Schifffahrt:Boot in Not

Treidelschiff auf dem Alten Kanal Ludwig Donau Main Kanal 19 und 20 Jhd Sonnenstern Schwarzen

Treidelschiff auf dem Ludwig-Donau-Main-Kanal bei Schwarzenbach in Mittelfranken: Viele Binnenschiffe haben eine lange Lebenszeit, weil sie im Süßwasser unterwegs sind.

(Foto: Helmut Meyer zur Capellen/imago)

Wer als Binnenschiffer in Rente geht, steht vor einer kniffligen Frage: Wohin mit meinem Kahn? Im besten Fall abwracken und damit die Rente aufbessern. Doch das ist nicht mehr so einfach.

Von Max Müller, Berlin

Helmut Hoffmann ist nicht sauer, er ist zornig. "Ich fühle mich gedemütigt", sagt er. 52 Jahre lang war er Binnenschiffer, das Schiff hat er von seinen Eltern übernommen. Anfang des Jahres ist er in Rente gegangen. Eigentlich wollte er sein Schiff abwracken und sich so die Rente aufbessern. "Früher hat man fünfstellige Beträge bekommen, heute muss ich 25 000 Euro draufzahlen", sagt Hoffmann.

Eine Schiffsabwrackung ist eine knifflige Aufgabe. Denn bevor das Schiff zerlegt werden kann, muss es dekontaminiert werden. "Viele Schiffer achten darauf, dass ihre Schiffe sauber sind. Dennoch sammeln sich in einigen Maschinenräumen über Jahrzehnte viel Altöl und andere Gefahrenstoffe, unter anderem Asbest", sagt Ragnar Schwefel vom Verband für Schiffsbau und Meerestechnik. "Den ganzen Schmodder zu entfernen, kostet viel Geld, der Aufwand ist gigantisch." Das mache das Geschäft unrentabel. In der Branche wird über zu strenge Umweltauflagen geklagt.

Eigentlich soll die Binnenschifffahrt klimafreundlicher werden und den Gütertransport in den nächsten Jahren mit Elektro-Antrieben und Brennstoffzellen grüner machen. "Die Binnenschifffahrt muss dringend sauberer werden und ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten", sagt Claudia Müller, Bundestagsabgeordnete der Grünen. Doch die Frage bleibt: Wohin mit den Altschiffen? Nach Angaben der zuständigen Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt sind seit 2017 insgesamt 70 Binnenschiffe mit dem Ziel des Recyclings außer Dienst gestellt worden. Viele Partikuliere, so heißen die Besitzer eines Binnenschiffes, haben ihre Schiffe in die Niederlande gefahren, wo es noch eine Handvoll Abwrack-Werften gibt.

"Die Holländer nehmen viele Schiffe nicht mehr an, weil sie so verschmutzt sind."

"Ich hätte mein Schiff auch gerne dorthin gebracht", sagt Hoffmann. Doch seit einiger Zeit ist das nicht mehr so leicht. "Die Holländer nehmen viele Schiffe nicht mehr an, weil sie so verschmutzt sind." Das macht die Dekontamination aufwendig. Für Hoffmann begann eine monatelange Suche. In Deutschland fand er eine Werft in Hamburg, die allerdings kurz darauf schließen musste. Das Umweltamt Hamburg habe ihm empfohlen, das Schiff in Norwegen abzuwracken. "Wie soll ich denn ein Binnenschiff nach Norwegen bringen?", fragt er wütend.

Das Schiff einfach liegen lassen? Keine Option, zumindest nicht für Hoffmann. "Zwischen Duisburg und Berlin liegen locker 20 Schiffe, die nicht abgewrackt werden - ist ja billiger", sagt er.

Olaf Evers hat früher Schiffe recycelt, für die Firma DA-Schiffsverwertung, eine der letzten echten Abwrackwerften in Deutschland. 2017 hat das Unternehmen dichtgemacht. Bedarf gibt es weiterhin. "Ich kriege immer noch viele Anfragen", sagt er. Wie viele Werften in Deutschland noch Schiffe abwracken, weiß keiner so genau. Die Bundesregierung geht von einer Werft aus, die neben Reparatur und Neubau auch noch abwrackt. Auf der Liste der Europäischen Union mit Anlagen für ein sicheres und umweltgerechtes Recycling von Seeschiffen ist keine deutsche Werft gelistet. Früher, als die behördlichen Auflagen weniger streng waren, gab es noch rund 15 Abwrackwerften in Deutschland. "Wir brauchen auch in Deutschland Werften, welche die Rohstoffe recyceln können", fordert Politikerin Müller.

Doch wohin mit den alten Schiffen? Während die Abwrackwerften schwinden, wird das Problem in den nächsten Jahren noch drängender. Denn die meisten Binnenschiffe sind mehr als 70 Jahre alt, und auch viele Partikuliere werden aufhören. Die Branche hat ein Nachwuchsproblem.

"Die Hälfte meiner Altersvorsorge ist weg."

Viele Binnenschiffe werden noch lange fahrtüchtig sein, denn "ein Binnenschiff ist grundsätzlich nicht kaputtzukriegen", sagt Schwefel. Das Süßwasser greift den Stahl nicht so stark an wie Salzwasser. Seeschiffe, die dem Salzwasser ausgesetzt sind, sind noch schwieriger abzuwracken. Ihre Besitzer greifen zum sogenannten "Beaching". Die Schiffe legen an einem Strand an, bevorzugt in Südasien, wo sie von Einheimischen meist unter Missachtung aller Sicherheits- und Umweltstandards auseinandergenommen werden.

So weit musste es bei Helmut Hoffmanns Schiff nicht kommen. Als er schon nicht mehr daran glaubte, fand er doch noch eine Werft in Berlin. So konnte sein Schiff zerlegt werden, doch den erhofften Schnitt konnte Hoffmann damit nicht machen: "Die Hälfte meiner Altersvorsorge ist weg."

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