. Von 1999 bis 2001 führte er die Geschäfte der Schweizer Tochter Cegelec, über die Alstom "Kommissionszahlungen" abwickelte.

Bis Mai 2000 waren diese Kommissionen in Frankreich und der Schweiz (bis 1999 in Deutschland) nicht strafbar. Die Cegelec überwies das Schmiergeld auf Offshore-Konten des ebenfalls verdächtigten ehemaligen Schweizer Privatbankiers Oskar Holenweger. Von dort aus soll das Geld an Amtsträger in aller Welt gegangen sein, die Alstom Aufträge zuschanzten. Die Ermittler sollen die Zahlungen zwischen 1995 und 2001 weitgehend rekonstruiert haben.

Akteneinsicht für Alstom

Bruno Kälin, der von 2000 bis 2006 Mitglied der Geschäftsleitung der Alstom Prom war, ist eine der Schlüsselfiguren für die Ermittler. Und er könnte den derzeitigen Alstom-Chef Patrick Kron in Verlegenheit bringen. Kron leitet Alstom seit 2003 und tat die Korruptionsvorwürfe bislang als "alte Geschichten" ab. Alstom tritt in den Ermittlungen sogar als Nebenkläger auf, vordergründig, weil sich der Konzern geschädigt fühlt. Tatsächlich aber wohl, um Akteneinsicht zu bekommen.

Umso unangenehmer ist für Kron der neue Verdacht, Alstom könnte auch unter ihm Schmiergeld gezahlt haben. Alstom dementiert das zwar, aber der Konzern behauptet auch, vollständig mit den Behörden zu kooperieren. In der Schweiz bestätigt das die Bundesanwaltschaft nicht. Sie hält Kälin weiterhin fest. Er ist der Mann, der Alstom zu einem französischen Siemens machen könnte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: