Schlecker-Insolvenz:Geld darf nicht vor Strafe schützen

Schlecker-Prozess

Firmenpatriarch Anton Schlecker zu Beginn des Prozesses in Stuttgart. (Archivbild 20.03.2017)

(Foto: dpa)

Sollte sich Anton Schlecker widerrechtlich Millionen gesichert haben, wäre das kein Kavaliersdelikt. Da darf auch eine plötzliche Rückzahlung die Richter nicht gnädig stimmen.

Kommentar von Klaus Ott

Der Paragraf 46 des Strafgesetzbuches besagt, ein Gericht müsse im Falle einer Verurteilung die Umstände gegeneinander abwägen, "die für und gegen den Täter sprechen". Dabei komme es auch auf das Verhalten "nach der Tat" an, insbesondere auf das Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen. Wann aber ist "nach der Tat"? Unmittelbar danach? Oder erst Jahre später, nach langen Ermittlungen und kurz vor Ende eines Prozesses, der zu einer Gefängnisstrafe führen könnte?

Das sind Fragen, die sich gerade auch bei großen Wirtschaftsverfahren stellen; ganz aktuell im Fall Schlecker. Der einstige Patriarch Anton Schlecker, sein Sohn und seine Tochter stehen in Stuttgart vor Gericht, weil sie im Wissen um die bevorstehende Pleite ihres Drogerieimperiums Vermögen in Millionenhöhe verschoben haben sollen, zu Lasten der Gläubiger.

Jetzt versucht die Familie Schlecker, mit weiteren Zahlungen zusätzlich zu den vor Jahren zurückerstatteten zehn Millionen Euro, die Richter milde zu stimmen. Noch einmal vier Millionen Euro sind plötzlich da. Eine Überraschung ist das nicht. Es ist schon auffällig, wie lange Konzernvorstände, vermeintliche Top-Manager und andere Wirtschaftsgrößen bei Affären aller Art immer wieder brauchen, um Fehler, Versäumnisse oder gar Verstöße einzugestehen. Wenn sie das überhaupt tun. Airbus, Deutsche Bank, Formel 1, Siemens, VW: die Liste ist lang und ließe sich problemlos verlängern.

Oft müssen sich Staatsanwälte erst durch endloses Material wühlen, Gerichte mit harten Strafen drohen oder Vorstände ausgetauscht werden, ehe sich Unternehmen und ihre (einstigen) Chefs bequemen, Fehlverhalten zuzugeben. Echte Einsicht oder gar Reue sieht anders aus. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit handelt. Nur zugeben, was sich beim besten Willen nicht mehr abstreiten lässt. Nur zahlen, was notwendig ist, um Ruhe zu haben oder nicht ins Gefängnis zu müssen.

Airbus, Ecclestone, Siemens, Volkswagen

Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus beispielsweise hat in der Eurofighter-Affäre Jahre gebraucht, auch unter dem heutigen Chef Thomas Enders, um sich eine dürftige Erklärung abzuringen. Beim Verkauf des Kampfjets nach Österreich waren im vergangenen Jahrzehnt mindestens 90 Millionen Euro in stinkenden Kanälen versickert. Erst jetzt sagt Airbus, nach den heutigen Regeln im Konzern wäre das nicht mehr möglich. Mehr aber auch nicht.

Der damalige Formel-1-Chef Bernie Ecclestone hat sich in einem Verfahren um höchst dubiose Geldflüsse via Briefkastenfirmen an einen deutschen Bank-Manager schließlich mit 100 Millionen Dollar freigekauft. Der Banker, der heimlich 44 Millionen Dollar von Ecclestone kassiert hatte, gab erst am Ende eines langen Prozesses zu: Ja, er sei bestochen worden. Sonst wäre die Gefängnisstrafe noch härter ausgefallen.

Siemens brauchte erst einen fast kompletten neuen Vorstand und einen neuen Aufsichtsratschef, um in der Schmiergeldaffäre reinen Tisch zu machen. Die alte Konzernspitze um Heinrich von Pierer hatte ja von nichts gewusst. Auch bei der Deutschen Bank waren neue Leute nötig, um aufzuräumen. Dasselbe Trauerspiel bei Volkswagen: Angeblich hat niemand in der Chefetage von den fast ein Jahrzehnt währenden Abgasmanipulationen gewusst. Aber es wird vom Konzern auch niemand für sein angebliches Nicht-Wissen im eigenen Unternehmen und damit Versagen zur Rechenschaft gezogen. Es bedarf wohl, wieder einmal, hartnäckiger Staatsanwälte, die das ändern.

Die weitere Millionenzahlung kommt zu spät

Ermittler schießen manchmal auch über das Ziel hinaus. Aber angesichts so viel Uneinsichtigkeit und Starrsinn, wie er bei Wirtschaftsgrößen schon oft zu erleben war und immer wieder zu erleben ist, verwundert das nicht. Dass Strafverfolger vielleicht das eine oder andere Mal zu oft anklagen, hat sicher auch mit Misstrauen zu tun. Wer erlebt hat, was am Ende langer Verfahren alles an Geständnissen, Zahlungen und anderem mehr möglich ist, hält offenbar vieles für möglich. Wenn nicht gar alles.

Anton Schlecker ist nicht mit dem durchtriebenen Ecclestone oder abgezockten Konzernchefs vergleichbar. Der schwäbische Drogerie-Patriarch war eher ein biederer Kaufmann, der das absehbare Ende seiner altbackenen Drogeriekette nicht wahrhaben wollte. Sollte er sich aber mit seiner Familie widerrechtlich hohe Millionenwerte gesichert haben, während 25 000 Beschäftigten der Verlust des Arbeitsplatzes drohte, wäre das alles andere als ein Kavaliersdelikt. Sondern ein schweres Vergehen. Daran ändert auch die weitere Millionenzahlung nichts. Sie kommt spät, um ein mildes Urteil zu rechtfertigen.

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