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Schäden in Milliardenhöhe:EU-Kommission will Mehrwertsteuer-Betrug stoppen

Kriminelle tricksen die EU-Staaten aus, indem sie Waren wild über mehrere Grenzen wieder und wieder verkaufen. Der Schaden geht in die Milliarden. Die EU legt nun Pläne vor, um das System zu ändern.

Die EU will dem milliardenschweren Mehrwertsteuerbetrug endlich einen Riegel vorschieben. Die Behörde schlug dazu einen Mechanismus vor, mit dem die Mitgliedsländer sogenannte Karussellgeschäfte sofort stoppen können. Dabei lassen sich Abnehmer bei Geschäften über Landesgrenzen hinweg die Mehrwertsteuer erstatten, ohne dass die Verkäufer die Mehrwertsteuer zahlen. Um den illegalen Kreislauf aufzuhalten, will Brüssel eine befristete Umstellung auf ein Abzugsverfahren - "reverse charge" genannt - erlauben: Die Steuer muss dann der Endabnehmer entrichten, und nicht mehr der (Schein-) Zwischenhändler.

Durch die Karussellgeschäfte entgehen dem Fiskus jährlich große Summen. Ein breit angelegter Steuerbetrug mit CO2-Emissionsscheinen habe in den Jahren 2008 und 2009 einen Schaden von fünf Milliarden Euro angerichtet, sagte Kommissionssprecher Jonathan Todd. Berlin pocht deswegen schon lange auf die Möglichkeit zum Abzugsverfahren. Die Kommission weigerte sich lange Zeit, die entsprechenden Steuervorschriften zu ändern, zeigte sich nun aber bereit. Ihr Vorschlag muss noch von den Mitgliedsländern angenommen werden. Geht er durch, dann können Regierungen beim Verdacht auf einen massiven Betrug künftig binnen eines Monats die Steuererhebung ändern. Bislang ist das nur nach einem umständlichen Verfahren und nach der Zustimmung aller EU-Länder möglich, was bis zu zwei Jahre dauern kann. "Zeit ist Geld", sagte Steuerkommissar Algirdas Semeta. "Betrüger werden immer schneller und raffinierter, um die öffentliche Hand zu bestehlen."

Das System lässt sich leicht missbrauchen

Mehrwertsteuer wird nicht direkt an den Staat gezahlt, sondern an den Verkäufer einer Ware. Dieser muss sie an das Finanzamt abführen. Er darf dabei die "Vorsteuer" abziehen, die er selbst an seinen Lieferanten gezahlt hat. Dieses System kann leicht missbraucht werden.

Ein kriminelles Karussellgeschäft funktioniert in seiner Grundvariante etwa so: Händler A in Belgien verkauft an das Scheinunternehmen B in Deutschland seine Ware. Innerhalb der EU wird keine Mehrwertsteuer fällig. Scheinunternehmen B verkauft die Ware an den Händler C. Händler C zahlt die Mehrwertsteuer an Scheinunternehmen B. B reicht die Mehrwertsteuer aber nicht an den Fiskus weiter, sondern stellt den Betrieb ein. C verkauft die Ware nun an den belgischen Händler A und lässt sich die an B gezahlte Steuer erstatten. Je öfter dieser Kreislauf stattfindet, desto größer der Profit der Kriminellen.

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