Schaeffler-Betriebsrat:"Jeder fragt sich, wie es weitergeht"

Schaeffler-Betriebsrat Thomas Mölkner über die Krise des einstigen Vorzeigekonzerns - und warum die Mitarbeiter Angst haben.

Melanie Ahlemeier

Betriebsrat Thomas Mölkner über den dramatischen Appell der Eigentümer Maria-Elisabeth Schaeffler und Georg Schaeffler, die Sorgen und Ängste der Schaeffler-Mitarbeiter - und warum die Kurzarbeit im großen Stil keine echte Überraschung für die Angestellten ist. Mölkner ist Betriebsratsvorsitzender am Firmenstammsitz Herzogenaurach und zudem Vorsitzender des Europäischen Betriebsrates. Er ist seit 30 Jahren für das Unternehmen Schaeffler tätig.

Schaeffler-Betriebsrat: Konzernchefin Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg sind immer noch auf der Suche nach Investoren, um den in Finanznot geratenen Konzern zu retten.

Konzernchefin Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg sind immer noch auf der Suche nach Investoren, um den in Finanznot geratenen Konzern zu retten.

(Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herr Mölkner, Konzernchefin Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg haben einen dramatischen Appell verfasst, denn sie finden einfach keinen Investor. Arbeitet der Betriebsrat bereits einen Sozialplan aus?

Thomas Mölkner: Nein, soweit sind wir momentan noch nicht. Wir tun alles, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

sueddeutsche.de: Kritiker sagen, es sei absehbar gewesen, dass sich Schaeffler an Conti verhebt. War es der pure Größenwahn, im großen Stil beim dreimal größeren Dax-Konzern einzusteigen?

Mölkner: Es war keine Spekulation, es sollte eine sinnvolle Zusammenarbeit im Bereich Autoelektronik und -mechanik werden. In dem einen Feld ist Conti stark, in dem anderen Schaeffler. Wir haben das als Zukunftsprojekt gesehen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Wir haben aber auch gesehen, dass die Finanzierung ein Risiko darstellt. Dass sich die Marktsituation so verschärft, hat von uns damals keiner vermutet.

sueddeutsche.de: Bringt Frau Schaeffler das nötige kaufmännische Know-how mit, um einen Deal in dieser Größenordnung abwickeln zu können?

Mölkner: Das kann ich nicht beurteilen. Aber wir haben unsere Spezialisten für die strategische Planung, die haben ihre Arbeit gemacht.

sueddeutsche.de: Der Konzern Schaeffler ist angesichts der desolaten Lage bereit, einzelne Unternehmensteile abzugeben. Wie groß ist die Unruhe unter den Mitarbeitern?

Mölkner: Bei den Betriebsversammlungen ging es vor allem um die Frage, wie stark jeder betroffen ist und worauf bei der Kurzarbeit zu achten ist. Die Ängste sind da und jeder fragt sich, wie es weitergeht.

sueddeutsche.de: Seit vergangener Woche arbeiten 25.000 Mitarbeiter bei Schaeffler 20 Prozent weniger, angesetzt ist die Kurzarbeit für sechs Monate. Erste Anzeichen von Siechtum?

Mölkner: Nein, die Verhandlungen hatten schon Mitte Dezember begonnen, die Kurzarbeit war also keine Aktion von heute auf morgen. Die Kollegen mussten rechtzeitig informiert werden. Auch das Konjunkturpaket II Anfang Januar hat die Situation noch einmal verändert, weil die Kurzarbeit für Arbeitgeber attraktiver geworden ist.

sueddeutsche.de: Schaeffler geht es "um eine zeitlich begrenzte Überbrückung in einer besonderen Ausnahmesituation für ein Unternehmen, das im Kern gesund ist". Wie glaubhaft ist so eine Aussage bei 20 Milliarden Euro Schulden?

Mölkner: Von der Technologie und vom Know-how im Unternehmen sind wir schon noch gesund, weil wir viele hochqualifizierte Mitarbeiter und einen guten Maschinenpark haben. Das war auch ein Vorteil in der Vergangenheit, das ist nicht von heute auf morgen weg.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Schaeffler-Informationspflicht gegenüber dem Betriebsrat ein Witz ist.

"Jeder fragt sich, wie es weitergeht"

sueddeutsche.de: Wie nehmen die Angestellten die Chefin Maria-Elisabeth Schaeffler derzeit wahr?

Schaeffler-Betriebsrat: Schaeffler-Betriebsrat Thomas Mölkner

Schaeffler-Betriebsrat Thomas Mölkner

(Foto: Foto: oH)

Mölkner: Sie war bei zwei Betriebsversammlungen. Sie hat den Blick nach vorn und schaut, dass es anständig weitergeht und dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

sueddeutsche.de: Vor zwei Wochen hatte Ihre Chefin einen viel beachteten Auftritt im Pelz in Kitzbühel, gleichzeitig rief das Unternehmen nach Staatsgeld. Was haben die Mitarbeiter dazu gesagt?

Mölkner: Frau Schaeffler hat Repräsentationspflichten beim Kunden Audi wahrgenommen, es hat nur wenige Diskussionen darüber gegeben.

sueddeutsche.de: Das Unternehmen will Bund und Ländern "ein tragfähiges Konzept vorschlagen". Hat der Betriebsrat schon einen Einblick bekommen, wie dieses Modell aussehen soll?

Mölkner: Nein, da wissen wir noch nichts. Das Konzept wird gerade erarbeitet, um es dann staatlichen Vertretern und den Banken vorzustellen. Ich kann auch nur die Presse-Veröffentlichungen hernehmen.

sueddeutsche.de: Im Betriebsverfassungsgesetz ist die Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers festgeschrieben, im Kern geht es dabei vor allem um die rechtzeitige Information. Kamen Schaefflers Informationen an den Betriebsrat immer rechtzeitig?

Mölkner (lacht): Wir als Schaeffler-Betriebsräte haben schon immer gesagt, dass wir mehr Transparenz wollen und dass wir frühzeitig in Planungen einbezogen werden wollen. Das war bisher nicht der Fall.

sueddeutsche.de: Hat sich seit dem Schaeffler-Einstieg beim zur Transparenz verpflichteten Dax-Konzern Conti nichts für den Betriebsrat verbessert?

Mölkner: Das Verhältnis bessert sich jetzt langsam, aber es ist immer noch nicht so, wie wir es gerne hätten.

sueddeutsche.de: Was heißt das konkret?

Mölkner: Wir merken, dass die verantwortlichen Manager jetzt offener auf uns zugehen.

sueddeutsche.de: Das war die diplomatische Antwort. Macht Ihnen Ihre Arbeit als Betriebsrat eigentlich noch Spaß?

Mölkner: Mir macht es Spaß, weil die derzeitigen Herausforderungen gewaltig sind. Noch kriegen wir das alles gut hin, darauf hoffe ich auch für die Zukunft - auch, wenn das nicht einfach ist.

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