Papst Johannes Paul II. sprach von einer sozialen Sünde. Gemeint war die Steuerhinterziehung. In dieser Woche beginnt der Prozess wegen Steuerhinterziehung gegen Uli Hoeneß. Hoeneß vor Gericht ist ein spektakulärer Einzelfall - das Problem der Steuerhinterzieher ist in Deutschland viel größer.
Friedrich Schneider, Professor an der Universität Linz, hat dies untersucht. Für 2013 kommt er auf einen Wert von insgesamt 13,3 Milliarden Euro, heißt es in seiner bisher unveröffentlichten Schätzung. Demnach werden insbesondere Kapitaleinkünfte hinterzogen. Die 13,3 Milliarden Euro entsprechen fast 2,5 Prozent der Steuereinnahmen von Bund und Ländern im vergangenen Jahr.
Für 2012 hatte Schneider den Steuerausfall auf 12,5 Milliarden Euro geschätzt. Der Anstieg im vergangenen Jahr heißt nun nicht unbedingt, dass es plötzlich mehr Steuerhinterzieher gibt. Vielmehr liegt es an der Methode, mit der Forscher versuchen, sich dem schwarzen Loch Steuerhinterziehung zu nähern. Schneider arbeitet mit Umfragen zur Steuermoral, um den Umfang der Schattenwirtschaft zu messen. Diese werden dann mit realen Wirtschaftsdaten kombiniert, mit Kapitalflüssen, dem Wirtschaftswachstum, den Steuerraten.
Drei Typen von Steuerhinterziehern
Umfragen nach illegalem Verhalten sind zwangsläufig unscharf. Wenn Sozialwissenschaftler jemanden direkt fragen, ob er Steuern hinterzieht, lügen viele. Deswegen probieren es die Forscher anders: Sie wollen wissen, ob Steuerhinterziehung moralisch verwerflich ist oder gerechtfertigt sein kann. Oder ob die Befragten jemanden persönlich kennen, der Steuern hinterzieht. Aus diesen Werten versuchen sie, einen Schätzwert zu bilden.
Dass Schneiders Schätzung 2013 größer ausfällt, hat auch mit der besseren Datenlage zu tun. Die Fälle auf Steuer-CDs und die vielen Selbstanzeigen verbessern die statistische Basis erheblich. Schneider sieht aber auch Indizien, dass mehr Leute ihr Vermögen ins Ausland bringen wollen, weil sie fürchten, dass Gesetzgeber und Strafverfolgungsbehörden künftig aggressiver gegen ihre Tricks vorgehen wollen.
Schneider teilt die Steuerhinterzieher in drei Gruppen ein. Da gibt es jene, die nur ein bisschen zur Seite schaffen wollen, falls mal etwas passiert. Die erst mal nur 50 000 Euro über die Grenze bringen, keine großen Summen. Diese Leute könnten dann tiefer in die Steuerhinterziehung hineinrutschen, wenn sie merken, dass ihre Tat unentdeckt bleibt - dann stockten sie das Konto nach und nach auf. Schneider schätzt, dass vierzig Prozent der Steuerhinterzieher in diese Kategorie fallen. Ebenso groß sei der Anteil derer, die rational und kühl an die Sache herangehen. Sie hinterziehen mit Vorsatz und kennen die Gesetze genau. Die restliche Minderheit, zwanzig Prozent der Fälle, sind laut Schneider Spielertypen, für die die Steuerhinterziehung eine Art Kasinospiel ist.