Scharping und Schaeffler:In diskreter Mission

Was macht eigentlich Rudolf Scharping? Der frühere SPD-Chef zieht hinter den Kulissen die Fäden beim angeschlagenen Autozulieferer Schaeffler.

Uwe Ritzer

Ursprünglich sah alles nur nach einem kleinen Freundschaftsdienst aus. Ein Anruf bei einem alten Genossen. Rudolf Scharping vermittelte Maria-Elisabeth Schaeffler einen Kontakt zu IG-Metall-Chef Berthold Huber. Wenig später saßen die Unternehmerin und der Gewerkschaftsboss am Verhandlungstisch, nach Jahren weitgehender Sprachlosigkeit zwischen beiden Seiten.

Scharping Gräfin Pilati, Getty Images

Gut vernetzt: Rudolf Scharping und seine Frau, Kristina Gräfin Pilati von Thasul zu Daxberg-Borggreve.

(Foto: Foto: Getty Images)

Sie einigten sich auf eine "Zukunftsvereinbarung", deren Inhalt man verkürzt so zusammenfassen kann: Schaeffler führt in ihrer Firma Mitbestimmung ein und die IG Metall macht sich im Gegenzug für Staatshilfe für den durch die Übernahme von Continental ins Trudeln geratenen Familienkonzern stark.

Was im Februar wie eine Gefälligkeit aussah, geht in Wirklichkeit viel tiefer. Seit Monaten schon ist der ehemalige Ministerpräsident, Bundesminister und SPD-Vorsitzende in einer diskreten Mission für Maria-Elisabeth Schaeffler unterwegs. Rudolf Scharping ist inzwischen einer der wichtigsten und einflussreichsten Berater der Unternehmerin und ihres Sohnes Georg. Er verhandelt für sie mit Arbeitnehmervertretern, wenn es um Personalkosteneinsparungen von immerhin einer Viertelmilliarde Euro geht. Und er mischt darüber hinaus im Hintergrund beim gemeinsamen Zukunftskonzept für Schaeffler und Conti mit, das auch Grundlage für etwaige Staatshilfe in Milliardenhöhe sein soll.

Ein elitärer Kreis

Der Sozialdemokrat und die Milliardärin aus dem Fränkischen - wie geht das zusammen? Rudolf Scharping, 61, mag dazu öffentlich nichts sagen. Und auch bei Schaeffler ist man gewohnt zurückhaltend. "Herr Scharping ist der Familie Schaeffler seit Jahren freundschaftlich verbunden", sagt ein Firmensprecher. Das stimmt. Man kennt sich lange und gut.

Scharpings Ehefrau, die Frankfurter Rechtsanwältin Kristina Gräfin Pilati, ist eine enge Freundin von Maria-Elisabeth Schaeffler. Man trifft sich öfter. Privat oder neuerdings auch im "Frankfurter Zukunftsrat". Dieser elitäre Kreis von Unternehmern, Bankern, Politikern und Wissenschaftlern will nach eigenem Bekunden Antworten auf vielfältige Zukunftsfragen finden. Und ganz nebenbei ist er eine perfekte Plattform für modernes "Networking".

Den Vereinsvorsitz hat Bankiersgattin Sylvia von Metzler inne; das private Geldhaus parkt im Moment in Schaefflers Auftrag einen Großteil jener 40 Prozent überschüssiger Conti-Aktien, welche die Franken im Zuge der Übernahme teuer einkaufen mussten. Stellvertretende Vorsitzende des Zukunftsrat-Vereins sind die Eheleute Pilati und Scharping. Maria-Elisabeth Schaeffler wiederum ist Vorsitzende des Zukunftsrat-Kuratoriums. Ihr Stellvertreter heißt Wolfgang Clement.

Der frühere SPD-Bundeswirtschaftsminister war jahrzehntelang ein politischer Weggefährte Scharpings, er sitzt auch im Beirat von dessen Firma RSBK. Diese Beraterfirma mit gut einem Dutzend Mitarbeitern, dem Sitz in Frankfurt und einem Zweigbüro in Dubai hat Scharping 2004 gegründet, ein Jahr vor seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag. RSBK berät Unternehmen in Fragen von Strategie und Kommunikation. Genau das kann Schaeffler gut brauchen. So fügt sich sowohl personell als auch inhaltlich vieles zusammen.

2. Teil: Scharpings Metamorphose

Den Sozialdemokraten Scharping in ihrem Auftrag mit Betriebsräten und Gewerkschaftern verhandeln zu lassen, darf als geschickter Schachzug der Unternehmerin gesehen werden. Die Personalie sorgt für Vertrauen und Ruhe an der Arbeitnehmerfront. So blieb der Ex-Politiker auch nach der Unterzeichnung der "Zukunftsvereinbarung" im Schaeffler-Boot. Wann immer sich seither der zehnköpfige, von Firmen- und Arbeitnehmervertretern gebildete Arbeitskreis traf, der die Mitbestimmung bei Schaeffler bis hin zur freiwilligen Einführung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrates umsetzen soll, mischt Scharping mit. Als Verhandlungsführer auf Seiten Schaefflers.

Dass diese Woche vereinbart wurde, 250 Millionen Euro Personalkosten ohne betriebsbedingte Kündigungen einzusparen, sei auch seinem Engagement zu verdanken, heißt es in Gewerkschaftskreisen. Dort wundert man sich zwar etwas über Scharpings Metamorphose vom Genossen zum mutmaßlich gut bezahlten Schaeffler-Flüsterer. Scharping vertrete die Positionen der Unternehmersfamilie aber moderat und mit Augenmaß, heißt es. Er sehe seine Rolle wohl eher als Mediator und Moderator.

Hilfreiche Kontakte

Dabei verbindet ihn ein kurzer Draht mit seiner Auftraggeberin. "Wenn es irgendwo hakt, greift er schon mal zum Telefon, ruft sie an und in der Regel geht es dann wieder vorwärts", beschreibt jemand, der in die Gespräche involviert ist. Scharping, so der allgemeine Eindruck, habe nicht nur das Ohr der Milliardärin, sondern deutlich mehr zu sagen als die Schaeffler-Manager an seiner Seite.

Fleißig telefoniert der Ex-Minister und Lobbyist seit Wochen auch, wenn es um das Konzept geht, mit dem Schaeffler und Conti ihre Zukunft finanziell absichern wollen. Dem Vernehmen nach redet Scharping mit Bankern, Ministern und Managern gleichermaßen häufig. Nicht in den eigentlichen Verhandlungsrunden, sondern diskret im Hintergrund. Dabei geht es häufig um die Frage von Staatshilfen. Seine Kontakte in Ministerien und nicht nur in die SPD seien hilfreich, wenn es um Staatshilfen gehe, heißt es. So zumindest das Kalkül.

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