Ausgesperrt:Wie man unseriöse Schlüsseldienste erkennt

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Einige Firmen fordern absurd hohe Preise für die Türöffnung und erfinden immer wieder neue Tricks zum Abkassieren. So können Sie sich davor schützen.

Von Berrit Gräber

Millionen Bürger haben es schon erlebt: Die Tür fällt zu, man hat sich ausgesperrt. Passiert das auch noch in der Nacht, ist der Schlamassel perfekt. Wer in der Aufregung den erstbesten Schlüsseldienst anruft, kriegt prompt den nächsten Schreck. Für die Soforthilfe bitten Firmen gern mit 400, 500 Euro zur Kasse. Sonntags, feiertags und nachts werden sogar bis zu 1900 Euro verlangt. "Anbieter nutzen die Notlage frech aus und fordern absurde Preise, das wird immer schlimmer", berichtet Michael Hummel, Jurist bei der Verbraucherzentrale Sachsen. Die neueste Masche: Die Ausgesperrten sollen auch noch attestieren, dass die Wucherrechnung in Ordnung geht. Nur wer die Tricks kennt, geht den Abkassier-Versuchen gar nicht erst auf den Leim. Geld zurückholen ist schwer.

Billiganbieter meiden

Wer googelt, sollte niemals einen Anbieter wählen, der mit Tiefpreisen wirbt. Der vermeintlich Billigste entpuppt sich häufig als extrem teuer. Am besten ist, ortsbekannte Schlosser um Hilfe zu bitten. Aber: Nicht von Ortsvorwahlen blenden lassen, denn dahinter steckt häufig nur ein Callcenter. Betroffene sollten immer fragen, welche Anfahrtskosten anfallen und wann der Monteur da sein kann. So vermeiden sie, dass sie den Auftrag an Serviceleute vergeben, die womöglich 100 Kilometer Anfahrt in Rechnung stellen. Die Notdienste müssen am Telefon Auskunft darüber geben. In München und Umgebung helfen neuerdings die Gelben Engel vom ADAC zum Preis ab 99 Euro. Der Autoclub hat einen eigenen Schlüsseldienst gegründet und will Ende Juli entscheiden, wie es nach der Testphase mit dem Service weitergeht.

Mit Zeugen telefonieren

Gauner locken im Internet gern mit Soforthilfe ab neun Euro. Am Ende verlangen sie Hunderte Euro, weil die Türöffnung angeblich kompliziert war. Oder weil ein neuer Schließzylinder eingebaut werden musste. Wer bei dem Telefonat jemanden aus der Familie oder einen Nachbarn mithören lässt, kann Absprachen im Streitfall beweisen. Er sollte genau schildern, was passiert ist und was gemacht werden soll. Ist die Tür zugefallen, braucht der Servicemann sie nur zu öffnen und nicht gleich das ganze Schloss auszuwechseln. Klemmt ein Sicherheitsschloss oder ist die Tür abgeschlossen, gehört auch das klar gesagt. So kann der Notdienst kalkulieren.

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Über Geld reden

Wer noch vor der Auftragsvergabe ausdrücklich nach den Kosten fragt, macht es richtig. Nicht über Geld zu sprechen, endet in der Regel mit bösen Überraschungen. Ratsam ist, nach einem verbindlichen Komplettpreis für die Hilfe in der Not zu fragen. Der Festpreis sollte schon die Anfahrtskosten enthalten. Aufgepasst: Spricht der Mann vom Schlüsseldienst etwa von pauschal acht oder neun Euro, bezieht sich das auf eine Viertelstunde. Dauert die Türöffnung länger als 15 Minuten, wird es deutlich teurer. Dann können für jede weitere angefangene Viertelstunde mindestens weitere 19 bis 20 Euro dazukommen. Wichtig: Legt sich der Notdienst auf eine Summe fest, kann der Monteur später nicht plötzlich mehr fordern. Der Kunde darf auf dem Festpreis beharren.

Preise kennen

An Sonn- und Feiertagen oder nachts dürfen Schlüsseldienste Zuschläge verlangen. An Werktagen, innerhalb der üblichen Arbeitszeiten, ist das nicht erlaubt. Will der Monteur in diesen Zeiten einen "Sofortzuschlag", einen "Bereitstellungszuschlag" oder "Spezialwerkzeugkosten" abrechnen, ist das laut Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main ( Az. 31 C 63/98-44) nicht zulässig. Zur Orientierung: Im bundesweiten Mittel bewegen sich die Preise tagsüber am Werktag um die 70 Euro, wie 2017 ein Marktcheck der Verbraucherzentralen ergab. Seriöse Firmen verlangen demnach selbst an Feiertagen im Durchschnitt nur etwa 116 Euro fürs einfache Türöffnen.

Wucherpreise ablehnen

Sind in der Region etwa 100 Euro für eine Türöffnung am Abend üblich, kann der Dienst durchaus 130 Euro als Preis vereinbaren. Verlangt er aber beispielsweise 200 Euro und noch mehr, handelt es sich bereits um Wucher - und die Kostenvereinbarung ist rechtlich unwirksam. Als Wucher gilt ein Preis dann, wenn das Doppelte oder Vielfache des normalen Preises verlangt und die Zwangslage ausgenutzt wird. Präsentieren Gaunerfirmen überhöhte Rechnungen von vielen Hundert Euro und mehr, muss der Kunde das nicht zahlen. Das sollte er auch klar mitteilen.

Nötigung ist strafbar

Niemand muss sofort an Ort und Stelle in bar zahlen oder über ein mobiles EC-Lesegerät. "Bloß nicht unter Druck setzen lassen", rät Hummel. Vorsicht: Manche Gauner halten den Daumen auf das Display des Kartenlesers und erschleichen sich auf diese betrügerische Weise überhöhte Beträge. Wer nicht genug Geld daheim hat, sollte sich auch nicht zwingen lassen, zum Geldautomaten zu gehen. Grundsätzlich gilt: Jeder Kunde hat das Recht, vom Monteur eine detaillierte Rechnung zu verlangen. Droht der Mann vom Schlüsseldienst, die Tür wieder zu verschließen, sollte der Kunde die Polizei unter Notruf 110 rufen. Nötigung ist strafbar.

Keine Rechnung unterschreiben

Die neueste Masche ist, den Ausgesperrten Rechnungen zu präsentieren. Wer unterschreibt, attestiert laut aufgedruckter AGB (Allgemeiner Geschäftsbedingungen), dass es sich bei der Türöffnung nicht um eine Notlage nach Paragraf 291 Strafgesetzbuch (StGB) gehandelt hat. "Offensichtlich möchte man sich hier einen Freifahrtschein für Wucherrechnungen dokumentieren lassen", warnt Hummel. "Solche Klauseln halten wir aber für unwirksam und rechtswidrig", so Hummel. Mit einer regulären Handwerkerrechnung habe das nichts zu tun.

Geld zurückholen

Zu viel Gezahltes notfalls vor Gericht zurückzuholen, sei schwer, betont Hummel. Aber manchmal klappt es doch, Gauner zur Rechenschaft zu ziehen. Das Landgericht Kleve verurteilte zwei Geschäftsführer 2018 unter anderem wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu mehreren Jahren Haft. Ein Jahr zuvor hatte ein Bürger vor dem Amtsgericht Lingen recht bekommen, der 308 Euro für die Türöffnung gezahlt hatte. Weil vorher nicht über die Kosten gesprochen wurde, schuldet der Kunde nur die ortsübliche Vergütung von rund 112 Euro, so die Richter ( Az. 4 C 529/16). Der Kläger bekam 196 Euro zurück. Außerdem musste der Schlüsseldienst die Anwaltskosten des Ausgesperrten zahlen.

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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