Schlechte Löhne der Spargelbauer:Polnische Erntehelfer werden wählerisch

Den deutschen Spargelbauern gehen inzwischen nicht nur die einheimischen Erntehelfer aus: Weil polnische Saisonkräfte hier schlechter dotiert werden als etwa in Skandinavien kehren sie Deutschland den Rücken.

Geht es nach Jürgen Jakobs, kann die Spargelernte losgehen: Für das Wochenende ist schönes Wetter angekündigt, und auch die polnischen Erntehelfer sollten bald im brandenburgischen Beelitz eintreffen.

300 an der Zahl beschäftigen der 41-Jährige und sein Bruder auf dem gemeinsam bewirtschafteten Hof jedes Jahr. Sie zu engagieren war dieses Mal aber gar nicht so einfach: "Viele haben abgesagt, weil sie andere, attraktivere Angebote bekommen haben", sagt Jakobs.

Grund für die Absagen der polnischen Saisonkräfte seien geringere Löhne etwa im Vergleich zu Skandinavien, so der Spargelbauer, da könne er mit vier bis sechs Euro die Stunde einfach nicht mithalten.

Bessere Arbeitsbedingungen im Ausland

Insgesamt habe das europäische Ausland bessere Arbeitsbedingungen zu bieten, sagt Harald Büge, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit im niedersächsischen Nienburg.

Zum einen würden für vergleichbare Tätigkeiten etwa in Großbritannien oder den Benelux-Staaten höhere Löhne gezahlt. Zum anderen unterlägen Tätigkeiten hierzulande teilweise der polnischen Sozialversicherung, so dass die Beiträge den Lohn der Erntehelfer zusätzlich schmälerten.

"Entsprechende Regelungen gibt es in einigen anderen europäischen Ländern nicht - oder sie werden dort nicht so angewandt", hat Büge beobachtet. "Da nimmt ein Großteil eine etwas weitere Anreise in Kauf."

Intensiver Kontakt mit polnischen Helfern

Das mache sich auch in der Region Nienburg bemerkbar: Jede fünfte angeforderte ausländische Saisonarbeitskraft sei dort 2006 nicht zur Spargelernte erschienen. "Die Landwirte haben deshalb intensiveren Kontakt mit ihren polnischen Arbeitskräften aufgenommen, um auch abzuklären, dass die tatsächlich zu Saisonbeginn auch erscheinen", sagt Büge.

Im Vergleich zu den von der Bundesagentur für Arbeit vermittelten inländischen Erntehelfern noch eine gute Quote - von bundesweit knapp 8000 trat nur jeder Dritte überhaupt seine Arbeit an. Nur rund die Hälfte der dann eingesetzten Erntearbeiter habe bis zum Ende durchgehalten.

"Es fehlte an der Motivation", sagt Anke Friedrich vom Referat für Agrarsozialpolitik des Deutschen Bauernverbandes. In Einzelfällen hätten aus diesem Grund Flächen nicht abgeerntet werden können.

Bei der schlechten Quote sei zu berücksichtigen, dass der Bauernverband auf Freiwilligkeit Wert lege: "Die Bundesagentur hat für dieses Jahr auch zugesagt, auf Freiwilligkeit zu setzen", so Friedrich zu sueddeutsche.de.

Polnische Erntehelfer werden wählerisch

Dennoch fürchteten viele Arbeitslose Sanktionen durch die Bundesagentur, weswegen sie wohl zunächst die Teilnahme an der Ernte zusicherten, wenn es dann ernst werde, aber nicht teilnähmen, so Friedrich weiter.

Der Begriff "Freiwilligkeit" ist also ein dehnbarer Begriff, weswegen die Befürchtungen der Arbeitslosen wohl auch nicht ganz unbegründet sein dürften. Denn die Arbeitsagenturen müssen ihre Strafen für Arbeitslose, die zur Erntearbeit nicht antreten oder sie abbrechen, auf Anordnung von oben in dieser Saison deutlich verschärfen. Dies geht aus einer Weisung der Bundesagentur für Arbeit an die Arbeitsagenturen hervor, die sueddeutsche.de vorliegt.

Künftig Strafen

Demnach sollen künftig Strafen verhängt werden, wenn Arbeitslose zum Ernteeinsatz "nicht erscheinen, ein zugesagtes Arbeitsangebot nicht aufnehmen oder die Arbeit ohne wichtigen Grund abbrechen". Hartz-IV-Empfänger müssten dann mit einer Kürzung ihrer Unterstützung um 30 Prozent rechnen.

Dem bisher favorisierten Prinzip der Freiwilligkeit widerspricht wohl auch, dass Arbeitslose, die die Erntearbeit von vornherein ablehnen, nun eine Trainingsmaßnahme oder einen Ein-Euro-Job antreten sollen.

"Bei den Bewerbern, bei denen es aufgrund fehlender Motivation/Neigung zu keinem Arbeitsangebot kommen kann, sind leistungsrechtliche Konsequenzen anderweitig zu prüfen", heißt es in der Weisung der Zentrale an die Arbeitsagenturen.

Unsicherheit für die Bauern

Das Hickhack um den Einsatz arbeitsloser Erntehelfer bedeutet für die betroffenen Bauern vor allem eins: Unsicherheit, ob die Ernte eingeholt werden kann.

Inzwischen werde daher "mit Maschinen geerntet, wo es nur geht, um diesen Unsicherheitsfaktor auszuschließen". Bei Apfelernte und Weinlese sei dies wohl eher möglich - beim Spargel bleibe es wohl eher bei der Handarbeit, sagt Anke Friedrich vom Bauernverband.

Zwar liegt die Zahl erteilter Arbeitserlaubnisse für ausländische Saisonkräfte bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) in etwa auf Vorjahresniveau, das bedeutet etwa 100.000 bis Ende März. Dies könne sich im Verlauf der Ernte aber noch ändern.

Umworben

Die Ausländer, in Deutschland aus der Not heraus angeheuert, werden in anderen Ländern umworben. Nicht nur in Großbritannien und den anderen Ländern, wo etwa Polen bereits Freizügigkeit genießen, sondern auch in Frankreich.

Deutsche dürften den möglicherweise drohenden Erntehelfer-Mangel jedenfalls kaum ausgleichen. Zwar will die Bundesregierung den Anteil der deutschen Erntehelfer auf bis zu 20 Prozent steigern.

Doch nur wenige Deutsche sind dazu bereit. Viele scheuten die "Knochenarbeit" auf dem Feld oder seien körperlich nicht dafür geeignet, sagt Jobvermittlerin Daniela Rangnick im niedersächsischen Uelzen. Daran dürfte sich in Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs nicht so schnell etwas ändern.

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