Süddeutsche Zeitung

Verkehrsminister Scheuer:Bundestag soll Mautdebakel aufklären

Lesezeit: 2 min

Von Markus Balser, Berlin

Das Fiasko um die geplatzte Pkw-Maut bringt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) immer stärker in Bedrängnis. Die Oppositionsfraktionen Grüne, FDP und Linke beantragten am Dienstag in Berlin einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Das Kontrollgremium soll etwa klären, ob Scheuer das CSU-Prestigeprojekt aus wahltaktischen Gründen auf Kosten der Steuerzahler durchdrückte und dabei auch den Bundestag hinters Licht führte.

Scheuer steht in der Affäre bereits unter enormem Druck, weil er mit den Unternehmen Kapsch und CTS Eventim Ende 2018 einen milliardenschweren Betreibervertrag schloss, lange bevor klar war, ob er die Pläne sicher umsetzen kann. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kippte die Maut im Juni, weil sie Ausländer zu Unrecht diskriminiere. Die Vorbereitungen liefen zu diesem Zeitpunkt aber längst auf vollen Touren. Dem Steuerzahler drohen deshalb nun hohe Schadenersatzforderungen der Betreiber über eine halbe Milliarde Euro. Scheuer wollte die Maut, die tatsächlich fast nur Ausländer treffen sollte, eigentlich im Oktober 2020 starten.

Wachsende Nervosität

In der Bundesregierung, vor allem im Verkehrsministerium, wächst wegen der drohenden Vernehmung des Ministers und seiner Spitzenbeamten die Nervosität. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gab es bis zuletzt Versuche aus dem Regierungslager, einen Untersuchungsausschuss doch noch abzuwenden und die nötige Zustimmungsquote zu Fall zu bringen. Für das Gremium muss mindestens ein Viertel der Abgeordneten stimmen. Grüne, FDP und Linke zusammen kommen mit 216 Abgeordneten auf die nötige Zustimmung von mindestens 178 Stimmen. Die AfD als größte Oppositionsfraktion war zunächst skeptisch, beschloss aber, sich dem Antrag ebenfalls anzuschließen.

Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gibt es nur selten. In dieser Legislaturperiode wurden erst zwei eingesetzt: zum Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz und zur Berateraffäre bei der Bundeswehr. In den vergangenen Jahren sollten durch ein solches Gremium unter anderem die Hintergründe zur Terrorgruppe NSU, dem Abgas-Skandal oder der NSA-Abhöraffäre geklärt werden. Scheuer drohen in dem Ausschuss brisante Fragen. Die Opposition wirft ihm etwa vor, den Bundestag bei den wahren Kosten der Mauteinführung hinters Licht geführt zu haben. Zuletzt waren Geheimtreffen mit Betreibern bekannt geworden. Dabei soll Scheuer die Möglichkeit einer späteren Mauteinführung ausgeschlagen haben. Scheuer weist das zurück.

Die Abgeordneten hoffen, Widersprüche notfalls mit Aussagen von Spitzenpolitikern und Managern unter Eid aufklären zu können. Scheuer sagte am Abend, er sehe den Ausschuss als Chance zur Versachlichung und wolle aufklären, was noch offen ist. Die Opposition erhob erneut schwere Vorwürfe. FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic klagte, Scheuer habe "ohne Not massive und teure Fehlentscheidungen getroffen". Er wolle wissen, warum der Minister die wahren Kosten der Maut trickreich versteckt habe, sagte Sven-Christian Kindler von den Grünen.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2019
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