Schaeffler stößt Conti-Aktien ab:"Eher Kunst als Mathematik"

Zwölf Milliarden Euro Schulden lasten insgesamt auf der Familie: Pünktlich zur Rückkehr in den Dax verkauft Maria-Elisabeth Schaeffler auf einen Schlag 20 Millionen Aktien von Continental. Das erbringt 1,7 Milliarden Euro - die Anleger finden den Schritt weniger lustig.

Hans-Jürgen Jakobs und Uwe Ritzer

Es war ein großer Tag für Continental, den Automobilzulieferer aus Hannover. Endlich war man wieder zurück im Deutschen Aktienindex (Dax), dem Oberhaus der Börse. Für einen Großaktionär war es die Stunde, einen ganzen Schwung Aktien zu verkaufen: 20,8 Millionen Stück. Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg machten Kasse.

Milliardentransaktion: Schaeffler verkauft Continental-Aktien

Der Kurs war hoch - Maria-Elisabeth Schaeffler nutzte die Rückkehr von Conti in den Dax für rasches Handeln.

(Foto: dapd)

Immerhin erbringt der Deal - gemessen nach Marktpreisen - fast 1,7 Milliarden Euro. Das macht die fränkische Schaeffler-Familie nicht reich, sondern befreit sie aus dem Würgegriff der Banken. Denn die Wälzlager-Unternehmer hatten sich vor Jahren bei der feindlichen Übernahme des viel größeren Continental-Konzerns schwer verschuldet (Deckname: "Paul kauft Emma") - und übernommen. Insgesamt rund zwölf Milliarden Euro Verbindlichkeiten lasten auf den einzelnen Firmen des Verbunds. Da hilft die Verkaufsaktion am D-Day, dem Tag der Dax-Rückkehr, beim nötigen Schuldenabbau.

"Am Ende des Tages ist das eher Kunst als Mathematik", sagt Schaeffler-Finanzchef Klaus Rosenfeld. Er ist der kunstvolle Architekt dieser Lösung, die sehr wohl die Gesetze der Mathematik beachtet - wonach Tilgung und Zins einfacher fällt, wenn die Gesamtlast sinkt.

Natürlich ist es ein knallhart durchgerechnetes Geschäft: Just am Ende des ersten Tages, an dem der Autozulieferer Continental AG nach mehrjähriger Pause wieder im Elite-Börsenindex gehandelt wurde, schlägt der Hauptaktionär Schaeffler auf die Pauke: Die beiden Banken M.M. Warburg und Metzler verkaufen von diesem Dienstag an auf einen Schlag ihre sämtlichen 20,8 Millionen Conti-Aktien, was etwa 10,4 Prozent des Unternehmens entspricht. Die Papiere würden im Rahmen einer beschleunigten Platzierung internationalen Investoren angeboten, heißt es im Management. Bis zum Freitag soll die Groß-Verkaufsaktion abgeschlossen sein.

Organisiert wird die Platzierung federführend von der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs; deren Deutschland-Chef Alexander Dibelius hatte die Schaefflers auch schon beim riskanten Angriff auf Conti einst beraten. Mit dabei sind die Commerzbank und die Unicredit Bank, die Mutter der Hypo-Vereinsbank.

Zahllasten sinken auf voraussichtlich 3,5 Milliarden Euro

In der Branche wird damit gerechnet, dass die Schaeffler-Familie zu einem späteren Zeitpunkt weitere Anteile versilbern wird, um so den Schuldenberg weiter abzubauen. Allerdings dürfte der fränkische Zulieferer dabei darauf bedacht sein, eine Hauptversammlungsmehrheit zu behalten, um die Geschicke bei Conti weiter zu bestimmen. Aber dazu muss man nur wenig mehr als 30 Prozent halten, wenn es hart auf hart kommt.

Die Schaeffler-Holding in Herzogenaurach profitiert davon. Am neuen Dax-Konzern, der für seine Reifen bekannt ist, hielt die Schaeffler-Dynastie bislang 60 Prozent; eine Tranche hatte man bereits vor Monaten abgestoßen, da lief die Aktion "Runter mit den Schulden" schon. Von den 60 Prozent liegen nur 36 Prozent bei der Schaeffler AG. Weitere 14 Prozente besitzt die Holding der Eigentümer Maria-Elisabeth und Georg Schaeffler - und die restlichen zehn Prozent der Conti-Aktien waren bislang bei den beiden Banken M.M. Warburg und Metzler geparkt.

Die Schulden der Schaefflers sind zwischen der Obergesellschaft und der operativen AG schön aufgeteilt. Die fünf Milliarden Zahllasten in der Holding sinken nunmehr auf voraussichtlich 3,5 Milliarden Euro. Insgesamt behält die Schaeffler-Familie am Ende der Transaktion noch 49,9 Prozent entsprechend der Investorenvereinbarung. Das ist optisch nicht mehr die Mehrheit. Und einst gab es ja sogar den Plan, den Schaeffler-Verbund mit Continental zu verschmelzen, was aber nun endgültig erledigt ist.

"Dann verlierst du dein Vermögen!"

Der Schaeffler-Vertraute Wolfgang Reitzle, im Hauptberuf Linde-Chef und daneben auch Aufsichtsratschef bei Conti, hat die neue Strategie maßgeblich begleitet. Er berät sich dem Vernehmen nach eng mit Georg Schaeffler, dem Juristen, der lange in den USA lebte. Als ihm die Unternehmerwitwe Schaeffler, die alle Geschäftskniffe beim Firmenerbauer Georg Schaeffler senior gelernt hatte, einst von der Attacke auf Conti erzählt hatte, soll der Manager entsetzt geäußert haben: "Dann verlierst Du Dein Vermögen!"

Jetzt wird es gesichert. Für den Sohn und die drei Enkel. Zuvor hatte die Konzernchefin die verschlossene Firma in eine Aktiengesellschaft umwandeln und öffnen müssen. Über Anleihen finanziert sich die Gruppe am Kapitalmarkt.

Finanzchef Klaus Rosenfeld erklärt: "Ob man 50,1 oder 49,9 Prozent hat, ist unerheblich." Was er meint: Egal wie - mit einem solchen Aktienpaket kann man jede Hauptversammlung beherrschen.

Mit dem Kurs des Continental-Konzerns aus Hannover war es seit März 2009 steil bergauf gegangen. Das lag auch an den Künsten des Elmar Degenhart, einst Top-Manager bei den Schaefflers und dann ins Niedersächsische abkommandiert. Wer damals vor dreieinhalb Jahren 1000 Euro investierte, ist heute um 6500 Euro reicher. Solche Geschichten liebt der Aktienmarkt, es sind die Geschichten von einem Turn-around.

Kämpferin im Nadelstreifenanzug

Für die Eigentümerin Maria-Elisabeth Schaeffler, 71, die im Kreis von Freunden auch mal "die Schaefflerin" genannt wird, ist es ein später Trost, dass ihr Abenteuer Conti gut ausgehen kann. Die Frau, die sich schon mal mit Nadelstreifenanzug und Einstecktuch zeigt, ist eine Kämpferin, die auch in schwerer Stunde nicht aufgab, auch wenn sie angesichts des drohenden Verlustes der Firma schon mal vor den Mitarbeitern geweint hat. Die waren mit Transparenten ("Auch wir sind Schaeffler") auf die Straße gegangen.

Dass nun en gros Conti-Papiere in den Markt geknüppelt werden, finden Anleger aber weniger lustig. Die Aktie sank im nachbörslichen Parketthandel um mehr als fünf Prozent auf knapp 79 Euro.

Schaeffler-Finanzchef Rosenfeld nennt den Verkauf einen "signifikanten Schritt" für die angestrebte Entschuldung. Man habe bewusst "die gute Entwicklung bei Conti" in letzter Zeit genutzt, diese erstaunlichen Höhenflüge an der Börse.

Also doch: reine Mathematik.

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