Schlechte Haftverhältnisse in Italien:Wagenknecht will Börsen-Spekulant Homm helfen

Er sitzt im "Vorzimmer der Hölle": Der frühere Börsen-Spekulant Florian Homm leidet an multipler Sklerose und sitzt in Italien wegen eines Auslieferungsantrags der USA im Gefängnis. Nun setzt sich die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht für ihn ein. Homm bedankt sich mit klaren Worten.

Der frühere Börsen-Spekulant Florian Homm, 54, hat sich in einem Brief an die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht über die Umstände seiner Haft in Italien beklagt und gleichzeitig für die Unterstützung der Bundestagsabgeordneten bedankt. Homm sitzt in Pisa wegen eines Auslieferungsersuchens der USA im Gefängnis. Der einstige Hedge-Fonds-Manager schreibt von einem "Vorzimmer der Hölle" und einer "lebensbedrohlichen Lage" für ihn.

Homm leidet an multipler Sklerose (MS) und lebt mit anderen schwer kranken Häftlingen in einem Raum. Hepatitis-Infektionen, wie sie auf solchen Stationen häufiger vorkommen, können bei MS-Patienten zu schlimmen Komplikationen führen. Ungünstige Umstände können den Verlauf dieser unheilbaren Nervenkrankheit stark beeinflussen. Homms Zustand, das zeigen mehrere Gutachten, hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch verschlimmert. Er hatte zwei Krankheitsschübe im Gefängnis und kann nur schwer gehen.

"Die Verschlechterung seines Zustandes schreitet sichtbar voran" hat sein Münchner Anwalt Jan Olaf Leisner nach einem Besuch in Pisa notiert. Sachverständige, die von seinem italienischen Anwalt eingeschaltet wurden, halten Homm nicht mehr für haftfähig. Am Donnerstag befasst sich der Corte di Cassazione in Florenz, ein Berufungsgericht, mit Homms Antrag auf Verlegung in ein für MS-Patienten geeignetes Krankenhaus.

Wagenknecht bittet um Berichterstattung

Wagenknecht hat sich bei der Bundesregierung für den einstigen Spekulanten eingesetzt und die deutsche Botschaft in Rom gebeten, über die konsularische Betreuung des Häftlings Bericht zu erstatten. Homm müsse sich vor der Justiz verantworten, aber wenn er haftunfähig sei, müsse er das Gefängnis verlassen dürfen, sagt Wagenknecht. Dafür hat sich Homm in seinem Schreiben an die Linken-Politikerin bedankt. Ihn habe es "fast vom Stuhl gehauen", als er davon gehört habe. In den vergangenen acht Monaten habe er zwischen "nacktem Überleben, Selbstmordgedanken sowie Hoffnung geschwankt".

Obwohl es einige fundamentale Kernunterschiede bei gewissen Wirtschaftsthemen gebe, solle Deutschland froh sein, dass es die Linke gibt, schrieb Homm an Wagenknecht. "Wer setzt sich denn sonst für die Belange der steigenden Anzahl der links (oder rechts) Liegengelassenen ein? Wer sonst macht denn nicht angepasste, kaum differenzierbare Opposition? Wer sonst hält uns davon ab, zu reinen Werksklaven und idiotisierten, konsumgeilen, seelenlosen, globalisierten Automaten zu mutieren?" Vielleicht könne er, Homm, eines Tages auch etwas für Wagenknechts Partei Die Linke tun.

Westerwelle hält sich lieber raus

In einer Anklage aus den USA wird Homm Wertpapierbetrug, Überweisungsbetrug sowie die Verabredung zu diesen Delikten vorgeworfen. Er soll Anleger um 200 Millionen Euro geprellt haben. Homm bestreitet die Vorwürfe. Sein Anwalt Leisner hat im November Außenminister Guido Westerwelle (FDP) gebeten, "alle möglichen Schritte einzuleiten, um eine Verbesserung der Situation für Homm zu erreichen". Der Ex-Spekulant soll früher gute Kontakte zu FDP-Politikern gehabt haben. In Homms Freundeskreis heißt es, Westerwelle wolle sich nicht angreifbar machen und halte sich deshalb zurück.

Homms Anwalt Leisner schrieb Westerwelle, "mir ist bewusst, dass jeglicher Versuch einer Einflussnahme auf das italienische Auslieferungsverfahren oder das amerikanische Ermittlungsverfahren sich verbietet". Das Auswärtige Amt antwortete, die Botschaft in Rom haben sich im Rahmen ihrer "konsularischen Fürsorgepflicht" beim italienischen Außenministerium für eine angemessene medizinische Behandlung von Homm eingesetzt. Das Amt bat um Verständnis, dass die Bundesregierung auf "Entscheidungen der unabhängigen italienischen Justiz" keinen Einfluss nehmen könne. Das gelte auch für "Homms Antrag auf Verlegung in eine Spezialklinik bzw. Entlassung in den Hausarrest".

Den vollständigen Artikel finden Sie in der Süddeutschen Zeitung vom Mittwoch, 11.12.2013.

Homms Brief an Wagenknecht im Wortlaut: "Im Vorzimmer der Hölle"

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

mich hat es fast vom Stuhl gehauen, wie ich gehört habe, dass Sie bereit wären, sich für mich in dieser tatsächlichen lebensbedrohlichen Lage einzusetzen. In den letzten 8 Monaten habe ich zwischen nacktem Überleben, Selbstmordgedanken sowie Hoffnung geschwankt. Vielleicht unterhalten wir uns eines Tages darüber. Obwohl es einige fundamentale Kernunterschiede bei gewissen Wirtschaftsthemen gibt, sollte Deutschland froh sein, dass es die Linke gibt. Wer setzt sich denn sonst für die Belange der steigenden Anzahl der links (oder rechts) Liegengelassenen ein? Wer sonst macht denn nicht angepasste, kaum differenzierbare Opposition? Wer sonst hält uns davon ab, zu reinen Werksklaven und idiotisierten, konsumgeilen, seelenlosen, globalisierten Automaten zu mutieren? Als Mitglied des Abschaums (oder der Schande) unserer Gesellschaft möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken. Als Mensch bin ich bewegt. Danke.

Vielleicht kann ich eines Tages auch etwas für Sie oder Ihre Partei/Ihre Bewegung tun. Ich war wirklich über 2 Jahrzehnte Kabinettsmitglied Mammons. Mein Verständnis wirtschaftlicher, globaler Zusammenhänge ist nicht oberflächlich. Beim Thema Kapital und wie man es für Chancengleichheit, Beschäftigung und als wirklichen Antriebsmotor einsetzt, habe ich weitaus mehr Ahnung, als einem "Raider" zugetraut wird. Das ist halt größtenteils Sensationsgetrampel in den Medien. Meine Denke ist unorthodox, aber nicht immer konfus und somit teilweise kreativ und nützlich. Über die eklatanten Rechtsverstöße, die zu meiner Verhaftung (fehlen Worte, die Red.), über die brutalen und schlechten Umstände, mit denen ich leben muss, können meine Vertrauten Sie besser und neutraler informieren. Gehen Sie 100-prozentig davon aus, dass ich mich für menschliche, seelische, spirituelle Themen einsetze und nicht das geringste Interesse habe, in die Weltwirtschaft oder ins Finanzgeschäft zurückzukehren. Falls es mir gelingen sollte, wieder freien Fuß zu fassen, dann war diese Zeit im Vorzimmer der Hölle meine beste und wichtigste Lebenserfahrung. Grüßen Sie bitte Herrn Lafontaine von mir. Ich verbleibe somit positiv perplex und mit vorzüglicher Hochachtung.

Ihr Florian Homm

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