Schatzsucher:Das Vermächtnis der Tempelritter

Die sagenumworbene Gemeinschaftt häufte unermesslichen Reichtum an - und wurde enteignet. Bis heute suchen Menschen nach ihrem Erbe.

Alexander Mühlauer

Sie sind zu neunt, als sie eines Tages im Jahr 1119 den Pakt schließen, für immer keusch, arm und gehorsam zu leben. Um es gleich zu sagen: Gegen alle drei Versprechen werden alle neun Ritter verstoßen.

Die neun Männer nennen sich "Arme Ritter Christi vom Tempel Salomonis". Ihr Pakt ist ein absolutes Bekenntnis zu Gott: Sie wollen die christlichen Pilger und die heiligen Stätten in Jerusalem vor muslimischen Räubern schützen. Ihr Anführer ist ein gewisser Hugo von Payens; über ihn wird später noch zu berichten sein.

Schon früh gibt es Spekulationen über Anspruch und Wirklichkeit der christlichen Ritter, die ihren Ordenssitz auf dem Jerusalemer Tempelberg haben. In Wahrheit, so heißt es in zeitgenössischen Schriften, hätten die neun Ritter das Ziel, einen Schatz zu finden, dessen scheinbare Existenz viele Menschen bis heute zu den wildesten Theorien anstiftet: die Bundeslade. Darin sollen die Gesetzestafeln liegen, die Moses einst vom Berg Sinai mitbrachte. Und nicht zu vergessen: eben jene Texte, die nicht weniger versprechen, als den leider immer noch vermissten Stein der Weisen gefunden zu haben.

Spendable Herrscher

Das Bedürfnis nach Verschwörungstheorien scheint noch immer weit verbreitet, und der Orden der Tempelritter bietet massenhaft Stoff dafür. Hollywood wäre nicht Hollywood, wenn die amerikanische Filmindustrie das nicht längst erkannt hätte. Die Ritter sehen ja auch blendend aus: Leuchtend weiß sind sie gekleidet, auf der linken Schulter prangt das blutrote Templerkreuz. Später schmücken die kämpfenden Mönche auch Brust und Schild mit dem sogenannten Tatzenkreuz.

Ihr Anführer, Hugo von Payens, macht sich im Jahr 1127 von Jerusalem auf nach Europa. Er will neue Ordensbrüder rekrutieren. Auf seiner Werbetour sammelt er nicht nur neue Mitglieder, sondern auch Gold und Ländereien, die ihm Menschen vermachen, in dem Glauben an das Gute. Besonders spendabel erweisen sich die Herrscher Spaniens und Portugals. Sie wollen die Ritter aus Jerusalem für sich gewinnen, um die Iberische Halbinsel vor dem muslimischen Süden zu schützen.

Im Jahr 1128 wird der Templerorden auf dem Konzil von Troyes von Papst Honorius II. anerkannt und elf Jahre später sogar unmittelbar dem Oberhaupt der katholischen Kirche unterstellt. Das Beste daran: Die Templer werden mit einer Reihe Privilegien ausgestattet. Sie zahlen keine Steuern und Zölle, für die Gotteskrieger gelten weder weltliche noch kirchliche Gerichte.

Ritter auf dem Scheiterhaufen

Und so häufen die Mönche und Ritter des Ordens im Laufe der Jahre unermessliche Reichtümer an. Sie verleihen Gold zu abenteuerlichen Zinsen. Mitte des 13. Jahrhunderts haben sie sich über ganz Europa ausgebreitet. Wenn man so will, erschaffen die Ordensmönche ein gigantisches Netzwerk - finanziell, politisch und religiös.

Eben diese vermeintliche Religiosität wird ihnen zum Verhängnis. Am 13. Oktober 1307 lässt der französische König Philipp IV., genannt der Schöne, alle 1000 Ordensfilialen in seinem Reich durchsuchen. Die Anführer werden verhaftet. Sieben Jahre dauert das Verfahren gegen die Ritter. In der Anklageschrift wird ihnen vorgeworfen, so gut wie alle Untaten begangen zu haben, die den christlichen Gelehrten zufolge Unheil über die Welt bringen sollen: Ketzerei, gnostisch-esoterische Praktiken, Unzucht, Blasphemie.

Im März 1312 löst Papst Clemens V. auf massiven Druck des französischen Königs Philipp den Templerorden offiziell auf, obwohl die Vorwürfe in anderen Ländern nie und nimmer als bewiesen galten. Wie auch immer: In Frankreich wird erst Napoleon I. den Orden wieder zulassen. Heute heißt er "Christlicher Ritterorden vom Tempel zu Jerusalem".

Stoff für Hollywood-Autoren

König Philipp IV. jedenfalls genießt seinen Triumph. Als die Körper großer Templer-Persönlichkeiten im Jahre 1314 auf dem Scheiterhaufen brennen, sieht er von einem Fenster aus amüsiert zu. Erst als er den Geruch verbrannten Menschenfleisches nicht mehr ertragen kann, soll er sich in seine Gemächer zurückgezogen haben.

Zu den Mythen um die Tempelritter gehört auch die Geschichte, dass Philipp IV. nur wenige Monate nach dem Scheiterhaufen-Schauspiel bei einem Jagdunfall stirbt. Das hätten ihm die Templer vor ihrem Tod noch prophezeit, heißt es.

Das Leben und Sterben der kämpfenden Mönche liefert nicht nur für Hollywood-Autoren abenteuerliche Geschichten. Egal, ob in Südfrankreich oder Schottland, auf Mallorca, in Portugal oder in Berlin-Tempelhof, wo die Templer zu Beginn des 13. Jahrhunderts die Ordenskomtur Tempelhof errichteten. Es ist vor allem die Mystik des Tempelritter-Ordens, die Menschen weltweit fasziniert. Immer wieder machen sich Historiker, Abenteurer oder Verschwörungstheoretiker auf die Suche nach dem Schatz der Templer.

Gefunden hat ihn noch niemand. Aber was heißt das schon?

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