Absturz am Aktienmarkt:Europas Rezession erreicht Deutschland

Es ist der schlechteste Börsen-Mai in der Geschichte des Dax. Diese Nachricht geht auch alle an, denen Börsenkurse sonst herzlich egal sind: Der Absturz zeigt, wie die Schuldenkrise das bisher resistente Wirtschaftswunder-Deutschland einholt.

Alexander Hagelüken

"Sell in May and go away", lautet einer dieser Börsensprüche. Seine Logik: Wer Anfang Mai seine Aktien verkauft, vermeidet die Kursverluste der oft flauen Sommermonate. Zumindest dieses Jahr hätte es sich gelohnt, der Empfehlung zu folgen. Zu besichtigen war der schlechteste Börsen-Mai in den 25 Jahren, seit der Deutsche Aktienindex Dax berechnet wird.

Deutsche Boerse

Die Euro-Schuldenkrise hat den Aktienindex Dax erstmals seit fünf Monaten zeitweise unter die Marke von 6000 Punkten gedrückt.

(Foto: dapd)

Diese Nachricht geht auch alle an, denen Börsenkurse sonst herzlich egal sind: Der Absturz zeigt, wie die Schuldenkrise das bisher resistente Wirtschaftswunder-Deutschland einholt - schneller als gedacht.

Es war eine Illusion zu glauben, die Bundesrepublik könne auf Dauer Konjunkturrekorde erleben, während links und rechts die Euro-Partner in die Knie gehen. Der Dax-Absturz zerstört diese Illusion, er bündelt die Skepsis über die wirtschaftliche Zukunft, den Mittelpunkt aller Geschäfte an den Börsen. Der schwarze Mai ist ein Warnruf an die Politiker, all die Unsicherheiten zu reduzieren, die Europas Arbeitnehmer und Firmen umtreiben.

Wer das ganze Bild sehen will, muss seinen Blick einen Moment über die Euro-Turbulenzen heben, mit denen auch diese Woche beginnt. Deutschland hängt nicht nur von Europa ab, sondern von der Weltwirtschaft. Ob die Arbeitslosigkeit so niedrig bleibt wie seit 20 Jahren nicht mehr, entscheiden neben den Käufern in Frankreich und Italien längst die aus China und Brasilien.

Aus den Schwellenländern aber kommen schlechte Nachrichten: Der Boom flaut ab, in Asien wie in Südamerika. Indiens Wirtschaft etwa wächst so langsam wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Das Exportland Deutschland treffen diese Entwicklungen besonders, ohne dass die Bundesregierung großen Einfluss auf die Politik in den Schwellenländern hätte.

Was passiert nach den griechischen Wahlen?

Wenn der Export wankt, können eine Rezession nur die heimischen Verbraucher und Unternehmen verhindern. Da gab es zuletzt ermutigende Tendenzen. Da sich die Beschäftigungssituation deutlich verbessert hat, kaufen die Deutschen mehr. Die jüngsten Tarifabschlüsse haben die Arbeitnehmer endlich mehr an den Gewinnen des Aufschwungs beteiligt, was zusätzliche Impulse für die Konjunktur verspricht, also Jobs sichert. Der springende Punkt ist allerdings: Unsichere Arbeitnehmer konsumieren ebenso zögerlich, wie unsichere Manager investieren. Womit doch die Rede von den Euro-Turbulenzen sein muss.

Solange ein Euro-Austritt Griechenlands möglich erscheint, halten sich Verbraucher und Unternehmen naturgemäß zurück. Es ist kein Zufall, dass der Kursrutsch an den Weltbörsen am Tag nach den griechischen Wahlen begann. Es sind dies Wochen der Entscheidung. Der Bundesregierung und ihren Euro-Partnern bleibt im Fall Griechenlands allerdings keine große Wahl: Falls eine neue linksradikale Regierung die Sparzusagen aufkündigt, muss die Gemeinschaft die Finanzierung des Landes stoppen. Die Signalwirkung auf andere Schuldenstaaten, dass sie sich auch nicht mehr anstrengen müssen, wäre verheerender selbst als die immensen Kosten eines griechischen Euro-Ausstiegs.

Im anderen aktuellen Problemfall ist eine schnelle Lösung nötig: Spanien braucht Geld für seine maroden Banken, auch internationales - aber nicht ohne europäischen Einfluss darauf, wie diese Geldhäuser saniert werden. Auf einer allgemeineren Ebene muss die Bundesregierung sich erweichen lassen und mithelfen, Wachstum in den angeschlagenen Euro-Staaten zu finanzieren. Sonst fehlt Ländern wie Italien, Spanien oder Portugal nach ihren Reformen die Perspektive - und die politische Kraft, weitere Reformen durchzusetzen.

Die Bundesregierung kann einiges dazu beitragen, die Gefahren für deutsche Konjunktur und Arbeitsplätze zu reduzieren: Wenn sie einsieht, dass Wirtschaftspolitik heute nicht mehr nur innerhalb der eigenen Staatsgrenzen stattfinden kann.

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