Süddeutsche Zeitung

Schifffahrt:Mehr Strom auf dem Wasser

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Die Binnenschifffahrt nutzt wenig Elektro-Antriebe. Bis zum Ende der Dieselmotoren ist es noch weit. Hohe Investitionen können sich viele Eigner nicht leisten.

Von Valentin Dornis, Düsseldorf

Die Rheinpromenade in Düsseldorf wäre ein schöner Ort, um bei einem entspannten Spaziergang die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings zu genießen. Doch der Rhein ist eine Autobahn: Ständig dröhnen schwere Dieselmotoren, mit denen sich die Frachtschiffe den Fluss hinaufquälen. In den Büros und Wohnungen rundherum ist der Bass der Motoren sogar durch geschlossene Fenster zu spüren.

Die Binnenschifffahrt ist in Deutschland ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Doch Verkehr auf dem Wasser verursacht auch eine Menge Emissionen, vor allem Stickoxide und Rußpartikel. Reine Elektroantriebe könnten die Schifffahrt sauberer, leiser und damit umweltfreundlicher machen. Die ersten alltagstauglichen Modelle zeigen, wie sich die Branche verändert - und wie deutsche Unternehmen davon profitieren könnten

Dabei geht es nicht nur um Tanker und Frachter, sondern auch um Ausflugsboote, Flusskreuzfahrtschiffe und Fähren. Nach Angaben des Bundesverbandes der Binnenschifffahrt in Duisburg sind etwa 3500 gewerbliche Binnenschiffe auf deutschen Gewässern unterwegs. Wie viele davon Elektroschiffe sind, ist nicht bekannt. Andere Länder sind bei diesem Thema deutlich weiter, Norwegen zum Beispiel. Die Skandinavier versuchen seit Jahren, sich als Vorreiter bei der Elektromobilität zu positionieren. Das Land, das mit dem Öl viel Geld verdient, investiert einen Teil dieses Geldes in grüne Technologie.

Zum Beispiel, indem es alternative Antriebe fördert - bei Elektroautos, aber auch bei Schiffen. In Norwegen verbinden Fähren die Städte und Dörfer entlang der Küste miteinander, sie tuckern meist mit Verbrennermotoren durch die Fjorde. Doch seit 2015 gibt es Konkurrenz. Die Autofähre Ampere fährt 34-mal am Tag zwischen den Ortschaften Oppedahl und Lavik hin und her, und das mit einem reinen Elektroantrieb. Betreiber ist das Fährunternehmen Norled, an Bord ist Technik von Siemens verbaut.

Siemens stieg früh in das Geschäft ein und lieferte die Technik für mehrere Fähren in Skandinavien

In Skandinavien hat sich der Konzern früh in die Verkehrswende eingeklinkt. Inzwischen fahren in Norwegen und Finnland mehrere elektrisch betriebene Fähren mit Siemens-Technik. Ingenieur Odd Moen glaubt: "Der gesamte Transportsektor kann elektrifiziert werden." Dafür müsse es aber ausreichend Anreize geben, und möglichst viele Anbieter, die den Umstieg wagen: "Prototypen sind immer teuer. Wenn sich die Mengen erhöhen, wird es erschwinglicher." Siemens investierte deshalb etwa zehn Millionen Euro in eine automatisierte Fabrik in Trondheim, die von Mai an Batterien für den Schiffsbetrieb herstellen soll.

Die Technik für möglichst viele Schiffsbetreiber attraktiv und wirtschaftlich effizient zu machen, ist immer noch eine Herausforderung. Die Batterien sind dabei der wichtigste Aspekt. Die norwegische Ampere-Fähre nutzt einen Trick: Sie wird im Hafen an einen großen Batterieblock angeschlossen, um möglichst schnell möglichst viel Strom an Bord zu speichern. Wenn sie wieder unterwegs ist, wird dieser Batterieblock im Hafen schon einmal langsam vorgeladen. Würde man das Schiff zum Schnellladen direkt ans öffentliche Stromnetz anschließen, würden in den Häusern rundherum die Lichter ausgehen. Diese Technik ist momentan allerdings sehr teuer, schließlich muss der Betreiber zusätzlich zu der Batterie an Bord auch noch die für den Hafen kaufen.

Aber auch ohne solche Zwischenladestationen müssen Betreiber viel Geld in die Hand nehmen: "Batterien sind ein völlig neuer Kostenfaktor in der Schifffahrt", sagt Wissenschaftler Benjamin Friedhoff. Er forscht am DST Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme in Duisburg zu alternativen Antrieben. "Bisher konnte man die Kosten für den Tank vernachlässigen. Bei einem Elektroschiff wird die Batterie plötzlich das teuerste Bauteil." Ein Rechenbeispiel: Bei einem Binnenschiff, das für längere Strecken eine Batterie mit einer Kapazität von 2500 Kilowattstunden benötige, müsse der Betreiber etwa 750 000 Euro einplanen, wenn man von einem moderaten Batteriepreis von 300 Euro pro Kilowattstunde ausgehe. "Damit kann die Batterie so viel kosten wie das gesamte restliche Schiff."

Batterien sind teuer. Viele setzen daher vorerst auf Hybridlösungen

Hinzu komme die Energiedichte: Sie beschreibt, wie viel Energie eine Batterie im Verhältnis zu ihrer Größe und ihrem Gewicht speichern kann. Viele derzeit verfügbaren Modelle seien zu groß und zu schwer, um sinnvoll genutzt werden zu können. Friedhoff glaubt deshalb, dass Brückentechnologien helfen werden, elektrische Antriebe zu etablieren: Bei Hybridschiffen liefern kleinere Batterien genug Strom, um im Hafen und an Anlegestellen geräuschlos und ohne Emissionen zu fahren. Oder die Dieselmotoren werden mit Generatoren dazu eingesetzt, Strom zu erzeugen, der das Schiff dann antreibt. So können die Motoren auf langen Strecken dauerhaft mit der optimalen Belastung laufen, was Kraftstoff spart. Solche Technik sei wichtig, weil ein Binnenschiff im Durchschnitt 45 Jahre lang genutzt werden könne - viele Betreiber würden deshalb vor einer teuren Komplettumrüstung oder gar einem neuen Schiff zurückschrecken.

"Auf einen reinen Elektroantrieb umzustellen, ist eine weitreichende Entscheidung", sagt auch Christoph Witte. Er sitzt im Fachausschuss für Personenschifffahrt des Binnenschiff-Bundesverbandes und ist Geschäftsführer der Bodensee-Schiffsbetriebe. Zwar habe die Technik in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Momentan sei sie aber eher für kleinere und mittlere Schiffe sinnvoll, die viel manövrieren müssten, sagt Witte. Also zum Beispiel Autofähren und Personenschiffe. Und: "Es muss sich wirtschaftlich lohnen, auch wenn man die Infrastruktur zum Laden und die Lebensdauer der Akkus einberechnet."

Denn gerade auf Seen gibt es häufig nur ein Schifffahrtsunternehmen, das die kompletten Ladestationen finanzieren müsse. Sein Unternehmen, die Bodensee-Schiffsbetriebe, investieren deshalb vorerst in Hybridlösungen, wenn sie Schiffe umrüsten. Bis zu 20 Prozent Kraftstoff könnte man schon mit solchen Antrieben sparen, sagt Witte. Deshalb könne man auch damit schon etwas für den Umweltschutz tun: "Wir fahren am Bodensee schließlich durch das größte Trinkwasserreservoir Deutschlands." Auf einigen anderen Seen sind auch reine Elektroschiffe schon üblich: Zum Beispiel auf dem bayerischen Königssee, wo Touristen die Natur ohne tuckernde Bootsmotoren genießen können.

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Quelle:
SZ vom 20.03.2018
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