Schleppende Sanierung:Börsengang der Bahn verschoben

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Die Bundesregierung glaubt nicht mehr, dass die Bahn ihre Sanierungsziele rasch erreichen wird. Der Transportkonzern soll daher in dieser Legislaturperiode nicht mehr an die Börse gebracht werden. Als Termin zeichnet sich frühestens das Jahr 2007 ab.

Von Ulf Brychcy

(SZ vom 03.09.03) - Die rot-grüne Bundesregierung will in den kommenden drei Monaten über die Zukunft des Staatsunternehmens Deutsche Bahn (DB) entscheiden.

Mehrere Arbeitsgruppen, an denen neben den Ressorts Finanzen, Verkehr und Wirtschaft auch DB-Manager und externe Experten beteiligt sind, prüfen derzeit die wirtschaftlichen Perspektiven des Transportkonzerns und den Stand der Bahnreform. "Dabei geht es um viele Detailfragen", sagt ein Sprecher des federführenden Bundesverkehrsministeriums.

Der Zeitplan sieht vor, dass die Beratungen erst im November abgeschlossen sein werden. Doch bereits jetzt zeichnet sich ein wichtiges Ergebnis ab.

Europas größter Transportkonzern soll nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in dieser Legislaturperiode, die 2006 endet, nicht mehr an die Börse gebracht werden. Statt dessen läuft alles auf das Jahr 2007 oder sogar auf 2008 zu.

Rückschlag für Mehdorn

Für Bahnchef Hartmut Mehdorn ist dies ein Rückschlag. Der Vorstandsvorsitzende hatte wiederholt beim Eigentümer Bund dafür geworben, die DB Anfang 2005 an den Kapitalmarkt zu bringen.

Sein Plan sah vor, im ersten Schritt Anteile von bis zu 20 Prozent an institutionelle Anleger zu verkaufen. So sollte zusätzliches Kapital in Milliardenhöhe beschafft und eine größere Unabhängigkeit von der Politik erreicht werden.

"Dies mag der Wunsch von Herrn Mehdorn sein", sagt der Sprecher des Verkehrsministeriums. Die Entscheidung über einen Teilverkauf treffe jedoch allein der Eigentümer.

Image muss stimmen

In diesem Punkt haben Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe und Bundesfinanzminister Hans Eichel (beide SPD) nun eine gemeinsame Linie gefunden. Ein schneller Börsengang ist kein Thema mehr. Vielmehr sei entscheidend, dass die Geschäftszahlen und das Image der Bahn stimmten, verlautete aus dem Finanzministerium.

Damit spielen die Ministerialen auf die Pleite beim neuen Preissystem an, das der Deutschen Bahn im ersten Halbjahr wütende Kundenproteste und dramatische Umsatzeinbrüche im Personenfernverkehr beschert hat.

Ursprünglich hatte das Finanzministerium eine rasche Teilprivatisierung der Bahn favorisiert. Ein wesentlicher Teil der Erlöse sollte dann dem strapazierten Bundeshaushalt zugute kommen.

Meinungsumschwung

Die schleppende Sanierung der Bahn, anhaltende Verluste und gravierende Fehler des DB-Managements bei der Preisreform haben jedoch zu einem Meinungsumschwung geführt. "Wenn man Aktien an der Börse verkaufen will, dann müssen sie auch einen vernünftigen Kurs bringen", hieß es im Finanzministerium.

Offenbar wirkt in Eichels Ministerium noch der umstrittene dritte Börsengang der Deutschen Telekom nach. Viele Kleinaktionäre kauften damals zu hohen Preisen und zu Gunsten der Bundeskasse Telekom-Aktien und mussten bald hohe Kursverluste hinnehmen. Dies wurde dann der Bundesregierung und vor allem dem Finanzminister angelastet.

Eine weiteres Motiv für die gebremsten Börsenpläne dürfte der Bundestagswahlkampf im Jahr 2006 sein. Zum einen will es die rot-grüne Regierung vermeiden, die meisten der 250.000 Bahnbeschäftigten und ihre Angehörigen gegen sich aufzubringen, die einem Teilverkauf skeptisch gegenüber stehen.

Wahltaktik

Zum anderen muss der Bundesrat dem Börsengang der DB zustimmen. Die unionsdominierte Länderkammer würde diesen Schritt allein schon aus wahltaktischen Gründen öffentlichkeitswirksam blockieren, befürchtet die Regierung.

Zudem gibt es innerhalb der Koalition erhebliche Widerstände. So lehnen die Grünen eine Privatisierung des gesamten Bahnkonzerns strikt ab und verweisen auf den Koalitionsvertrag.

"Das Schienennetz gehört wie die Straßen zum Kernbereich der öffentlichen Infrastruktur und muss vollständig im Besitz des Staates bleiben", sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Albert Schmidt. Es drohten sonst weitreichende Streckenstilllegungen und Verhältnisse wie bei den englischen Eisenbahnen.

Die Bahngewerkschaft Transnet zeigte sich zufrieden mit den neuen Berliner Plänen. "Ein Börsengang im Jahr 2005 wäre völlig verfrüht", sagte Gewerkschaftschef Norbert Hansen.

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