Süddeutsche Zeitung

MV Werften:Biete Herzstück, suche Abnehmer

600 Millionen Euro fehlen, um das riesige Kreuzfahrtschiff "Global Dream" zu Ende zu bauen. Der Insolvenzverwalter der MV Werften will das unbedingt - aber wer soll es kaufen?

Von Saskia Aleythe, Hamburg

Reiche Menschen können für teure Spielzeuge empfänglich sein, und wer etwas auf sich hält, könnte jetzt natürlich zuschlagen. Angeben mit einem der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt, doch die Global Dream, derzeit noch in der Wismarer Werft ansässig, ist in ihren Ausmaßen für bis zu 9500 Passagiere dann doch ziemlich sperrig. 1,5 Milliarden Euro soll das Prachtstück zudem kosten, die Suche nach einem Käufer läuft. Der vorläufige Insolvenzverwalter Christoph Morgen hat sich mit dem Eigentümer der insolventen MV-Werften - Genting Hong Kong - genau darüber am Freitag ausgetauscht. Das war dringend nötig, denn das Schiff, das zu 75 Prozent fertig gebaut ist, braucht einen Käufer und der kann am Ende wahrscheinlich nur heißen: Genting Hong Kong.

Die Zeit ist knapp, schon am 1. März soll das Insolvenzverfahren eröffnet werden, der Eigner konnte schon die fälligen Löhne für Dezember nicht mehr zahlen. Von einer "konstruktiven" Atmosphäre des Gesprächs berichtete Morgen im Anschluss, konkrete Ergebnisse sickerten aber nicht durch, er muss es nun auch bei anderen potentiellen Abnehmern versuchen.

Es gibt ganz wenige, für die ein Kauf eines solchen Schiffes interessant ist

Noch vor kurzem war die Global Dream das Herzstück der MV Werften, nun soll das schlimmste Szenario abgewendet werden: Dass das Schiff als Schrotthaufen endet. Insolvenzverwalter Morgen hat den Standorten und auch dem Schiff bereits einen Besuch abgestattet, er möchte es "ganz unbedingt zu Ende bauen". Viele Werften und "Schiffsbauwerke" - so der Fachbegriff für die ganz großen Pötte - hat er schon gesehen, die Global Dream sei "beeindruckend". Warme Worte für alle, die daran Schweiß und Leidenschaft gelassen hatten, "es gibt ganz wenig Werften auf der Welt, die so ein Schiff bauen können". Was man auch sagen kann: Es gibt ganz wenige, für die ein Kauf eines solchen Schiffes interessant ist.

Das liegt daran, weil es sich von den Vergnügungsschiffen à la Traumschiff in seiner jetzigen Ausstattung unterscheidet: Es ist vor allem auf die Spaßbedürfnisse von Glücksspiel-Fans ausgerichtet, es ist ein schwimmendes Casino. Ein Publikum dafür findet sich im asiatischen Markt - Glücksspiel an Land ist in China verboten. Die Kabinen sind für vier Personen ausgelegt, eher ungewöhnlich für Europa. Da viele Kreuzfahrten durch die Pandemie ausgefallen sind und keine sicheren Prognosen für eine Beruhigung der Lage getroffen werden können, ist die Kauflaune sowieso verhalten. Es gebe weltweit nur sehr wenige andere potentielle Abnehmer, sagt Morgen, und Genting steckt selbst in finanziellen Nöten. Für eine Fertigstellung der Global Dream werden noch rund 600 Millionen Euro benötigt.

Die Frage ist, was mit dem Schiff passiert, sollte sich kein Käufer finden. "Es könnte theoretisch passieren, dass die Banken, die Kreditgeber sind, aus ihren Sicherheiten auf das Schiff zugreifen können", sagt Christopher Kranz, Anwalt für Restrukturierung und Insolvenzen bei Simmons & Simmons, "die Frage wäre aber, was sie damit wollen. Das Schiff hat erst einen Wert, wenn es fertig gebaut ist". Möglich wäre auch, das Schiff mitsamt der Werft auf einen neuen Eigentümer zu übertragen - aber der hätte dann eben auch ein riesiges Stahlkonstrukt in seinem Besitz, das niemand haben will.

Mecklenburg-Vorpommern muss einen 78-Millionen-Euro-Kredit vorerst nicht auszahlen

Ebenso fraglich ist, ob neue Eigentümer der Werften konkret mit dem Schiffsbau weitermachen wollen. Die MV Werften in einem Gesamtpaket an neue Interessenten zu verkaufen, ist unwahrscheinlich, sagt auch Morgen. Die Stadt Stralsund hat aufgrund der absehbaren Pleite schon seit längerem an Ideen getüftelt und will auf dem Gelände einen Gewerbepark errichten. Schon vor der Insolvenz soll es dazu Gespräche mit Genting gegeben haben. Oberbürgermeister Alexander Badrow konnte bereits im vergangenen Jahr die Bürgerschaft von seinen Plänen überzeugen. Nordic Yards, dem die Werften bis 2016 gehörten, hat unterdessen Interesse gezeigt, an den Standorten in Stralsund und Rostock wieder Plattformen für Offshore-Windkraft bauen zu lassen.

Am Montag konnten zumindest die etwa 1900 Angestellten an den drei Standorten aufatmen, die Auszahlung der Dezember-Gehälter wurde mittlerweile veranlasst. Und auch das Landgericht Schwerin hatte etwas zu verkünden: Das Land Mecklenburg-Vorpommern muss einen 78-Millionen-Euro-Kredit vorerst nicht an Genting auszahlen. Dieser war im Juni 2021 gewährt worden, wegen einer für 2024/2025 prognostizierten Liquiditätslücke. Doch der Eigner wollte das Geld nun schon per einstweiliger Verfügung erwirken, wofür eine existenzielle Notlage notwendig gewesen wäre - die habe der Konzern aber nicht hinreichend darlegen können, hieß es in der Begründung. Genting kann gegen die Entscheidung weitere Rechtsmittel einlegen.

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