Schelsky in Untersuchungshaft:"Auftrag erfüllt"

Der langjährige AUB-Chef Wilhelm Schelsky sieht in der Betriebsrats-Affäre bei Siemens keine Schuld bei sich - er habe nur die Vorgaben des Konzerns umgesetzt.

Uwe Ritzer

Die Vernehmung des Untersuchungshäftlings Wilhelm Schelsky im Finanzamt Nürnberg-Süd dauerte schon mehr als zwei Stunden, als Verteidiger Jürgen Lubojanski die Geduld verlor. Sein Mandant werde vorerst keine Fragen mehr zu völligen Randthemen beantworten, sagte der Anwalt. Staatsanwaltschaft und Steuerfahnder sollten endlich zum Kern des Ermittlungsverfahrens gegen Schelsky kommen.

Schelsky in Untersuchungshaft: Wilhelm Schelsky:  "Habe mich auf die vielen hervorragenden Juristen bei Siemens verlassen."

Wilhelm Schelsky: "Habe mich auf die vielen hervorragenden Juristen bei Siemens verlassen."

(Foto: Foto: oH)

Zur Frage nämlich, ob dieser sich der Beihilfe zur Untreue schuldig gemacht habe. Etwa 50 Millionen hat Schelsky von Siemens laut Unterlagen des Konzerns kassiert, um aus der Betriebsräteorganisation AUB eine arbeitgeberfreundliche Alternative zur IG Metall aufzubauen.

Vorwürfe an die Nürnberger Justiz

Dazu hatten die Ermittler Schelsky schon vorher befragt, bevor sie am 24. Mai 2007 ihre Erkenntnisse abrunden wollten. Seither hatten Strafverfolger überhaupt keine Fragen mehr an Wilhelm Schelsky. Sie bereiten inzwischen die Anklage vor und wollen Schelsky, der nach wie vor im Gefängnis sitzt, nun vor Gericht bringen.

Dessen Anwalt dauert das Verfahren viel zu lange. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen die Nürnberger Justiz. "Man lässt meinen Mandanten im Knast verstauben und verrotten", klagt Lubojanski. Es könne nicht sein, "dass ein bloßer Vorwurf reicht, um monatelang im Knast zu verschwinden und erst sehr lange Zeit später im Hauptsacheverfahren zu klären, ob die Beschuldigung überhaupt stimmt." In Nürnberg sei dies allerdings keine Seltenheit. Hier sperre man "Beschuldigte schneller in U-Haft als anderswo", so Lubojanski weiter.

Im Falle Schelskys komme dies angesichts der enormen öffentlichen Aufmerksamkeit erst recht einer Vorverurteilung gleich. "Sein soziales Standing ist inzwischen in den Boden getreten", sagt der Anwalt. Die Staatsanwaltschaft braucht in Sachen Siemens/AUB gegen Schelsky und andere Beschuldigte viel Zeit für ihre Ermittlungen, der Fiskus ist da schneller. Bereits im August 2007 haben die Finanzbehörden neue Steuerbescheide mit hohen Nachforderungen an Schelsky erlassen, dem in Zusammenhang mit den Siemens-Geschäften Steuerhinterziehung in zweistelliger Millionenhöhe vorgeworfen wird.

Der Nürnberger Justizsprecher, Richter Andreas Quentin, bestätigte das auf Anfrage. Er sagte, Schelsky habe gegen diese Bescheide Einspruch erhoben. Die lange Vernehmungspause habe damit zu tun, dass Schelsky zu Detailfragen aus der Haft heraus nicht mehr habe Stellung nehmen wollen. Daraufhin habe die Staatsanwaltschaft "von weiteren Vernehmungen abgesehen."

Anwalt bezweifelt Fluchtgefahr

Den Vorwurf, die Ankläger würden nicht zügig genug ermitteln, will Quentin nicht gelten lassen. Dem habe zuletzt auch das Oberlandesgericht widersprochen, als es am 3. April die Fortdauer von Schelskys U-Haft für weitere drei Monate anordnete. Dass dabei erneut Fluchtgefahr als ein Grund genannt wurde, hält Schelskys Anwalt für abwegig. Angesichts seiner öffentlichen Bekanntheit könnte sich sein Mandant nicht ohne weiteres ins Ausland absetzen. Auch nicht nach Kanada, wo er ein Ferienhaus besitzt. Die Angst der Ermittler vor einem zweiten Fall Schreiber sei daher unbegründet. Denn anders als der vor der Augsburger Justiz gejagte Waffenhändler sei Schelsky kein kanadischer Staatsbürger.

Die Anklage, an der die Staatsanwaltschaft momentan arbeitet, beruht auf Akten, die dem Vernehmen nach insgesamt 60.000 Seiten umfassen. Offiziell heißt es, die Anklage gegen den Ex-AUB-Chef werde spätestens zur Jahresmitte erhoben. Lubojanski geht davon aus, dass der dann folgende Prozess gegen seinen Mandanten und den mutmaßlich mitangeklagten Ex-Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer nicht vor Herbst beginnen werde. Er beklagt eine "massive Behinderung der Verteidigung" bei der Vorbereitung auf den Prozess. So werde Schelsky die Verwendung eines Laptops im Gefängnis nicht erlaubt, obwohl die Ermittlungsakten elektronisch gespeichert seien.

Schelsky sieht sich frei von jeder Schuld. Der Aufbau der AUB sei nach Meinung seines Mandanten "notwendig und richtig gewesen, um dem Machtmonopol der Gewerkschaften etwas entgegenzusetzen", so der Anwalt. Und was die finanziellen Zuwendungen von Siemens angehe, habe sich Schelsky nur auf "die vielen hervorragenden Juristen bei Siemens verlassen". Die müssten doch alles geprüft haben.

Dementsprechend gelassen sehe er der möglichen Schadenersatzklage des Konzerns entgegen, sagt der Anwalt. Die Unterstützung der AUB über Schelsky sei "ganz eindeutig und unbestritten von Siemens ausgegangen", so Lubojanski. "Wie will aber jemand, der einen klaren Auftrag erteilt hat, hinterher Schadenersatz dafür verlangen, dass dieser Auftrag erfüllt wurde?"

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