Süddeutsche Zeitung

Schäubles Plan:Sicherheit durch Pleite-Klausel

Lesezeit: 3 min

Wie ein Europäischer Währungsfonds die Euro-Zone mit einem Europäischen Währungsfonds retten soll.

Von Cerstin Gammelin

Die Euro-Zone soll einen Währungsfonds bekommen. Jedenfalls, wenn es nach Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble geht. Die prominentesten Unterstützer kommen aus dem deutschen Umfeld: Bundesbankpräsident Jens Weidmann und Klaus Regling, Direktor des Euro-Rettungsfonds ESM. Sie hoffen, mit einem Europäischen Währungsfonds (EWF) die Euro-Zone zu retten.

Selbstverständlich ist das nicht. Die Währungsgemeinschaft krankt an einem Konstruktionsfehler aus ihrer Gründungszeit. Es gibt eine gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Wirtschafts- und Haushaltspolitik. Viele Staaten haben keine Lust, diesen Fehler zu beheben. Das führt dazu, dass die Euro-Zone krisenanfällig ist, auch wenn die Wirtschaft in den meisten Ländern gerade kräftig zulegt und neue Jobs entstehen. Der Aufschwung ist gefährdet. Die Schulden in vielen Euro-Staaten sind zu hoch, die Banken haben zu viele faule Kredite in den Büchern, die politischen Verhältnisse in einigen Staaten sind fragil, es gibt vereinzelt kraftvolle Forderungen, den Euro aufzugeben, strukturelle Reformen werden verschleppt.

Schäubles Idee zielt darauf, die Krisenanfälligkeit zu begrenzen. Er will die Währung unabhängiger machen von politischen Veränderungen in Mitgliedstaaten, etwa nach Parlamentswahlen. Anders als bisher soll es unerheblich sein, ob eine linke, eine liberale, eine konservative oder auch eine nationalistische Regierung an die Macht kommt. Für den Fall, dass ihr das Geld ausgeht, greifen stets die gleichen, automatisierten Mechanismen.

Konkret heißt das, ein von der Pleite bedrohtes Euro-Land bekommt eine Art Überbrückungskredit. Damit kann es staatliche Aufgaben erfüllen, etwa die Polizei zahlen. Und es muss das Gemeinwesen handlungsfähig halten. Gleichzeitig sehen die Regeln vor, dass das Land als Gegenleistung seine Schulden reduzieren und seine Gläubiger daran beteiligen muss. Schäuble will nichts Geringeres als die organisierte Insolvenz von Euro-Staaten vertraglich festschreiben. Was den Vorteil hat, dass dann auch große Euro-Staaten gerettet werden könnten - was heute nicht möglich ist.

Die Bundesbank hat im vergangenen Sommer eine Blaupause dafür entworfen. Grob vereinfacht schlägt sie vor, dass Euro-Staaten ihre Staatsanleihen mit einer besonderen Klausel versehen. Darin wird schon bei Ausgabe der Anleihe festgelegt, dass die Gläubiger im Falle einer Überschuldung des Landes auf einen Teil ihrer Rendite verzichten.

Ist ein Staat überschuldet, sollen sich Gläubiger automatisch am Schuldenschnitt beteiligen

Beantragt ein Euro-Land einen Überbrückungskredit, würde sich die Laufzeit der Staatsanleihen um drei Jahre verlängern. Zeichnet sich in dieser Zeit ab, dass der Staat keine vorübergehende Zahlungsschwäche hat, sondern überschuldet ist, beteiligen sich die Gläubiger automatisch an einem Schuldenschnitt.

Unumstritten ist das nicht: Der Vorteil aus Sicht der Bundesbank liegt darin, dass Staaten ihre Schulden abbauen. Der Nachteil aus Sicht von heute schon überschuldeten Staaten: solche Klauseln würden die Finanzierungskosten des Staates deutlich erhöhen. Zusätzlich schwebt der Bundesbank vor, das Bankensystem von politischen Risiken abzuschirmen. Dazu könnte die Menge der Staatsanleihen begrenzt werden, die eine Bank von einem bestimmten Land halten darf.

Die Idee, einen EWF zu gründen, hatte Schäuble schon 2010, als die Schuldenkrise in Griechenland begann. Sie verschwand in der Schublade, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel darauf bestand, den Internationalen Währungsfonds (IWF) an den Kreditprogrammen für notleidende Euro-Staaten zu beteiligen. Der in der Bewältigung von Schuldenkrisen erfahrene IWF sollte helfen, die richtigen Reformen anzupacken. Inzwischen, sagt Schäuble, hat er Merkel überzeugen können, künftige Krisen ohne den IWF zu bewältigen. Eben mit einem Europäischen Währungsfonds.

Schäuble weiß, dass er unter den Euro-Partnern auf erbitterten Widerstand stoßen wird. Um die anderen Regierungen zu überzeugen, sich dem strengen Regime zu unterwerfen, wird es nötig sein, ein großes Kompromiss-Paket zu schnüren, das auch Interessen südlicher Staaten berücksichtigt. Das könnte etwa eine Euro-Arbeitslosenversicherung oder ein spezieller Euro-Haushalt sein, aus denen vorübergehende soziale Härten abgefedert werden, die entstehen, wenn Jobs durch Reformen verloren gehen.

Konkrete Verhandlungen werden die Euro-Staaten erst beginnen, wenn in Paris und Berlin neue Regierungen im Amt sind. Bisher gibt es lediglich unverbindliche einzelne Gespräche.

Schäuble plant, den vorhandenen Euro-Rettungsfonds ESM zum Europäischen Währungsfonds (EWF) auszubauen. Am liebsten würde er die Überwachung der nationalen Haushalte aus der EU-Kommission auslagern und dem EWF übertragen. Er begründet den Wunsch damit, dass sich die EU-Kommission zu nachgiebig zeigt und Schuldenländer nicht genug dazu drängt, strukturelle Reformen durchzuziehen. Dazu wäre allerdings neben dem Einverständnis der anderen Staaten eine Änderung der EU-Verträge nötig. Beides ist unrealistisch.

Realistischer scheint es dagegen zu sein, in einem ersten Schritt die Insolvenzordnung für Staaten in den ESM-Vertrag zu schreiben. Dazu ist keine Änderung der EU-Verträge nötig, weil der ESM ohnehin eine zwischenstaatliche Organisation ist, also jenseits der EU-Verträge existiert. Realistisch ist auch, dass der ESM oder schon der EWF künftige Krisenländer allein rettet. Finanzkraft und Expertise sind vorhanden. Cerstin Gammelin

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SZ vom 24.04.2017
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