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Schifffahrt - Hamburg:Hafenwirtschaft fordert rasche Lösung des Schlickproblems

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Hamburg (dpa) - Die Hamburger Hafenwirtschaft und der Hafenlogistiker HHLA haben angesichts der drohenden mehrjährigen Einschränkungen für Großcontainerschiffe auf der Elbe rasche Lösungen gefordert. Es sei dringend erforderlich, "dass der Bund kurzfristig umsetzbare und unbürokratische Lösungen findet und Maßnahmen ergreift, um die Soll-Wassertiefen auf der Bundeswasserstraße Elbe wieder herzustellen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg, Norman Zurke, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Ein HHLA-Sprecher betonte: "Als Betroffene erwarten wir, dass insbesondere der Bund seinen Verpflichtungen hinsichtlich der zugesagten Fahrrinnentiefen nachkommt."

Die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes hatte Anfang des Monats wegen der großen Schlickmengen entschieden, die schiffbare Wassertiefe der Tideelbe vom 1. Dezember an zunächst bis zum 30. November 2023 um einen Meter einzuschränken.

Behördenpräsident Hans-Heinrich Witte erklärte am Donnerstag in einer Mitteilung die Gründe für die aktuelle Situation an der Tideelbe: "Nach der Anfang 2021 abgeschlossenen Fahrrinnenanpassung kann es drei bis fünf Jahre dauern, bis sich das Flussbett angepasst hat. Das haben wir ohnehin eingeplant", sagte er. Neu sei, dass es im Vergleich zu den vergangenen Jahren etwa dreimal so viele Sturmfluten und einen äußerst geringen Wasserabfluss gegeben habe. "Insgesamt wird dadurch zusätzliches Sediment in die Elbe eingetragen."

Diese Faktoren zusammen hätten zu einer extremen und außergewöhnlichen Situation geführt. Man habe darauf sofort reagiert. "In der Zeit, in der es zu mehr Sedimenteintrag kommt, wird die WSV für die Strecke zwischen der Elbmündung und der Landesgrenze Hamburg die Baggeraktivität erhöhen", betonte Witte. "Derzeit sind zwei Bagger plus ein temporär eingesetztes Baggerschiff vor Ort. Ein dauerhaft dritter Bagger wird mit Unterstützung der HPA vorbereitet." Entscheidend sei: Jeder der Hamburg anfahren wolle, könne dies tun. "Wir tun weiterhin alles, um verlässliche Tiefen für die Schifffahrt sicherzustellen."

Ursprünglich sollte mit der mehr als 800 Millionen Euro teuren Elbvertiefung der zulässige Tiefgang für Frachter auf 14,50 Meter bei Flut und auf 13,50 Meter tideunabhängig erhöht werden. Nach Angaben der Generaldirektion bleiben nun im Vergleich zur Zeit vor der Vertiefung nur Verbesserungen von 20 bis 90 Zentimetern. Damit haben große Containerschiffe weniger Spielraum. Der rund 130 Kilometer lange Abschnitt zwischen Hamburg und der Nordsee zählt zu den wichtigsten Wasserstraßen Europas.

Die Hamburger Hafenbehörde HPA erklärte auf Anfrage, der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) Unterstützung angeboten zu haben. Am Montag sei die Ausschreibung für zusätzliche Baggerleistungen veröffentlicht worden, so dass wohl Anfang 2023 möglicherweise mit zwei weiteren Baggern gearbeitet werden könne. Die HPA werde sich um drei Abschnitte der WSV unterhalb der Landesgrenze kümmern. "Dort werden wir für ein Jahr die Wassertiefeninstandhaltung ausführen", erklärte die HPA. Damit könne sich die WSV auf die weiter Richtung Elbmündung liegenden Baggerabschnitte konzentrieren.

Zurke betonte, man gehe nach wie vor davon aus, dass die Mindertiefen bis 2024 behoben werden könnten. Der Hafen sei für die exportorientierte deutsche Wirtschaft sowie für die Versorgung der Menschen systemrelevant. "Ein Zurückfallen auf Wassertiefen, die nach der ersten Stufe der Elbvertiefung vorlagen, stößt bei der Hamburger Hafenwirtschaft auf größte Sorge und Unverständnis."

Der Transport von Waren und Gütern über den Wasserweg sei nachhaltig und klimafreundlich, sagte der HHLA-Sprecher. "Entschieden widersprechen wir der Auffassung, dass die Fahrrinnenanpassung gescheitert ist." Ein Rückgang der Umschlagmenge im Zusammenhang mit der geringeren schiffbaren Wassertiefe sei derzeit nicht festzustellen. Ähnlich hatte sich auch ein Sprecher der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd geäußert.

Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF bekräftigten ihre Forderungen nach einem Rückzug der Baggerschiffe. Hamburg und der Bund dürften jetzt nicht mehr, sondern müssten weniger baggern, damit sich das Ökosystem stabilisieren könne, erneuerten die in einem Aktionsbündnis zusammengeschlossenen Verbände ihre Forderungen. Es sei nicht erforderlich, dass jedes Schiff zu jeder Zeit den Hamburger Hafen anlaufen könne, wenn in Wilhelmshaven ausreichend Kapazitäten für die Abfertigung der größten Schiffe der Welt vorhanden seien.

Die SPD-Regierungsfraktion in der Bürgerschaft kritisierte sowohl den Bund als auch den grünen Koalitionspartner, der die Elbvertiefung für gescheitert erklärt hat. Der Bund schwäche vorsätzlich den Hamburger Hafen, sagte Fraktionschef Dirk Kienscherf. Die Elbvertiefung sei nicht gescheitert. "Vielmehr ist der Bund seinen Aufgaben nicht nachgekommen." Auch in Richtung des grünen Koalitionspartners sagte er, wenn Landespolitiker das Scheitern bejubelten, fielen sie damit den Hafenarbeitern in den Rücken.

Der CDU-Wirtschaftsexperte Götz Wiese warf Rot-Grün einen fehlenden Willen vor, Entscheidungen für den Hafen durchzusetzen. "Ich appelliere an den Ersten Bürgermeister, diesem unwürdigen Treiben ein Ende zu bereiten und seinen Senat zum Handeln zu bringen."

© dpa-infocom, dpa:221124-99-645907/6

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