Schaeffler:Mitten im Umbruch

Hauptversammlung Schaeffler

Ein Bild aus vergangenen Zeiten: Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann zwischen Sohn Georg Schaeffler (rechts) und Vorstandschef Klaus Rosenfeld vor Beginn der Hauptversammlung 2017.

(Foto: Daniel Karman/dpa)

80 Jahre nach der Gründung hat der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler Probleme. Die Geschäfte laufen schlechter als erwartet und die Chefin ist abgetaucht.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Die Matriarchin lässt sich kaum noch sehen. Sowohl bei der Firma Schaeffler, als auch bei Continental tritt Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann seit längerem nicht mehr persönlich in Erscheinung. Das gilt auch für die Aufsichtsratssitzungen, wo sich die Unternehmerin, die am 17. August ihren 78. Geburtstag feiert, wenn überhaupt, nur noch per Telefon zuschalten lässt. Selbst in der Konzernzentrale in Herzogenaurach bei Nürnberg sagen viele, sie hätten Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann schon lange nicht mehr gesehen. Käme sie wieder öfter vorbei, würde sie ein unruhiges Unternehmen mitten im schmerzhaften Umbruch erleben.

Das zeigen neueste Zahlen. Für das laufende Jahr rechnet die Schaeffler AG mit Stagnation beim Umsatz, leicht rückläufigem Gewinn und etwas weniger freiem Barmittelspielraum, bestenfalls. Nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren musste Vorstandschef Klaus Rosenfeld seine Erwartungen nach unten korrigieren. Schuld daran sei die Flaute in der Automobilindustrie, sagt Rosenfeld. Statt um ein Prozent, wie von ihm und seinem Management noch im Februar erwartet, werde die Autoproduktion weltweit im laufenden Jahr um vermutlich vier Prozent zurückgehen. Schaeffler, Hersteller von Wälzlagern, sowie Präzisionsteilen und -komponenten vorwiegend für Motor, Getriebe und Fahrwerk, leidet bereits unter einer rückläufige Nachfrage einiger Großkunden. Schnelle Besserung erwartet Rosenfeld nicht. "Das Umfeld , sagt er, "ist für den Rest des Jahres weiterhin mit hohen Risiken behaftet."

So geht es vielen Automobilzulieferern. Die schlappe Konjunktur, aber auch Handelshemmnisse, die Angst vor dem Brexit und der wirtschaftspolitisch unberechenbare US-Präsident sorgen die gesamte Branche. Hinzu kommt die eigene, teure Neuausrichtung weg vom Verbrennungsmotor und hin zur Elektromobilität.

Rosenfeld und seine Leute kämpfen an mehreren Fronten

Letzteres bereitet Schaeffler besonders große Probleme. Das Unternehmen stellt vorwiegend Produkte für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren her, die in E-Autos nicht mehr gebraucht werden. Der Wille zum eigenen Umbau ist in dem 92 500 Mitarbeiter zählenden Konzern vorhanden; allein ob der Turnaround schnell und ohne große Einschnitte beim Personal klappt, ist fraglich. Unter den Beschäftigten macht sich zunehmend Nervosität breit; das lange Zeit friedliche Klima zwischen Managern und Arbeitnehmervertretern wird spürbar rauer. Vor allem die IG Metall drängt auf Konzepte, um die Arbeitsplätze zu erhalten.

So kämpfen Rosenfeld und seine Leute gerade an gleich mehreren Fronten. Wenigstens haben sie die Sparte Industrie, die jahrelang schwächelte und wo mehrere hundert Stellen abgebaut wurden, wieder flott bekommen. Ihr Geschäft wuchs in den ersten sechs Monaten um 5,9 Prozent, der Betriebsgewinn (Ebit) legte sogar um 11,2 Prozent zu. In Südostasien stieg der Industrie-Umsatz sogar um 23 Prozent.

Das Problem ist jedoch das Automobilgeschäft. Die beiden Sparten OEM und Aftermarket, die Präzisionsteile und Komponenten für die Autoindustrie fertigen, beziehungsweise Ersatzteile für Werkstätten. Hier sanken die Umsätze von Januar bis einschließlich Juni verglichen mit dem Vorjahr um 2,9, beziehungsweise 2,4 Prozent. Das drückt auf die Profitabilität; im zweiten Quartal brach der Betriebsgewinn (Ebit) von 382 auf 253 Millionen Euro ein.

Als Folge droht das Unternehmen immer tiefer in die Klemme zu geraten. Einerseits drückt Vorstandschef Rosenfeld auf die Ausgabenbremse und fordert vom eigenen Führungspersonal mehr Kostendisziplin. Im Zuge dessen wird über Verlagerungen von Produktionen aus Deutschland in Billiglohnländer nachgedacht, was wiederum Betriebsrat und IG Metall auf den Plan ruft. Sie fordern zukunftsfähigere Arbeit für die Beschäftigten, soll heißen: Produkte für die Elektro- und Hybridfahrzeuge der Zukunft. Dafür aber müsste Schaeffler gewaltig investieren. Geht es im bisherigen Tempo weiter, läuft Schaeffler nach Ansicht von Branchenexperten die Zeit davon. Und das alles ausgerechnet in dem Jahr, in dem das Unternehmen seinen 80. Geburtstag feiert.

1939 übernahmen die Schaefflers in ihrer oberschlesischen Heimat unter zweifelhaften Umständen die Davistan AG, deren jüdische Gründer vor dem NS-Regime fliehen mussten. Nach Flucht und Kriegsende dann gründeten die Brüder Wilhelm und Georg Schaeffler, Maria-Elisabeths Ehemann, das Unternehmen in Herzogenaurach neu.

Dort übrigens stehen die Zeichen ungeachtet aller Probleme auf Expansion. Jüngst kaufte Schaeffler das benachbarte, ehemalige Firmengelände des Sportartikelherstellers Adidas. Samt der Villa des Firmengründers Adi Dassler. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: