Süddeutsche Zeitung

Verkehrsministerium:Neue Kritik an geheimen Maut-Treffen

  • Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags widerspricht Verkehrsminister Andreas Scheuer: Gespräche wie die zwischen dem Minister und den Mautbetreibern sollten dokumentiert werden.
  • Scheuer musste nach und nach mehrere geheime Treffen mit zwei Betreiberfirmen einräumen.
  • Da zum Zeitpunkt, als der EuGH die deutsche Pkw-Maut kippte, die Verträge bereits abgeschlossen waren, drohen dem Steuerzahler Schadenersatzforderungen von Hunderten Millionen Euro.
  • Schon am Dienstag könnte ein Untersuchungsausschuss auf den Weg gebracht werden.

Von Markus Balser, Berlin

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gerät wegen geheimer Treffen mit Managern der Pkw-Maut-Betreiber immer stärker in Bedrängnis. Laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestags hätte er die Treffen dokumentieren müssen. Die Transparenzvorgaben verlangten, "dass alle Entscheidungsschritte grundsätzlich bereits während des Vergabeverfahrens dokumentiert werden", heißt es in einer aktuellen Expertise des Dienstes für den verkehrspolitischen Sprecher der FDP im Bundestag, Oliver Luksic. Die Dokumentation müsse einen "erheblichen Detaillierungsgrad" haben. Auch Gespräche sollten in die Dokumentation aufgenommen werden, empfahl der Dienst. Scheuer selbst hatte noch am Freitag erklärt, für die Treffen gebe es keine Dokumentationspflicht.

Der Minister hatte nach einem Ultimatum der Grünen vor wenigen Tagen einräumen müssen, dass fünf weitere hochrangige Gespräche zwischen der Bundesregierung und den Mautbetreibern nicht dokumentiert wurden. Sie fanden zwischen Oktober 2018 und Juni 2019 statt - mehrere davon in der heißen Phase der Vergabe des Milliardenprojekts.

Erst auf Nachfragen hatte der Bundestag überhaupt von den Treffen erfahren. Dies gilt als brisant. Denn laut Insidern sollen Vertreter der Betreiber Scheuer beispielsweise vorgeschlagen haben, mit der Vergabe der Mautverträge bis nach dem EuGH-Urteil zu warten, was Scheuer bestreitet. Der EuGH hatte das CSU-Prestigeprojekt im Juni zu Fall gebracht. Da die Verträge früher abgeschlossen wurden, drohen dem Steuerzahler nun hohe Schadenersatzforderungen von Hunderten Millionen Euro. Die Grünen hatten Scheuer Rechtsbruch wegen der Vorgänge vorgeworfen und seine Entlassung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangt.

Das Verkehrsministerium äußert sich nicht zu inhaltlichen Details der Treffen - trotz neuer Nachfragen. Zu einem Treffen am 3. Oktober, an dem Scheuer, sein Staatssekretär Gerhard Schulz und führende Vertreter der Mautbetreiber Kapsch und CTS Eventim teilgenommen hatten, heißt es etwa lediglich, es sei um einen allgemeinen Gedankenaustausch gegangen, "insbesondere über die Technik bei der Kontrolle wie auch der Erhebung bei der Infrastrukturabgabe". Zum Inhalt eines Treffens am 7. Dezember von Schulz mit CTS-Chef Klaus-Peter Schulenberg drei Wochen vor Vertragsabschluss ist lediglich von einem weiteren "Gedankenaustausch zum Thema Infrastrukturabgabe und Lkw-Maut" die Rede.

Die Begrüdung: Die Gespräche hätten "nicht zu Entscheidungen im Vergabefahren geführt"

Das Ministerium begründet die fehlende Dokumentation mit dem Hinweis, die Gespräche hätten "nicht zu Entscheidungen im Vergabefahren geführt". Wie das Ressort von Minister Scheuer ohne Protokolle mit Sicherheit sagen könne, dass nichts Relevantes besprochen wurde? Das BMVI habe "anhand von Kalendereintragungen und Befragung der auf Ministeriumsseite beteiligten Personen nach Inhalt, Zeitpunkt, Teilnehmerkreis und Ort der Gespräche die Informationen zusammengetragen", teilt das Ministerium mit.

Im Bundestag wächst darüber die Empörung. Abgeordnete fühlen sich bei der Aufklärung der Affäre behindert. "Man muss davon ausgehen, dass grundsätzliche Fragen zur Ausgestaltung der Maut dort besprochen wurden, es gab mit Sicherheit keinen hochrangigen Kaffeeklatsch", sagt FDP-Verkehrsexperte Luksic. Die Vorgänge seien "vergaberechtlich höchst fragwürdig und politisch skandalös". Schon an diesem Dienstag könnten die Fraktionen von Grünen, FDP und Linken den Druck weiter erhöhen und den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellen.

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SZ vom 14.10.2019/leja
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