Nahaufnahme:Auf dem Jahrmarkt daheim

Nahaufnahme: "Ab Mai müssen die Volksfeste spätestens wieder laufen, sonst gehen die Lichter im wahrsten Sinne des Wortes aus", sagt Max Fahrenschon.

"Ab Mai müssen die Volksfeste spätestens wieder laufen, sonst gehen die Lichter im wahrsten Sinne des Wortes aus", sagt Max Fahrenschon.

(Foto: privat/oh)

Schausteller Max Fahrenschon hofft auf die neue Saison. Denn ein jahrhundertealtes Kulturgut drohe durch die Pandemie kaputtzugehen.

Von Anika Blatz

Wenn Max Fahrenschon sein Kinderkarussell auf dem Festplatz aufbaut, den Schießstand in die richtige Position bringt und im Winter Glühwein ausschenkt, dann macht er das nicht nur, um Geld zu verdienen. Er verstehe sich als mobiler Kaufmann, der zu den Menschen Freude und Vergnügen bringe, sagt er. Sein Beruf sei für ihn Berufung. Und eben weit mehr als eine Einnahmequelle: ein jahrhundertealtes Kulturgut, das durch die Corona-Pandemie kaputtzugehen drohe.

Seit 35 Jahren zieht Fahrenschon aus Großkarolinenfeld bei Rosenheim mit seiner Frau Christine und drei bis zehn Saisonkräften bayernweit von Fest zu Fest. Zwölf pro Jahr, 120 Tage insgesamt. Sein Karussell "Bayern Rallye" und den Schießstand "Jägeralm" kennen die Menschen aus Altötting und Waldkraiburg genauso wie die aus Rosenheim oder Besucher des Oktoberfests.

Schausteller sind die Fahrenschons in vierter Generation. Schon seine Urgroßeltern bereisten um 1900 mit einem anfangs noch per Hand angetriebenen Riesenrad Volksfeste. Fahrenschon lernte das Gewerbe von der Pike auf. An Wochenenden und während der Ferien half er bei den Eltern aus, nach dem Abitur arbeitete er ganz mit. Fahrenschon ist auf den Festplätzen Bayerns zu Hause, und er vermisst sein Zuhause.

An Pfingsten konnte er sein Karussell in Bad Aibling aufstellen - mit Hygienekonzept

An Ostern hätte die Saison 2020 beginnen sollen. Da hatte Deutschland gerade den ersten Lockdown hinter sich. Am 21. April wurde das Oktoberfest abgesagt, anschließend nach und nach alle anderen Volksfeste - auch die kleinen. Für die Schausteller eine finanzielle Katastrophe. "Vor allem für die mit großen Fahrgeschäften, denen geht es nach einem Jahr Umsatzausfall ganz schlecht", sagt Fahrenschon, der Vorsitzender des Schaustellerverbands Rosenheim ist. Bei Anschaffungskosten von bis zu drei Millionen Euro haben viele hohe Kredite zu tilgen. Und anders als kleinere Fahrgeschäfte fallen alternative Einnahmequellen, auf die Fahrenschon zurückgriff, weg.

An Pfingsten konnte er sein Karussell in Bad Aibling aufstellen. Mit Hygienekonzept und Zaun, um die Zahl der Kinder zu regulieren. Und im Sommer erlaubte ihm die Stadt Rosenheim, mit Karussell und Schießstand in der Fußgängerzone zu gastieren. Statt Christkindlmarkt durfte er dort im Winter auch antialkoholische Getränke verkaufen - nur keinen Kinderpunsch. "Der würde assoziiert mit Christkindlmarkt, hieß es, und das sei nicht gewollt." Maßnahmen, die auch bei den Besuchern für Kopfschütteln sorgten, erzählt Fahrenschon.

20 Prozent seines Vorjahresumsatzes konnte er so reinholen. Zum Leben reicht das freilich nicht. Die vom Staat zugesicherten Überbrückungshilfen decken lediglich einen Teil der Fixkosten ab - Kosten, die Fahrenschon kaum hat: Seine Geschäftsausstattung ist bezahlt, Personalkosten hat er derzeit keine. Ganz normale Lebenshaltungskosten hat die Familie aber schon. Ein bisschen geholfen hat hier die November- und Dezemberhilfe, die sich am Umsatz orientiert. Weil Fahrenschon mit seinem Glühweinstand normalerweise gute Geschäfte macht, bekommt er einen Ausgleich, erste Abschlagszahlungen sind da.

"Diesbezüglich bin ich begünstigt. Die wenigsten haben ja ein Wintergeschäft." Trotzdem leben auch er und seine Frau von ihren Ersparnissen. "Ab Mai müssen die Volksfeste spätestens wieder laufen, sonst gehen die Lichter im wahrsten Sinne des Wortes aus. Die Branche wird das nicht aushalten", sagt Fahrenschon.

Von der Politik wünscht er sich mehr Verständnis und Perspektiven. "Nicht vorsichtshalber alles verbieten, sondern gewissenhaft prüfen, was möglich ist", sagt er. Denn kulturelles Leben sei, was den Menschen ausmache.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: