Schatzsucher:Es glänzte wie Gold - es waren Kronkorken

Wo ist das Gold? Die Nazis sollen kurz vor Kriegsende noch einen gewaltgen Schatz versteckt haben. Im Zentrum der Suche steht ein See in der Steiermark.

Willi Winkler

Wagen um Wagen rollte vor das Hotel Maison Rouge von Straßburg. Im Portal verschwand ein Herr nach dem anderen. Man sah einige Marineoffiziere in Uniform, die meisten der Gäste jedoch waren Zivilisten.

Nazigold, dpa

Immer wieder wird von einem riesigen Nazi-Goldschatz geraunt, den Schatzsucher mal in Südamerika, mal in der Schweiz, mal in einem abgelegenen österreichischen Alpental vermuteten. Gefunden hat ihn bis heute niemand, und es wird ihn auch nie jemand finden.

(Foto: Foto: dpa)

Es war eine illustre Gesellschaft, die sich hier ein Stelldichein gab. Man kannte sich oder versuchte vom Ansehen auf Stellung, Herkunft beziehungsweise Dienstgrad der Anwesenden oder Neuangereisten zu schließen, denn aus Geheimhaltungsgründen wurde auf ein Vorstellungszeremoniell verzichtet.

Die Rüstungsfirmen Krupp, Messerschmitt, Büssing, Rheinmetall und die Volkswagenwerke hatten kein Interesse daran, dass die Namen der Vertreter ihrer Leitungsgremien einmal im Zusammenhang mit dieser denkwürdigen Konferenz bekannt würden.

In seinem 1965 im Deutschen Militärverlag in Ostberlin erschienenen Werk "Der Banditenschatz" schildert der eifrige Schriftsteller Julius Mader jenes Straßburger Treffen so lebendig, als wäre er selber hinter einem der schweren Vorhänge gestanden und hätte alles miterlebt.

Das Geheimtreffen der Spitzen des Dritten Reichs

Mader scheint genau zu wissen, was passiert ist, und er trägt überzeugend vor, wie im Maison Rouge eine der größten Verschwörungen aller Zeiten ins Werk gesetzt wurde. Am 10. August 1944, drei Wochen, nachdem das Attentat Stauffenbergs gegen Hitler gescheitert ist, treffen sich die Spitzen des Dritten Reiches.

Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht ist dabei, der Chef des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), Ernst Kaltenbrunner, Abwehrchef Admiral Wilhelm Canaris, die Industriellen Fritz Thyssen und Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und praktisch der gesamte "Freundeskreis Reichsführer SS", all die kriegswichtigsten Manager, die Heinrich Himmler um sich geschart hatte.

Nur der Reichsleiter Martin Bormann schien an diesem Tag keine Zeit zu haben. Die Reichsgewaltigen wissen, dass das Spiel aus ist und Hitlers Welteroberungspläne unweigerlich in einer gigantischen Katastrophe enden werden.

Sie aber denken weiter, überlegen, wie sie nicht bloß ihre Haut retten, sondern vom Hitler-Reich möglichst viel in die Nachkriegszeit retten können. Ein Milliarden-Vermögen soll so schnell wie möglich über die deutschen Grenzen und hinter die Linien der vorrückenden Alliierten geschafft werden, damit von dort aus ein neues, ein "Viertes Reich" entstehen kann.

Die Geschichte klingt schön, aber erfunden

Überall sollen Nester voller Goldbarren angelegt werden: in Österreich, in der Schweiz, in Frankreich, in Spanien, in Portugal, in ganz Südamerika. Und so geschah's. Beziehungsweise, so geschah es nicht, denn die Geschichte, so schön sie ist: Sie ist fast komplett erfunden.

Es gab keine hochgeheime Konferenz, bei der sich die Spitzen der deutschen Industrie mit denen der Partei auf einen nationalsozialistischen Neustart nach der Kapitulation verständigt hätten, und es gibt deshalb auch keinen Nazi- oder SS- oder sonst einen hochgeheimen Schatz aus dem Dritten Reich.

Auch wenn etliche Tausend Seiten im Internet schwören können, dass eine von Nazis betriebene Fluchthilfeorganisation namens Odessa Hunderte, Tausende, vielleicht sogar Zehntausende Kriegsverbrecher und SS-Angehörige mitsamt einem gigantischen Schatz nach Ägypten und Argentinien ausgeschleust hat - sie existiert ebenso wenig wie das Gold, das die Flucht und ein neues Leben im Ausland finanziert haben soll.

Dank Thrillern wie Frederick Forsyths "Akte Odessa" (1972) lebt diese schwarzbraune Legende aber weiter. Offensichtlich besteht ein tiefes Bedürfnis nach solchen Verschwörungstheorien, denn anders als so übersichtlich mag man sich die Welt nicht erklären.

Lesen Sie auf der nächste Seite, wie Schatzsucher ums Leben kamen und der Mythos um den "Fluch" des Toten Gebirges entstand.

Der Fluch des Toten Gebirges

Ein Blick auf die Finanzdaten wäre so hilfreich wie desillusionierend: Bereits 1945 fand sich in einem Stollen im thüringischen Merkers Gold im Wert von 255 Millionen Dollar und damit fast der gesamte Goldbestand der Reichsbank.

Schatzsucher: Kriegsende 1945: Die US-Armee findet in einer Salzmine im thüringischen Merkers 100 Tonnen Gold im Wert von 255 Millionen Dollar. Es ist fast der gesamte Goldbestand der Reichsbank.

Kriegsende 1945: Die US-Armee findet in einer Salzmine im thüringischen Merkers 100 Tonnen Gold im Wert von 255 Millionen Dollar. Es ist fast der gesamte Goldbestand der Reichsbank.

(Foto: Foto: Getty Images)

Dennoch wurde immer wieder vom Nazi-Gold geraunt, das Schatzsucher mal in Südamerika, mal in der Schweiz, mal in einem abgelegenen Alpental vermuteten.

Tatsächlich hatten sich im April und Mai 1945, als es endgültig aus war, im Salzkammergut und in der Steiermark etliche Unentwegte getroffen, aber auch nur, um den angekündigten Kampf bis zum letzten Mann gleich aufzugeben. Trotzdem denken viele: Das Geld, das muss doch hier, in einem der Seen, versteckt worden sein.

Schön wär's. Das Interesse konzentrierte sich vorwiegend auf den steirischen Toplitzsee, der wolkenverhangen und von genug Sagen umrauscht ist, dass er auch noch das letzte Geheimnis der Nazis oder doch ihr Geld und Gold verbergen könnte.

Praktischerweise kamen immer wieder Bergsteiger und Hobby-Forscher in der Nähe des Sees um. Gibt es einen "Fluch" im Toten Gebirge, oder verteidigt eine schwerbewaffnete Geheimarmee, was da unten für den Endkampf gebunkert ist?

Der Stern, bei Nazi-Sachen schon immer vorne dran, rüstete 1959 eine Expedition aus und ließ aufwendig und unter großer Anteilnahme der übrigen Presse nach dem Geheimnis tauchen.

72 Millionen Pfund - alles Falschgeld

Tatsächlich förderte der Reporter Wolfgang Löhde einen Schatz in Höhe von 72 Millionen Pfund zu Tage. Leider handelte es sich nicht um Edelmetall, sondern um schlichtes Papier, nämlich um einen Teil der gefälschten Pfundnoten, mit denen die Nazis noch 1945 die Weltwirtschaft destabilisieren wollten.

Es ist ihnen nicht gelungen. Es ist ihnen auch nicht gelungen, größere Vermögenswerte ins Ausland zu schaffen. Allerdings ist inzwischen bekannt, dass die SS im Verein mit den großen deutschen Banken jüdisches Vermögen geraubt und mit Unterstützung der Schweizerischen Nationalbank gewaschen hat.

Die Freunde von Finanzminister Peer Steinbrück bewiesen auch sonst, dass sie auf gute Nachbarschaft Wert legten und bewahrten für Franz von Papen, der Hitler an die Macht gebracht hatte, für die Zeit nach dem Krieg Vermögenswerte in Gold und Bargeld im Wert von etwa zwei Millionen Schweizer Franken auf.

Den großen Nazi-Schatz hat es dennoch nie gegeben. Das zeigen schon nach Südamerika geflohene Kriegsverbrecher wie Adolf Eichmann oder Walter Rauff, die dort keineswegs in Saus und Braus lebten.

Goldhell blinkte es aus der Kiste

Nur dem KZ-Arzt Josef Mengele ging es ordentlich, aber der wurde nicht durch das SS-Gold subventioniert, sondern von den Erträgen der väterlichen Firma in Günzburg. Solche schlichten Fakten halten die Schatzsucher aber nicht ab, weiter nach dem vermeintlichen Gold zu suchen.

Bis zum heutigen Tag wird im Toplitzsee immer wieder nach dem Nazi-Schatz getaucht. Vor einigen Jahren, da schien der Schatz zum Greifen nah, goldhell blinkte es aus der Kiste, die ein Taucher-Team aus dem Schlamm hervorzog.

Es waren aber nur die gesammelten Kronenkorken, die die Dorfjugend im See platziert hatte, um die Gold-Jäger endlich einmal für ihre Mühen zu belohnen.

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